Welchen Anblick gewähren noch heute jene Dörfer ohne Gärten, ohne Obstbäume, ohne Kirchen, und man möchte sagen ohne Häuser, denn diese sind in die Erde versenkt und nur mit einem Dach aus Zweigen eingedeckt. Vor- werke, Mühlen, Wirthschaftshäuser, Alleen, Anpflanzungen, Brücken oder Schlösser erblickt man während ganzer Tage- reisen nicht.
Das flache Land ist vollkommen baumlos, obschon ein Drittel desselben mit Eichengestripp überdeckt ist. An An- pflanzen dachte hier natürlich Niemand, und die schönen Waldungen, welche die Natur geschenkt, sind auf eine Art verwüstet, daß man kaum begreift, wie Bosheit, Nachläs- sigkeit, Muthwille, wie Menschenkräfte in ihrer verderb- lichen Richtung überhaupt zu solchen Verheerungen aus- reichten. Es wird eben so schwer sein, diese großen Flä- chen in Forst- als in Getreide-Land umzuwandeln. Von dem zum Ackerbau fähigen Boden ist kaum der fünfte Theil bestellt, und so gleicht denn dieses Land in der That nur einer weiten Wüstenei, einer Wüstenei freilich, die nur auf fleißige Menschenhände wartet, um jede Mühe überschweng- lich zu lohnen. Nur sehr wenige Bojaren bewirthschaften ihre großen Güter selbst, die mehrsten haben ihre Häuser in den Städten, wo auch die Kirchen zusammengedrängt sind, die auf dem Lande fehlen. Dieser Adel hat seit den letzten Umwälzungen viel verloren; er ist zu Grunde gerich- tet, nicht deshalb, weil der Druck, unter welchem der Land- mann seufzte, gemindert ist (denn der Preis der Grund- stücke ist außerordentlich gestiegen), aber die Bojaren lebten früher von den Aemtern, die sie verhandelten, oder selbst ausbeuteten, und diese sind nun durch Beamte mit fester Besoldung verwaltet. Welche Wohlthat schon, daß die erste Stelle des Landes, die des Hospodaren, nicht mehr ver- kauft wird. Die Wallachei hat in siebzig Jahren vierzig Fürsten gehabt; jetzt ist die Hospodaren-Würde lebensläng- lich; daß sie aber nicht erblich geworden, darin liegt wohl ein Hauptgrund des langsamen Emporblühens dieses Landes.
Welchen Anblick gewaͤhren noch heute jene Doͤrfer ohne Gaͤrten, ohne Obſtbaͤume, ohne Kirchen, und man moͤchte ſagen ohne Haͤuſer, denn dieſe ſind in die Erde verſenkt und nur mit einem Dach aus Zweigen eingedeckt. Vor- werke, Muͤhlen, Wirthſchaftshaͤuſer, Alleen, Anpflanzungen, Bruͤcken oder Schloͤſſer erblickt man waͤhrend ganzer Tage- reiſen nicht.
