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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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zu halten, sie zierlich zu stopfen, eine glühende Kohle genau
mitten auf den Taback zu legen, den Tschibuk anzurauchen
und mit einer gewissen Ceremonie zu überreichen; er faßt
dabei das Rohr oben mit der rechten Hand, die linke aus
Ehrfurcht vorn über den Leib gelegt, so schreitet er schnell
auf Dich zu und setzt den Kopf genau so an die Erde, daß
wenn er die Spitze herumschwenkt, sie Dir an die Lippen
reicht; dann schiebt er eine kleine Messingschaale unter den
Kopf, um den kostbaren Teppich vor der Kohle zu bewah-
ren und zieht sich rückwärts an die Thür zurück, wo er
stehen bleibt und wartet, bis er wieder stopfen kann.

Die Türken sagen, die Pfeife "trinken" (tschibuk
itschmek
), und wirklich schlürfen sie sie, wie wir ein Glas
Rheinwein; sie ziehen den Rauch ganz in die Lungen ein,
lehnen den Kopf zurück, schließen die Augen und lassen den
berauschenden Dampf langsam und mit Wohlbehagen durch
Nase und Mund ausströmen.

Jch habe früher nie rauchen können, und als ich beim
Seraskier die ersten Tschibuks zu genießen nicht vermeiden
konnte, dachte ich mit Schrecken an eine wahrscheinlich be-
vorstehende Seekrankheit. Jndeß habe ich mich an die hie-
sige Art zu rauchen schnell gewöhnt, und finde sogar ein
Vergnügen daran, unter einer schattigen Platane den Blick
über Meer und Berge schweifen zu lassen, und halb träu-
mend, halb wachend den expansiblen Trank aus der Pfeife
zu leeren.

Um das Capitel des Rauchens vollständig abzuhan-
deln, muß ich noch der Wasserpfeife (Nargileh) erwähnen.
Der Rauch eines sehr schweren, etwas angefeuchteten Ta-
backs (Tümbeki) wird durch Wasser geleitet und gelangt
kalt durch einen viele Ellen langen dünnen Schlauch in den
Mund des Rauchers. Das Wasser befindet sich in einer
gläsernen Urne (böhmischer Arbeit); der Türke thut eine
Rose oder eine Kirsche hinein und hat seine harmlose Freude
daran, wie diese bei jedem Zuge auf der bewegten Ober-
fläche tanzt. Ein solcher Nargileh, ein schattiger Baum,

zu halten, ſie zierlich zu ſtopfen, eine gluͤhende Kohle genau
mitten auf den Taback zu legen, den Tſchibuk anzurauchen
und mit einer gewiſſen Ceremonie zu uͤberreichen; er faßt
dabei das Rohr oben mit der rechten Hand, die linke aus
Ehrfurcht vorn uͤber den Leib gelegt, ſo ſchreitet er ſchnell
auf Dich zu und ſetzt den Kopf genau ſo an die Erde, daß
wenn er die Spitze herumſchwenkt, ſie Dir an die Lippen
reicht; dann ſchiebt er eine kleine Meſſingſchaale unter den
Kopf, um den koſtbaren Teppich vor der Kohle zu bewah-
ren und zieht ſich ruͤckwaͤrts an die Thuͤr zuruͤck, wo er
ſtehen bleibt und wartet, bis er wieder ſtopfen kann.

Die Tuͤrken ſagen, die Pfeife „trinken“ (tschibuk
itschmek
), und wirklich ſchluͤrfen ſie ſie, wie wir ein Glas
Rheinwein; ſie ziehen den Rauch ganz in die Lungen ein,
lehnen den Kopf zuruͤck, ſchließen die Augen und laſſen den
berauſchenden Dampf langſam und mit Wohlbehagen durch
Naſe und Mund ausſtroͤmen.

