Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

hast. Mein Wirth führt, auf Griechisch, den etwas selt-
samen Titel: Despot, ein Prädikat, welches sich schlecht
mit der tiefgebeugten Stellung und dem Küssen des Rock-
zipfels eines türkischen Pascha's verträgt. Der Despot hat
aber einen trefflichen in conspectu Tenedos gewachsenen
Wein, das Essen ist schmackhaft und Alles reinlich und gut.

Am Morgen nach unserer Ankunft ritt der Großherr
mit starkem Gefolge herum, um die Festung in Augenschein
zu nehmen. Jch war schon Abends zuvor und in der Frühe
überall gewesen, um Sr. Hoheit Rede und Antwort stehen
zu können. Er zeigte sich sehr wohlwollend und gnädig,
gab mir aber so viel kleine Aufträge, daß ich kaum weiß,
wie ich fertig werden soll. Unter andern wünschte Se.
Hoheit einen Riß von Jhrem Einzuge zu haben, worunter
aber eine perspectivische Zeichnung gemeint ist. Jch habe
in aller Eile die Umgebung in Blei entworfen und das
Blatt an einen guten Maler nach Konstantinopel geschickt,
der wo möglich ein Bild daraus machen soll.


Der Großherr verließ Varna den 3., blieb die Nacht
in einem Dorfe, wo man binnen zwölf Tagen ein Kiosk
für ihn erbaut und vollständig möblirt hatte. Er früh-
stückte am 4. in einem andern Dorfe, wo ebenfalls ein
Haus für diesen viertelstündigen Aufenthalt aufgeführt und
eingerichtet war, und traf Mittags hier ein. Jch war
schon am 2. in der Nacht vorausgereiset, um mich vorher
zu orientiren.

Die Empfangsfeierlichkeiten scheinen überall dieselben
zu sein. Se. Kaiserl. Majestät steigen eine Viertelstunde
vor der Stadt in ein Zelt ab, um den blauen Ueberrock
mit der bewußten rothen Uniform zu vertauschen. Für
wen er eigentlich diese Toilette macht, weiß ich nicht; bei
uns ist man gewöhnt, die Pracht des Monarchen durch
den Glanz der Großen und Mächtigen, die ihn umgeben,

haſt. Mein Wirth fuͤhrt, auf Griechiſch, den etwas ſelt-
ſamen Titel: Despot, ein Praͤdikat, welches ſich ſchlecht
mit der tiefgebeugten Stellung und dem Kuͤſſen des Rock-
zipfels eines tuͤrkiſchen Paſcha's vertraͤgt. Der Despot hat
aber einen trefflichen in conspectu Tenedos gewachſenen
Wein, das Eſſen iſt ſchmackhaft und Alles reinlich und gut.

Am Morgen nach unſerer Ankunft ritt der Großherr
mit ſtarkem Gefolge herum, um die Feſtung in Augenſchein
zu nehmen. Jch war ſchon Abends zuvor und in der Fruͤhe
uͤberall geweſen, um Sr. Hoheit Rede und Antwort ſtehen
zu koͤnnen. Er zeigte ſich ſehr wohlwollend und gnaͤdig,
gab mir aber ſo viel kleine Auftraͤge, daß ich kaum weiß,
wie ich fertig werden ſoll. Unter andern wuͤnſchte Se.
Hoheit einen Riß von Jhrem Einzuge zu haben, worunter
aber eine perſpectiviſche Zeichnung gemeint iſt. Jch habe
in aller Eile die Umgebung in Blei entworfen und das
Blatt an einen guten Maler nach Konſtantinopel geſchickt,
der wo moͤglich ein Bild daraus machen ſoll.


Der Großherr verließ Varna den 3., blieb die Nacht
in einem Dorfe, wo man binnen zwoͤlf Tagen ein Kiosk
fuͤr ihn erbaut und vollſtaͤndig moͤblirt hatte. Er fruͤh-
ſtuͤckte am 4. in einem andern Dorfe, wo ebenfalls ein
Haus fuͤr dieſen viertelſtuͤndigen Aufenthalt aufgefuͤhrt und
eingerichtet war, und traf Mittags hier ein. Jch war
ſchon am 2. in der Nacht vorausgereiſet, um mich vorher
zu orientiren.

