Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

näher gelegt, daß sie nicht mehr unüberwindlich sind, hat
dies nun zwar aufgehört, immer aber ist der Großherr der
mindest zugängliche aller europäischen Fürsten; ich will Dir
daher meine Audienz beschreiben.

Um 10 Uhr Morgens begab ich mich mit dem Dra-
goman der Gesandtschaft, der mich auf allen meinen Zügen
begleitet hat, ins Mabein oder den Versammlungsort der
Großenwürdenträger des Reichs. Dieses Gebäude liegt
unmittelbar neben dem Winterpalais des Großherrn zu
Dolma-Baktsche (Kürbis-Garten), ist aber durch eine hohe
Mauer von demselben getrennt. Wassaf-Effendi, der Ge-
heimschreiber und mächtige Vertraute des Sultans, nimmt
hier die Fremden an, welche oft mehrere Stunden zubrin-
gen müssen, um Alles mit ihm gehörig durchzusprechen,
was man dem Großherrn zu wissen thun will. Dieser Ef-
fendi begiebt sich sodann zu seinem Gebieter, mit welchem
die Antworten berathen werden, und der dann genügend
vorbereitet ist. Das war mit mir nun nicht nöthig, da ich
nichts Politisches vorzubringen hatte. Der Capudan-Pascha,
ein äußerst freundlicher Herr, kam bald hinzu; es wurden
zahlreiche Pfeifen geraucht, Kaffee getrunken und um 11 Uhr
erhielten wir den Befehl, vor Sr. Hoheit zu erscheinen.

Durch eine kleine Nebenthür traten wir in den von
hohen Mauern umringten Hof, der nach dem Bosphorus
zu durch dichte Drahtgitter geschlossen ist, welche die Aus-
sicht nach Scutari und den Propontis offen lassen. Einige
Blumenparterre's mit Buxbaum eingefaßt, Rosenhecken und
zwei Bassins mit Springbrunnen füllten den innern Raum
aus. Am Ende des Hofes erhebt sich ein dreistöckiges
Wohnhaus aus Brettern, in welchem der Sultan den Win-
ter zubringt. Hinter demselben fangen die weitläuftigen
Gebäude des Harems an.

Man führte mich in einen schönen, sehr geräumigen
Kiosk, welcher, über dem Meere erbaut, eine prächtige Aus-
sicht gewährt. Dort fanden wir einen Schwarm von Kam-
merherren, Pagen, Sekretairen, Militairs und andern Be-

naͤher gelegt, daß ſie nicht mehr unuͤberwindlich ſind, hat
dies nun zwar aufgehoͤrt, immer aber iſt der Großherr der
mindeſt zugaͤngliche aller europaͤiſchen Fuͤrſten; ich will Dir
daher meine Audienz beſchreiben.

Um 10 Uhr Morgens begab ich mich mit dem Dra-
goman der Geſandtſchaft, der mich auf allen meinen Zuͤgen
begleitet hat, ins Mabeïn oder den Verſammlungsort der
Großenwuͤrdentraͤger des Reichs. Dieſes Gebaͤude liegt
unmittelbar neben dem Winterpalais des Großherrn zu
Dolma-Baktſche (Kuͤrbis-Garten), iſt aber durch eine hohe
Mauer von demſelben getrennt. Waſſaf-Effendi, der Ge-
heimſchreiber und maͤchtige Vertraute des Sultans, nimmt
hier die Fremden an, welche oft mehrere Stunden zubrin-
gen muͤſſen, um Alles mit ihm gehoͤrig durchzuſprechen,
was man dem Großherrn zu wiſſen thun will. Dieſer Ef-
fendi begiebt ſich ſodann zu ſeinem Gebieter, mit welchem
die Antworten berathen werden, und der dann genuͤgend
vorbereitet iſt. Das war mit mir nun nicht noͤthig, da ich
nichts Politiſches vorzubringen hatte. Der Capudan-Paſcha,
ein aͤußerſt freundlicher Herr, kam bald hinzu; es wurden
zahlreiche Pfeifen geraucht, Kaffee getrunken und um 11 Uhr
erhielten wir den Befehl, vor Sr. Hoheit zu erſcheinen.