Das flache Land iſt vollkommen baumlos, obſchon ein Drittel deſſelben mit Eichengeſtripp uͤberdeckt iſt. An An- pflanzen dachte hier natuͤrlich Niemand, und die ſchoͤnen Waldungen, welche die Natur geſchenkt, ſind auf eine Art verwuͤſtet, daß man kaum begreift, wie Bosheit, Nachlaͤſ- ſigkeit, Muthwille, wie Menſchenkraͤfte in ihrer verderb- lichen Richtung uͤberhaupt zu ſolchen Verheerungen aus- reichten. Es wird eben ſo ſchwer ſein, dieſe großen Flaͤ- chen in Forſt- als in Getreide-Land umzuwandeln. Von dem zum Ackerbau faͤhigen Boden iſt kaum der fuͤnfte Theil beſtellt, und ſo gleicht denn dieſes Land in der That nur einer weiten Wuͤſtenei, einer Wuͤſtenei freilich, die nur auf fleißige Menſchenhaͤnde wartet, um jede Muͤhe uͤberſchweng- lich zu lohnen. Nur ſehr wenige Bojaren bewirthſchaften ihre großen Guͤter ſelbſt, die mehrſten haben ihre Haͤuſer in den Staͤdten, wo auch die Kirchen zuſammengedraͤngt ſind, die auf dem Lande fehlen. Dieſer Adel hat ſeit den letzten Umwaͤlzungen viel verloren; er iſt zu Grunde gerich- tet, nicht deshalb, weil der Druck, unter welchem der Land- mann ſeufzte, gemindert iſt (denn der Preis der Grund- ſtuͤcke iſt außerordentlich geſtiegen), aber die Bojaren lebten fruͤher von den Aemtern, die ſie verhandelten, oder ſelbſt ausbeuteten, und dieſe ſind nun durch Beamte mit feſter Beſoldung verwaltet. Welche Wohlthat ſchon, daß die erſte Stelle des Landes, die des Hospodaren, nicht mehr ver- kauft wird. Die Wallachei hat in ſiebzig Jahren vierzig Fuͤrſten gehabt; jetzt iſt die Hospodaren-Wuͤrde lebenslaͤng- lich; daß ſie aber nicht erblich geworden, darin liegt wohl ein Hauptgrund des langſamen Emporbluͤhens dieſes Landes.
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Welchen Anblick gewaͤhren noch heute jene Doͤrfer ohne
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ſagen ohne Haͤuſer, denn dieſe ſind in die Erde verſenkt
und nur mit einem Dach aus Zweigen eingedeckt. Vor-
werke, Muͤhlen, Wirthſchaftshaͤuſer, Alleen, Anpflanzungen,
Bruͤcken oder Schloͤſſer erblickt man waͤhrend ganzer Tage-
reiſen nicht.
Das flache Land iſt vollkommen baumlos, obſchon ein
Drittel deſſelben mit Eichengeſtripp uͤberdeckt iſt. An An-
pflanzen dachte hier natuͤrlich Niemand, und die ſchoͤnen
Waldungen, welche die Natur geſchenkt, ſind auf eine Art
verwuͤſtet, daß man kaum begreift, wie Bosheit, Nachlaͤſ-
ſigkeit, Muthwille, wie Menſchenkraͤfte in ihrer verderb-
lichen Richtung uͤberhaupt zu ſolchen Verheerungen aus-
reichten. Es wird eben ſo ſchwer ſein, dieſe großen Flaͤ-
chen in Forſt- als in Getreide-Land umzuwandeln. Von
dem zum Ackerbau faͤhigen Boden iſt kaum der fuͤnfte Theil
beſtellt, und ſo gleicht denn dieſes Land in der That nur
einer weiten Wuͤſtenei, einer Wuͤſtenei freilich, die nur auf
fleißige Menſchenhaͤnde wartet, um jede Muͤhe uͤberſchweng-
lich zu lohnen. Nur ſehr wenige Bojaren bewirthſchaften
ihre großen Guͤter ſelbſt, die mehrſten haben ihre Haͤuſer
in den Staͤdten, wo auch die Kirchen zuſammengedraͤngt
ſind, die auf dem Lande fehlen. Dieſer Adel hat ſeit den
letzten Umwaͤlzungen viel verloren; er iſt zu Grunde gerich-
tet, nicht deshalb, weil der Druck, unter welchem der Land-
mann ſeufzte, gemindert iſt (denn der Preis der Grund-
ſtuͤcke iſt außerordentlich geſtiegen), aber die Bojaren lebten
fruͤher von den Aemtern, die ſie verhandelten, oder ſelbſt
ausbeuteten, und dieſe ſind nun durch Beamte mit feſter
Beſoldung verwaltet. Welche Wohlthat ſchon, daß die erſte
Stelle des Landes, die des Hospodaren, nicht mehr ver-
kauft wird. Die Wallachei hat in ſiebzig Jahren vierzig
Fuͤrſten gehabt; jetzt iſt die Hospodaren-Wuͤrde lebenslaͤng-
lich; daß ſie aber nicht erblich geworden, darin liegt wohl
ein Hauptgrund des langſamen Emporbluͤhens dieſes Landes.
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/15>, abgerufen am 23.11.2024.
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