Die Empfangsfeierlichkeiten ſcheinen uͤberall dieſelben
zu ſein. Se. Kaiſerl. Majeſtaͤt ſteigen eine Viertelſtunde
vor der Stadt in ein Zelt ab, um den blauen Ueberrock
mit der bewußten rothen Uniform zu vertauſchen. Fuͤr
wen er eigentlich dieſe Toilette macht, weiß ich nicht; bei
uns iſt man gewoͤhnt, die Pracht des Monarchen durch
den Glanz der Großen und Maͤchtigen, die ihn umgeben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="128"/>
ha&#x017F;t. Mein Wirth fu&#x0364;hrt, auf Griechi&#x017F;ch, den etwas &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;amen Titel: <hi rendition="#g">Despot</hi>, ein Pra&#x0364;dikat, welches &#x017F;ich &#x017F;chlecht<lb/>
mit der tiefgebeugten Stellung und dem Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en des Rock-<lb/>
zipfels eines tu&#x0364;rki&#x017F;chen Pa&#x017F;cha's vertra&#x0364;gt. Der Despot hat<lb/>
aber einen trefflichen <hi rendition="#aq">in conspectu Tenedos</hi> gewach&#x017F;enen<lb/>
Wein, das E&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t &#x017F;chmackhaft und Alles reinlich und gut.</p><lb/>
          <p>Am Morgen nach un&#x017F;erer Ankunft ritt der Großherr<lb/>
mit &#x017F;tarkem Gefolge herum, um die Fe&#x017F;tung in Augen&#x017F;chein<lb/>
zu nehmen. Jch war &#x017F;chon Abends zuvor und in der Fru&#x0364;he<lb/>
u&#x0364;berall gewe&#x017F;en, um Sr. Hoheit Rede und Antwort &#x017F;tehen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen. Er zeigte &#x017F;ich &#x017F;ehr wohlwollend und gna&#x0364;dig,<lb/>
gab mir aber &#x017F;o viel kleine Auftra&#x0364;ge, daß ich kaum weiß,<lb/>
wie ich fertig werden &#x017F;oll. Unter andern wu&#x0364;n&#x017F;chte Se.<lb/>
Hoheit einen Riß von Jhrem Einzuge zu haben, worunter<lb/>
aber eine per&#x017F;pectivi&#x017F;che Zeichnung gemeint i&#x017F;t. Jch habe<lb/>
in aller Eile die Umgebung in Blei entworfen und das<lb/>
Blatt an einen guten Maler nach Kon&#x017F;tantinopel ge&#x017F;chickt,<lb/>
der wo mo&#x0364;glich ein Bild daraus machen &#x017F;oll.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Schumla, den 5. Mai 1837.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Der Großherr verließ Varna den 3., blieb die Nacht<lb/>
in einem Dorfe, wo man binnen zwo&#x0364;lf Tagen ein Kiosk<lb/>
fu&#x0364;r ihn erbaut und voll&#x017F;ta&#x0364;ndig mo&#x0364;blirt hatte. Er fru&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ckte am 4. in einem andern Dorfe, wo ebenfalls ein<lb/>
Haus fu&#x0364;r die&#x017F;en viertel&#x017F;tu&#x0364;ndigen Aufenthalt aufgefu&#x0364;hrt und<lb/>
eingerichtet war, und traf Mittags hier ein. Jch war<lb/>
&#x017F;chon am 2. in der Nacht vorausgerei&#x017F;et, um mich vorher<lb/>
zu orientiren.</p><lb/>
          <p>Die Empfangsfeierlichkeiten &#x017F;cheinen u&#x0364;berall die&#x017F;elben<lb/>
zu &#x017F;ein. Se. Kai&#x017F;erl. Maje&#x017F;ta&#x0364;t &#x017F;teigen eine Viertel&#x017F;tunde<lb/>
vor der Stadt in ein Zelt ab, um den blauen Ueberrock<lb/>
mit der bewußten rothen Uniform zu vertau&#x017F;chen. Fu&#x0364;r<lb/>
wen er eigentlich die&#x017F;e Toilette macht, weiß ich nicht; bei<lb/>
uns i&#x017F;t man gewo&#x0364;hnt, die Pracht des Monarchen durch<lb/>
den Glanz der Großen und Ma&#x0364;chtigen, die ihn umgeben,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0138] haſt. Mein Wirth fuͤhrt, auf Griechiſch, den etwas ſelt- ſamen Titel: Despot, ein Praͤdikat, welches ſich ſchlecht mit der tiefgebeugten Stellung und dem Kuͤſſen des Rock- zipfels eines tuͤrkiſchen Paſcha's vertraͤgt. Der Despot hat aber einen trefflichen in conspectu Tenedos gewachſenen Wein, das Eſſen iſt ſchmackhaft und Alles reinlich und gut. Am Morgen nach unſerer Ankunft ritt der Großherr mit ſtarkem Gefolge herum, um die Feſtung in Augenſchein zu nehmen. Jch war ſchon Abends zuvor und in der Fruͤhe uͤberall geweſen, um Sr. Hoheit Rede und Antwort ſtehen zu koͤnnen. Er zeigte ſich ſehr wohlwollend und gnaͤdig, gab mir aber ſo viel kleine Auftraͤge, daß ich kaum weiß, wie ich fertig werden ſoll. Unter andern wuͤnſchte Se. Hoheit einen Riß von Jhrem Einzuge zu haben, worunter aber eine perſpectiviſche Zeichnung gemeint iſt. Jch habe in aller Eile die Umgebung in Blei entworfen und das Blatt an einen guten Maler nach Konſtantinopel geſchickt, der wo moͤglich ein Bild daraus machen ſoll. Schumla, den 5. Mai 1837. Der Großherr verließ Varna den 3., blieb die Nacht in einem Dorfe, wo man binnen zwoͤlf Tagen ein Kiosk fuͤr ihn erbaut und vollſtaͤndig moͤblirt hatte. Er fruͤh- ſtuͤckte am 4. in einem andern Dorfe, wo ebenfalls ein Haus fuͤr dieſen viertelſtuͤndigen Aufenthalt aufgefuͤhrt und eingerichtet war, und traf Mittags hier ein. Jch war ſchon am 2. in der Nacht vorausgereiſet, um mich vorher zu orientiren. Die Empfangsfeierlichkeiten ſcheinen uͤberall dieſelben zu ſein. Se. Kaiſerl. Majeſtaͤt ſteigen eine Viertelſtunde vor der Stadt in ein Zelt ab, um den blauen Ueberrock mit der bewußten rothen Uniform zu vertauſchen. Fuͤr wen er eigentlich dieſe Toilette macht, weiß ich nicht; bei uns iſt man gewoͤhnt, die Pracht des Monarchen durch den Glanz der Großen und Maͤchtigen, die ihn umgeben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/138
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/138>, abgerufen am 25.11.2024.