Durch eine kleine Nebenthuͤr traten wir in den von
hohen Mauern umringten Hof, der nach dem Bosphorus
zu durch dichte Drahtgitter geſchloſſen iſt, welche die Aus-
ſicht nach Scutari und den Propontis offen laſſen. Einige
Blumenparterre's mit Buxbaum eingefaßt, Roſenhecken und
zwei Baſſins mit Springbrunnen fuͤllten den innern Raum
aus. Am Ende des Hofes erhebt ſich ein dreiſtoͤckiges
Wohnhaus aus Brettern, in welchem der Sultan den Win-
ter zubringt. Hinter demſelben fangen die weitlaͤuftigen
Gebaͤude des Harems an.

Man fuͤhrte mich in einen ſchoͤnen, ſehr geraͤumigen
Kiosk, welcher, uͤber dem Meere erbaut, eine praͤchtige Aus-
ſicht gewaͤhrt. Dort fanden wir einen Schwarm von Kam-
merherren, Pagen, Sekretairen, Militairs und andern Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="109"/>
na&#x0364;her gelegt, daß &#x017F;ie nicht mehr unu&#x0364;berwindlich &#x017F;ind, hat<lb/>
dies nun zwar aufgeho&#x0364;rt, immer aber i&#x017F;t der Großherr der<lb/>
minde&#x017F;t zuga&#x0364;ngliche aller europa&#x0364;i&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten; ich will Dir<lb/>
daher meine Audienz be&#x017F;chreiben.</p><lb/>
        <p>Um 10 Uhr Morgens begab ich mich mit dem Dra-<lb/>
goman der Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft, der mich auf allen meinen Zu&#x0364;gen<lb/>
begleitet hat, ins Mabeïn oder den Ver&#x017F;ammlungsort der<lb/>
Großenwu&#x0364;rdentra&#x0364;ger des Reichs. Die&#x017F;es Geba&#x0364;ude liegt<lb/>
unmittelbar neben dem Winterpalais des Großherrn zu<lb/>
Dolma-Bakt&#x017F;che (Ku&#x0364;rbis-Garten), i&#x017F;t aber durch eine hohe<lb/>
Mauer von dem&#x017F;elben getrennt. Wa&#x017F;&#x017F;af-Effendi, der Ge-<lb/>
heim&#x017F;chreiber und ma&#x0364;chtige Vertraute des Sultans, nimmt<lb/>
hier die Fremden an, welche oft mehrere Stunden zubrin-<lb/>
gen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um Alles mit ihm geho&#x0364;rig durchzu&#x017F;prechen,<lb/>
was man dem Großherrn zu wi&#x017F;&#x017F;en thun will. Die&#x017F;er Ef-<lb/>
fendi begiebt &#x017F;ich &#x017F;odann zu &#x017F;einem Gebieter, mit welchem<lb/>
die Antworten berathen werden, und der dann genu&#x0364;gend<lb/>
vorbereitet i&#x017F;t. Das war mit mir nun nicht no&#x0364;thig, da ich<lb/>
nichts Politi&#x017F;ches vorzubringen hatte. Der Capudan-Pa&#x017F;cha,<lb/>
ein a&#x0364;ußer&#x017F;t freundlicher Herr, kam bald hinzu; es wurden<lb/>
zahlreiche Pfeifen geraucht, Kaffee getrunken und um 11 Uhr<lb/>
erhielten wir den Befehl, vor Sr. Hoheit zu er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
        <p>Durch eine kleine Nebenthu&#x0364;r traten wir in den von<lb/>
hohen Mauern umringten Hof, der nach dem Bosphorus<lb/>
zu durch dichte Drahtgitter ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, welche die Aus-<lb/>
&#x017F;icht nach Scutari und den Propontis offen la&#x017F;&#x017F;en. Einige<lb/>
