Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
dingten Asylrechte, oder gar einem Quartierrechte, nicht mehr die Rede,
wenigstens nicht wenn offenbarer Mißbrauch statt fand, und bei besonders drin-
genden Fällen. Auch die Befreiung von Abgaben hat wenigstens hinsichtlich
der zollfreien Einfuhr von Gegenständen zum Gebrauche der Gesandtschaften in
Folge argen Mißbrauches beinahe überall bedeutende Beschränkungen erlitten,
und ist jetzt gewöhnlich entweder auf eine gewisse Zeit oder auf eine be-
stimmte Zollsumme beschränkt.
§ 73.
d. Das Kriegsrecht.

Der eigenthümlichen Bestimmungen des europäischen Völ-
kerrechtes über das Recht Krieg zu führen und über das bei
einem solchen zu beobachtende Verhalten sind verhältnißmäßig
nicht viele noch bedeutende 1).

Auch hier gilt der Grundsatz, daß nur eine rechtmäßige
Regierung
zur Kriegführung befugt ist. Von nicht aner-
kannten Gewalten angeordnete Feindseligkeit gelten als Ver-
brechen und werden an den Theilnehmern bestraft. Ebenso
gilt der Grundsatz im Allgemeinen, daß nur die nach den
Gesetzen ihres Staates zur Waffenführung Berufenen An-
theil an kriegerischen Handlungen nehmen dürfen, ebenfalls bei
Strafe als Anführer oder Räuber behandelt zu werden. Doch be-
stehen hier zwei Ausnahmen, von welchen die eine löblich, die
andere dagegen sehr verwerflich ist.

Einmal nämlich ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, daß
eine entgegenstehende bewaffnete Truppe als regelmäßiger und
völkerrechtlich zu behandelter Feind zu betrachten ist, sobald
dieselbe eine förmliche militärische Organisation angenommen
hat und ihrerseits den Krieg auf herkömmliche Weise führt.
Natürlich ist mit dieser Anerkennung der Gewaffneten als ehren-
werther Feinde keineswegs auch eine rechtliche Anerkennung ihrer
Sache oder eine Straflosigkeit der den Gewaltzustand hervor-
rufenden und leitenden Personen ausgesprochen 2).

dingten Aſylrechte, oder gar einem Quartierrechte, nicht mehr die Rede,
wenigſtens nicht wenn offenbarer Mißbrauch ſtatt fand, und bei beſonders drin-
genden Fällen. Auch die Befreiung von Abgaben hat wenigſtens hinſichtlich
der zollfreien Einfuhr von Gegenſtänden zum Gebrauche der Geſandtſchaften in
Folge argen Mißbrauches beinahe überall bedeutende Beſchränkungen erlitten,
und iſt jetzt gewöhnlich entweder auf eine gewiſſe Zeit oder auf eine be-
ſtimmte Zollſumme beſchränkt.
§ 73.
d. Das Kriegsrecht.

Der eigenthümlichen Beſtimmungen des europäiſchen Völ-
kerrechtes über das Recht Krieg zu führen und über das bei
einem ſolchen zu beobachtende Verhalten ſind verhältnißmäßig
nicht viele noch bedeutende 1).

Auch hier gilt der Grundſatz, daß nur eine rechtmäßige
Regierung
zur Kriegführung befugt iſt. Von nicht aner-
kannten Gewalten angeordnete Feindſeligkeit gelten als Ver-
brechen und werden an den Theilnehmern beſtraft. Ebenſo
gilt der Grundſatz im Allgemeinen, daß nur die nach den
Geſetzen ihres Staates zur Waffenführung Berufenen An-
theil an kriegeriſchen Handlungen nehmen dürfen, ebenfalls bei
Strafe als Anführer oder Räuber behandelt zu werden. Doch be-
ſtehen hier zwei Ausnahmen, von welchen die eine löblich, die
andere dagegen ſehr verwerflich iſt.

