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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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sernenstube am ähnlichsten sah. An den weißen Kalkwän-
den hingen einige reich gearbeitete türkische Gewehre und
leinene Beutel mit der Correspondenz des Pascha. Außer
dem breiten Divan hatte man Mahagonistühle und So-
pha's mit seidenen Behängen hineingesetzt, und um gewiß
ganz europäisch eingerichtet zu sein, hatte man drei Stutz-
uhren neben einander auf einen Tisch gestellt.

Jn Silistria wurden wir eingeladen, mit dem Pascha
ins Bad zu gehen. Ueber die Einrichtung der türkischen
Bäder hab' ich Dir schon einmal geschrieben. Jn der Vor-
halle, wo man sich auskleidet und in Tücher wickeln läßt,
fanden wir einige dreißig Mann von der Dienerschaft des
Veziers. Nachdem der Kaffee genommen und eine Pfeife
getrunken, verfügten wir uns in das zweite bis auf 18 Gr.
erwärmte Gemach, wo man sich auf ein weiches Lager hin-
streckt, raucht und sich kunstgerecht kneten und frottiren
läßt. Mittlerweile wurden wir durch denselben Gesang wie
bei der Tafel erfreut, zugleich aber spielte eine Art von ko-
mischer Scene: Ein bezahlter Lustigmacher, der auch schon
bei den Tänzen fungirt hatte, und gelegentlich Prügel be-
kam, trat hier als Sänger auf; der Spaß bestand nun
darin, daß während dieser Jude sang, Jemand ihm unver-
merkt nahte, ihm den Mund voll Seife schmierte, das Ge-
sicht mit Asche färbte oder einen Kübel Wasser über den
Kopf goß und dergleichen Scherze mehr; schließlich wurde
dem Juden der Bart verbrannt, und so oft sich diese Späße
erneuerten, lachte Se. Excellenz aufs Herzlichste.

Sayd Mirza Pascha ist ein Tartar aus Bessara-
bien; er fing als Pferdejunge an, diente dann in Arabien,
Syrien, Morea, Albanien und gegen die Russen; er ist
ohne alle wissenschaftliche Bildung, abergläubisch bis zum
Erstaunen, aber von natürlichem Verstande und richtigem
Takte. -- Freilich weicht die Gastfreiheit des Muschirs
von Silistria sehr ab von dem, was wir bei uns von einem
kommandirenden General erwarten; indessen brauchen wir
in unserer eigenen Geschichte nicht allzuweit zurückzugehen,

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ſernenſtube am aͤhnlichſten ſah. An den weißen Kalkwaͤn-
den hingen einige reich gearbeitete tuͤrkiſche Gewehre und
leinene Beutel mit der Correſpondenz des Paſcha. Außer
dem breiten Divan hatte man Mahagoniſtuͤhle und So-
pha's mit ſeidenen Behaͤngen hineingeſetzt, und um gewiß
ganz europaͤiſch eingerichtet zu ſein, hatte man drei Stutz-
uhren neben einander auf einen Tiſch geſtellt.

Jn Siliſtria wurden wir eingeladen, mit dem Paſcha
ins Bad zu gehen. Ueber die Einrichtung der tuͤrkiſchen
Baͤder hab' ich Dir ſchon einmal geſchrieben. Jn der Vor-
halle, wo man ſich auskleidet und in Tuͤcher wickeln laͤßt,
fanden wir einige dreißig Mann von der Dienerſchaft des
Veziers. Nachdem der Kaffee genommen und eine Pfeife
getrunken, verfuͤgten wir uns in das zweite bis auf 18 Gr.
erwaͤrmte Gemach, wo man ſich auf ein weiches Lager hin-
ſtreckt, raucht und ſich kunſtgerecht kneten und frottiren
laͤßt. Mittlerweile wurden wir durch denſelben Geſang wie
bei der Tafel erfreut, zugleich aber ſpielte eine Art von ko-
miſcher Scene: Ein bezahlter Luſtigmacher, der auch ſchon
bei den Taͤnzen fungirt hatte, und gelegentlich Pruͤgel be-
kam, trat hier als Saͤnger auf; der Spaß beſtand nun
darin, daß waͤhrend dieſer Jude ſang, Jemand ihm unver-
merkt nahte, ihm den Mund voll Seife ſchmierte, das Ge-
ſicht mit Aſche faͤrbte oder einen Kuͤbel Waſſer uͤber den
Kopf goß und dergleichen Scherze mehr; ſchließlich wurde
dem Juden der Bart verbrannt, und ſo oft ſich dieſe Spaͤße
erneuerten, lachte Se. Excellenz aufs Herzlichſte.