Jch habe fruͤher nie rauchen koͤnnen, und als ich beim
Seraskier die erſten Tſchibuks zu genießen nicht vermeiden
konnte, dachte ich mit Schrecken an eine wahrſcheinlich be-
vorſtehende Seekrankheit. Jndeß habe ich mich an die hie-
ſige Art zu rauchen ſchnell gewoͤhnt, und finde ſogar ein
Vergnuͤgen daran, unter einer ſchattigen Platane den Blick
uͤber Meer und Berge ſchweifen zu laſſen, und halb traͤu-
mend, halb wachend den expanſiblen Trank aus der Pfeife
zu leeren.

Um das Capitel des Rauchens vollſtaͤndig abzuhan-
deln, muß ich noch der Waſſerpfeife (Nargileh) erwaͤhnen.
Der Rauch eines ſehr ſchweren, etwas angefeuchteten Ta-
backs (Tuͤmbeki) wird durch Waſſer geleitet und gelangt
kalt durch einen viele Ellen langen duͤnnen Schlauch in den
Mund des Rauchers. Das Waſſer befindet ſich in einer
glaͤſernen Urne (boͤhmiſcher Arbeit); der Tuͤrke thut eine
Roſe oder eine Kirſche hinein und hat ſeine harmloſe Freude
daran, wie dieſe bei jedem Zuge auf der bewegten Ober-
flaͤche tanzt. Ein ſolcher Nargileh, ein ſchattiger Baum,

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[149/0159] zu halten, ſie zierlich zu ſtopfen, eine gluͤhende Kohle genau mitten auf den Taback zu legen, den Tſchibuk anzurauchen und mit einer gewiſſen Ceremonie zu uͤberreichen; er faßt dabei das Rohr oben mit der rechten Hand, die linke aus Ehrfurcht vorn uͤber den Leib gelegt, ſo ſchreitet er ſchnell auf Dich zu und ſetzt den Kopf genau ſo an die Erde, daß wenn er die Spitze herumſchwenkt, ſie Dir an die Lippen reicht; dann ſchiebt er eine kleine Meſſingſchaale unter den Kopf, um den koſtbaren Teppich vor der Kohle zu bewah- ren und zieht ſich ruͤckwaͤrts an die Thuͤr zuruͤck, wo er ſtehen bleibt und wartet, bis er wieder ſtopfen kann. Die Tuͤrken ſagen, die Pfeife „trinken“ (tschibuk itschmek), und wirklich ſchluͤrfen ſie ſie, wie wir ein Glas Rheinwein; ſie ziehen den Rauch ganz in die Lungen ein, lehnen den Kopf zuruͤck, ſchließen die Augen und laſſen den berauſchenden Dampf langſam und mit Wohlbehagen durch Naſe und Mund ausſtroͤmen. Jch habe fruͤher nie rauchen koͤnnen, und als ich beim Seraskier die erſten Tſchibuks zu genießen nicht vermeiden konnte, dachte ich mit Schrecken an eine wahrſcheinlich be- vorſtehende Seekrankheit. Jndeß habe ich mich an die hie- ſige Art zu rauchen ſchnell gewoͤhnt, und finde ſogar ein Vergnuͤgen daran, unter einer ſchattigen Platane den Blick uͤber Meer und Berge ſchweifen zu laſſen, und halb traͤu- mend, halb wachend den expanſiblen Trank aus der Pfeife zu leeren. Um das Capitel des Rauchens vollſtaͤndig abzuhan- deln, muß ich noch der Waſſerpfeife (Nargileh) erwaͤhnen. Der Rauch eines ſehr ſchweren, etwas angefeuchteten Ta- backs (Tuͤmbeki) wird durch Waſſer geleitet und gelangt kalt durch einen viele Ellen langen duͤnnen Schlauch in den Mund des Rauchers. Das Waſſer befindet ſich in einer glaͤſernen Urne (boͤhmiſcher Arbeit); der Tuͤrke thut eine Roſe oder eine Kirſche hinein und hat ſeine harmloſe Freude daran, wie dieſe bei jedem Zuge auf der bewegten Ober- flaͤche tanzt. Ein ſolcher Nargileh, ein ſchattiger Baum,

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/159>, abgerufen am 03.05.2024.