Einmal nämlich iſt gewohnheitsrechtlich anerkannt, daß
eine entgegenſtehende bewaffnete Truppe als regelmäßiger und
völkerrechtlich zu behandelter Feind zu betrachten iſt, ſobald
dieſelbe eine förmliche militäriſche Organiſation angenommen
hat und ihrerſeits den Krieg auf herkömmliche Weiſe führt.
Natürlich iſt mit dieſer Anerkennung der Gewaffneten als ehren-
werther Feinde keineswegs auch eine rechtliche Anerkennung ihrer
Sache oder eine Strafloſigkeit der den Gewaltzuſtand hervor-
rufenden und leitenden Perſonen ausgeſprochen 2).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <note place="end" n="4)"><pb facs="#f0498" n="484"/>
dingten A&#x017F;ylrechte, oder gar einem Quartierrechte, nicht mehr die Rede,<lb/>
wenig&#x017F;tens nicht wenn offenbarer Mißbrauch &#x017F;tatt fand, und bei be&#x017F;onders drin-<lb/>
genden Fällen. Auch die Befreiung von Abgaben hat wenig&#x017F;tens hin&#x017F;ichtlich<lb/>
der zollfreien Einfuhr von Gegen&#x017F;tänden zum Gebrauche der Ge&#x017F;andt&#x017F;chaften in<lb/>
Folge argen Mißbrauches beinahe überall bedeutende Be&#x017F;chränkungen erlitten,<lb/>
und i&#x017F;t jetzt gewöhnlich entweder auf eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit oder auf eine be-<lb/>
&#x017F;timmte Zoll&#x017F;umme be&#x017F;chränkt.</note>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§ 73.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">d.</hi> Das Kriegsrecht.</hi></head><lb/>
                  <p>Der eigenthümlichen Be&#x017F;timmungen des europäi&#x017F;chen Völ-<lb/>
kerrechtes über das Recht Krieg zu führen und über das bei<lb/>
einem &#x017F;olchen zu beobachtende Verhalten &#x017F;ind verhältnißmäßig<lb/>
nicht viele noch bedeutende <hi rendition="#sup">1</hi>).</p><lb/>
                  <p>Auch hier gilt der Grund&#x017F;atz, daß nur eine <hi rendition="#g">rechtmäßige<lb/>
Regierung</hi> zur Kriegführung befugt i&#x017F;t. Von nicht aner-<lb/>
kannten Gewalten angeordnete Feind&#x017F;eligkeit gelten als Ver-<lb/>
brechen und werden an den Theilnehmern be&#x017F;traft. Eben&#x017F;o<lb/>
gilt der Grund&#x017F;atz im Allgemeinen, daß nur die nach den<lb/>
Ge&#x017F;etzen ihres Staates zur Waffenführung Berufenen An-<lb/>
theil an kriegeri&#x017F;chen Handlungen nehmen dürfen, ebenfalls bei<lb/>
Strafe als Anführer oder Räuber behandelt zu werden. Doch be-<lb/>
&#x017F;tehen hier zwei Ausnahmen, von welchen die eine löblich, die<lb/>
andere dagegen &#x017F;ehr verwerflich i&#x017F;t.</p><lb/>
                  <p>Einmal nämlich i&#x017F;t gewohnheitsrechtlich anerkannt, daß<lb/>
eine entgegen&#x017F;tehende bewaffnete Truppe als regelmäßiger und<lb/>
völkerrechtlich zu behandelter Feind zu betrachten i&#x017F;t, &#x017F;obald<lb/>
die&#x017F;elbe eine förmliche militäri&#x017F;che Organi&#x017F;ation angenommen<lb/>
hat und ihrer&#x017F;eits den Krieg auf herkömmliche Wei&#x017F;e führt.<lb/>
Natürlich i&#x017F;t mit die&#x017F;er Anerkennung der Gewaffneten als ehren-<lb/>
werther Feinde keineswegs auch eine rechtliche Anerkennung ihrer<lb/>
Sache oder eine Straflo&#x017F;igkeit der den Gewaltzu&#x017F;tand hervor-<lb/>
rufenden und leitenden Per&#x017F;onen ausge&#x017F;prochen <hi rendition="#sup">2</hi>).</p><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0498] ⁴⁾ dingten Aſylrechte, oder gar einem Quartierrechte, nicht mehr die Rede, wenigſtens nicht wenn offenbarer Mißbrauch ſtatt fand, und bei beſonders drin- genden Fällen. Auch die Befreiung von Abgaben hat wenigſtens hinſichtlich der zollfreien Einfuhr von Gegenſtänden zum Gebrauche der Geſandtſchaften in Folge argen Mißbrauches beinahe überall bedeutende Beſchränkungen erlitten, und iſt jetzt gewöhnlich entweder auf eine gewiſſe Zeit oder auf eine be- ſtimmte Zollſumme beſchränkt. § 73. d. Das Kriegsrecht. Der eigenthümlichen Beſtimmungen des europäiſchen Völ- kerrechtes über das Recht Krieg zu führen und über das bei einem ſolchen zu beobachtende Verhalten ſind verhältnißmäßig nicht viele noch bedeutende 1). Auch hier gilt der Grundſatz, daß nur eine rechtmäßige Regierung zur Kriegführung befugt iſt. Von nicht aner- kannten Gewalten angeordnete Feindſeligkeit gelten als Ver- brechen und werden an den Theilnehmern beſtraft. Ebenſo gilt der Grundſatz im Allgemeinen, daß nur die nach den Geſetzen ihres Staates zur Waffenführung Berufenen An- theil an kriegeriſchen Handlungen nehmen dürfen, ebenfalls bei Strafe als Anführer oder Räuber behandelt zu werden. Doch be- ſtehen hier zwei Ausnahmen, von welchen die eine löblich, die andere dagegen ſehr verwerflich iſt. Einmal nämlich iſt gewohnheitsrechtlich anerkannt, daß eine entgegenſtehende bewaffnete Truppe als regelmäßiger und völkerrechtlich zu behandelter Feind zu betrachten iſt, ſobald dieſelbe eine förmliche militäriſche Organiſation angenommen hat und ihrerſeits den Krieg auf herkömmliche Weiſe führt. Natürlich iſt mit dieſer Anerkennung der Gewaffneten als ehren- werther Feinde keineswegs auch eine rechtliche Anerkennung ihrer Sache oder eine Strafloſigkeit der den Gewaltzuſtand hervor- rufenden und leitenden Perſonen ausgeſprochen 2).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/498
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/498>, abgerufen am 24.11.2024.