Sayd Mirza Paſcha iſt ein Tartar aus Beſſara-
bien; er fing als Pferdejunge an, diente dann in Arabien,
Syrien, Morea, Albanien und gegen die Ruſſen; er iſt
ohne alle wiſſenſchaftliche Bildung, aberglaͤubiſch bis zum
Erſtaunen, aber von natuͤrlichem Verſtande und richtigem
Takte. — Freilich weicht die Gaſtfreiheit des Muſchirs
von Siliſtria ſehr ab von dem, was wir bei uns von einem
kommandirenden General erwarten; indeſſen brauchen wir
in unſerer eigenen Geſchichte nicht allzuweit zuruͤckzugehen,

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[161/0171] ſernenſtube am aͤhnlichſten ſah. An den weißen Kalkwaͤn- den hingen einige reich gearbeitete tuͤrkiſche Gewehre und leinene Beutel mit der Correſpondenz des Paſcha. Außer dem breiten Divan hatte man Mahagoniſtuͤhle und So- pha's mit ſeidenen Behaͤngen hineingeſetzt, und um gewiß ganz europaͤiſch eingerichtet zu ſein, hatte man drei Stutz- uhren neben einander auf einen Tiſch geſtellt. Jn Siliſtria wurden wir eingeladen, mit dem Paſcha ins Bad zu gehen. Ueber die Einrichtung der tuͤrkiſchen Baͤder hab' ich Dir ſchon einmal geſchrieben. Jn der Vor- halle, wo man ſich auskleidet und in Tuͤcher wickeln laͤßt, fanden wir einige dreißig Mann von der Dienerſchaft des Veziers. Nachdem der Kaffee genommen und eine Pfeife getrunken, verfuͤgten wir uns in das zweite bis auf 18 Gr. erwaͤrmte Gemach, wo man ſich auf ein weiches Lager hin- ſtreckt, raucht und ſich kunſtgerecht kneten und frottiren laͤßt. Mittlerweile wurden wir durch denſelben Geſang wie bei der Tafel erfreut, zugleich aber ſpielte eine Art von ko- miſcher Scene: Ein bezahlter Luſtigmacher, der auch ſchon bei den Taͤnzen fungirt hatte, und gelegentlich Pruͤgel be- kam, trat hier als Saͤnger auf; der Spaß beſtand nun darin, daß waͤhrend dieſer Jude ſang, Jemand ihm unver- merkt nahte, ihm den Mund voll Seife ſchmierte, das Ge- ſicht mit Aſche faͤrbte oder einen Kuͤbel Waſſer uͤber den Kopf goß und dergleichen Scherze mehr; ſchließlich wurde dem Juden der Bart verbrannt, und ſo oft ſich dieſe Spaͤße erneuerten, lachte Se. Excellenz aufs Herzlichſte. Sayd Mirza Paſcha iſt ein Tartar aus Beſſara- bien; er fing als Pferdejunge an, diente dann in Arabien, Syrien, Morea, Albanien und gegen die Ruſſen; er iſt ohne alle wiſſenſchaftliche Bildung, aberglaͤubiſch bis zum Erſtaunen, aber von natuͤrlichem Verſtande und richtigem Takte. — Freilich weicht die Gaſtfreiheit des Muſchirs von Siliſtria ſehr ab von dem, was wir bei uns von einem kommandirenden General erwarten; indeſſen brauchen wir in unſerer eigenen Geſchichte nicht allzuweit zuruͤckzugehen, 11

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/171>, abgerufen am 27.11.2024.