Blumenparterre's mit Buxbaum eingefaßt, Ro&#x017F;enhecken und<lb/>
zwei Ba&#x017F;&#x017F;ins mit Springbrunnen fu&#x0364;llten den innern Raum<lb/>
aus. Am Ende des Hofes erhebt &#x017F;ich ein drei&#x017F;to&#x0364;ckiges<lb/>
Wohnhaus aus Brettern, in welchem der Sultan den Win-<lb/>
ter zubringt. Hinter dem&#x017F;elben fangen die weitla&#x0364;uftigen<lb/>
Geba&#x0364;ude des Harems an.</p><lb/>
        <p>Man fu&#x0364;hrte mich in einen &#x017F;cho&#x0364;nen, &#x017F;ehr gera&#x0364;umigen<lb/>
Kiosk, welcher, u&#x0364;ber dem Meere erbaut, eine pra&#x0364;chtige Aus-<lb/>
&#x017F;icht gewa&#x0364;hrt. Dort fanden wir einen Schwarm von Kam-<lb/>
merherren, Pagen, Sekretairen, Militairs und andern Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0119] naͤher gelegt, daß ſie nicht mehr unuͤberwindlich ſind, hat dies nun zwar aufgehoͤrt, immer aber iſt der Großherr der mindeſt zugaͤngliche aller europaͤiſchen Fuͤrſten; ich will Dir daher meine Audienz beſchreiben. Um 10 Uhr Morgens begab ich mich mit dem Dra- goman der Geſandtſchaft, der mich auf allen meinen Zuͤgen begleitet hat, ins Mabeïn oder den Verſammlungsort der Großenwuͤrdentraͤger des Reichs. Dieſes Gebaͤude liegt unmittelbar neben dem Winterpalais des Großherrn zu Dolma-Baktſche (Kuͤrbis-Garten), iſt aber durch eine hohe Mauer von demſelben getrennt. Waſſaf-Effendi, der Ge- heimſchreiber und maͤchtige Vertraute des Sultans, nimmt hier die Fremden an, welche oft mehrere Stunden zubrin- gen muͤſſen, um Alles mit ihm gehoͤrig durchzuſprechen, was man dem Großherrn zu wiſſen thun will. Dieſer Ef- fendi begiebt ſich ſodann zu ſeinem Gebieter, mit welchem die Antworten berathen werden, und der dann genuͤgend vorbereitet iſt. Das war mit mir nun nicht noͤthig, da ich nichts Politiſches vorzubringen hatte. Der Capudan-Paſcha, ein aͤußerſt freundlicher Herr, kam bald hinzu; es wurden zahlreiche Pfeifen geraucht, Kaffee getrunken und um 11 Uhr erhielten wir den Befehl, vor Sr. Hoheit zu erſcheinen. Durch eine kleine Nebenthuͤr traten wir in den von hohen Mauern umringten Hof, der nach dem Bosphorus zu durch dichte Drahtgitter geſchloſſen iſt, welche die Aus- ſicht nach Scutari und den Propontis offen laſſen. Einige Blumenparterre's mit Buxbaum eingefaßt, Roſenhecken und zwei Baſſins mit Springbrunnen fuͤllten den innern Raum aus. Am Ende des Hofes erhebt ſich ein dreiſtoͤckiges Wohnhaus aus Brettern, in welchem der Sultan den Win- ter zubringt. Hinter demſelben fangen die weitlaͤuftigen Gebaͤude des Harems an. Man fuͤhrte mich in einen ſchoͤnen, ſehr geraͤumigen Kiosk, welcher, uͤber dem Meere erbaut, eine praͤchtige Aus- ſicht gewaͤhrt. Dort fanden wir einen Schwarm von Kam- merherren, Pagen, Sekretairen, Militairs und andern Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/119
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/119>, abgerufen am 04.05.2024.