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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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sind zu Estraden erhöht, welche mit Teppichen belegt sind
und einen nur handhohen, breiten, weichen Sopha tragen.
Das weit vorgreifende Dach beschattet dann noch die Nel-
ken- und Goldlack-Töpfe, welche rings außerhalb der Gal-
lerie angebracht sind. Die Zimmer erhalten ihr Licht aus
den Corridors, und es herrscht dies gewisse angenehme Dun-
kel, welches die Augen von dem Uebermaaße von Licht die-
ses schönen Himmels sich erholen läßt. Kein heimlicheres
Plätzchen, um gründlich zu faullenzen, als meine Estrade;
gegenüber steigt die bewaldete Thalwand empor, aus deren
Schatten die Nachtigallen herübersingen, und die schnee-
bedeckten Gipfel des Balkan ragen hoch über die Bäume
heraus.


Heute haben wir den Balkan überschritten. Jch glaube,
die Einsattlung, auf welcher die Straße das Gebirge über-
steigt, erhebt sich keine 3000 Fuß über Gabrova, dem Fuße
desselben, wo wir übernachteten. Die Pässe über den thü-
ringer Wald z. B. scheinen mir höher, nur daß die Stra-
ßen so bequem sind, daß man es nicht bemerkt. West-
wärts freilich steigen die Gipfel bedeutend an und sind noch
mit Schnee bedeckt; auf der Höhe des scharfen Kamms
hat man eine weite Aussicht über das Hügelland von Bul-
garien und eine noch schönere auf der Rumelischen Seite
in das reizende Thal von Kasanlik. Wie eine Landkarte
liegen die Felder, Wiesen und Dörfer da, die weißen Wege
und die Bäche, deren Lauf an prächtigen Bäumen kennt-
lich ist; jenseits erhebt sich eine andere, aber niedrigere
Bergkette, und das Ganze erinnerte mich lebhaft an das
schöne Hirschberger Thal, vom Kynast aus gesehen.

Der südliche Abhang des Balkan fällt jäh gegen die
Ebene hinab; in weniger als einer Stunde erreichten wir
auf der für den Großherrn neu erbauten Straße Schibka,
am Fuße der Bergkette. Der Balkan ist als Bergkette an

ſind zu Eſtraden erhoͤht, welche mit Teppichen belegt ſind
und einen nur handhohen, breiten, weichen Sopha tragen.
Das weit vorgreifende Dach beſchattet dann noch die Nel-
ken- und Goldlack-Toͤpfe, welche rings außerhalb der Gal-
lerie angebracht ſind. Die Zimmer erhalten ihr Licht aus
den Corridors, und es herrſcht dies gewiſſe angenehme Dun-
kel, welches die Augen von dem Uebermaaße von Licht die-
ſes ſchoͤnen Himmels ſich erholen laͤßt. Kein heimlicheres
Plaͤtzchen, um gruͤndlich zu faullenzen, als meine Eſtrade;
gegenuͤber ſteigt die bewaldete Thalwand empor, aus deren
Schatten die Nachtigallen heruͤberſingen, und die ſchnee-
bedeckten Gipfel des Balkan ragen hoch uͤber die Baͤume
heraus.


Heute haben wir den Balkan uͤberſchritten. Jch glaube,
die Einſattlung, auf welcher die Straße das Gebirge uͤber-
ſteigt, erhebt ſich keine 3000 Fuß uͤber Gabrova, dem Fuße
deſſelben, wo wir uͤbernachteten. Die Paͤſſe uͤber den thuͤ-
ringer Wald z. B. ſcheinen mir hoͤher, nur daß die Stra-
ßen ſo bequem ſind, daß man es nicht bemerkt. Weſt-
waͤrts freilich ſteigen die Gipfel bedeutend an und ſind noch
mit Schnee bedeckt; auf der Hoͤhe des ſcharfen Kamms
hat man eine weite Ausſicht uͤber das Huͤgelland von Bul-
garien und eine noch ſchoͤnere auf der Rumeliſchen Seite
in das reizende Thal von Kaſanlik. Wie eine Landkarte
liegen die Felder, Wieſen und Doͤrfer da, die weißen Wege
und die Baͤche, deren Lauf an praͤchtigen Baͤumen kennt-
lich iſt; jenſeits erhebt ſich eine andere, aber niedrigere
Bergkette, und das Ganze erinnerte mich lebhaft an das
ſchoͤne Hirſchberger Thal, vom Kynaſt aus geſehen.

Der ſuͤdliche Abhang des Balkan faͤllt jaͤh gegen die
Ebene hinab; in weniger als einer Stunde erreichten wir
auf der fuͤr den Großherrn neu erbauten Straße Schibka,
am Fuße der Bergkette. Der Balkan iſt als Bergkette an

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[138/0148] ſind zu Eſtraden erhoͤht, welche mit Teppichen belegt ſind und einen nur handhohen, breiten, weichen Sopha tragen. Das weit vorgreifende Dach beſchattet dann noch die Nel- ken- und Goldlack-Toͤpfe, welche rings außerhalb der Gal- lerie angebracht ſind. Die Zimmer erhalten ihr Licht aus den Corridors, und es herrſcht dies gewiſſe angenehme Dun- kel, welches die Augen von dem Uebermaaße von Licht die- ſes ſchoͤnen Himmels ſich erholen laͤßt. Kein heimlicheres Plaͤtzchen, um gruͤndlich zu faullenzen, als meine Eſtrade; gegenuͤber ſteigt die bewaldete Thalwand empor, aus deren Schatten die Nachtigallen heruͤberſingen, und die ſchnee- bedeckten Gipfel des Balkan ragen hoch uͤber die Baͤume heraus. Kaſanlik, den 21. Mai 1837. Heute haben wir den Balkan uͤberſchritten. Jch glaube, die Einſattlung, auf welcher die Straße das Gebirge uͤber- ſteigt, erhebt ſich keine 3000 Fuß uͤber Gabrova, dem Fuße deſſelben, wo wir uͤbernachteten. Die Paͤſſe uͤber den thuͤ- ringer Wald z. B. ſcheinen mir hoͤher, nur daß die Stra- ßen ſo bequem ſind, daß man es nicht bemerkt. Weſt- waͤrts freilich ſteigen die Gipfel bedeutend an und ſind noch mit Schnee bedeckt; auf der Hoͤhe des ſcharfen Kamms hat man eine weite Ausſicht uͤber das Huͤgelland von Bul- garien und eine noch ſchoͤnere auf der Rumeliſchen Seite in das reizende Thal von Kaſanlik. Wie eine Landkarte liegen die Felder, Wieſen und Doͤrfer da, die weißen Wege und die Baͤche, deren Lauf an praͤchtigen Baͤumen kennt- lich iſt; jenſeits erhebt ſich eine andere, aber niedrigere Bergkette, und das Ganze erinnerte mich lebhaft an das ſchoͤne Hirſchberger Thal, vom Kynaſt aus geſehen. Der ſuͤdliche Abhang des Balkan faͤllt jaͤh gegen die Ebene hinab; in weniger als einer Stunde erreichten wir auf der fuͤr den Großherrn neu erbauten Straße Schibka, am Fuße der Bergkette. Der Balkan iſt als Bergkette an

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/148>, abgerufen am 04.05.2024.