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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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der Menschen kann aber, wie leicht einzusehen, kaum hoch
genug angeschlagen werden.

7. Das enge räumliche Beisammenwohnen.
Aus der blosen Thatsache des örtlichen Zusammenseins entsteht
eine Anzahl von Interessen, welche von wenigstens relativer
Bedeutung für die Betheiligten sind. So die Ordnung von
Weg und Steg, die Reinlichkeit der Straßen und Plätze, die
Beschaffung von Brunnen und Abzugsleitungen; dann aber
auch die Regelung der Märkte, mancher Gewerbe, die Erhaltung
von Ruhe, Ordnung und Sicherheit bei Tag und Nacht; die
Bestellung gemeinschaftlicher Schulen und Kirchen. Alle diese
Zwecke erfordern die Gewinnung einer Uebereinstimmung, Zu-
sammenlegung der Kräfte, zweckmäßige Anwendung derselben:
folglich eine Organisation. Auf diese Weise bildet sich die Ge-
meinde als ein durchaus nothwendiger gesellschaftlicher Kreis
überall, wo Menschen nahe beisammen wohnen. Daß der
Staat diese Gestaltung oft auch als kleinsten geographischen
Verwaltungsbezirk ansieht, und ihre, für ganz andere weit
näher liegende Zwecke bestimmte, Organisation vielfach zur
Durchführung seiner eigenen Zwecke gebraucht, ist ein erst später
dazu kommendes Verhältniß, welches allerdings thatsächlich das
Wesen der Gemeinden bedeutend zu ändern pflegt, aber doch
deren gesellschaftliche Grundlage nicht aufhebt 2).

Das geistige und stoffliche Ergebniß der zahlreichen ge-
sellschaftlichen Kreise für das Leben der Menschen und für die
Erreichung ihrer Zwecke ist ein höchst verschiedenes, je nach-
dem das eine oder das andere Interesse in den Vordergrund
tritt; ferner nach dem Verhalten und dem Bildungsgrade der
Betheiligten, so wie nach dem Mangel oder der Festigkeit einer
Organisation; endlich je nachdem sich die verschiedenen Lebens-
kreise durchdringen und zersetzen, oder nur in Raum und Zeit
neben einander liegen. Die Folgen können sehr gut, aber auch

der Menſchen kann aber, wie leicht einzuſehen, kaum hoch
genug angeſchlagen werden.

7. Das enge räumliche Beiſammenwohnen.
Aus der bloſen Thatſache des örtlichen Zuſammenſeins entſteht
eine Anzahl von Intereſſen, welche von wenigſtens relativer
Bedeutung für die Betheiligten ſind. So die Ordnung von
Weg und Steg, die Reinlichkeit der Straßen und Plätze, die
Beſchaffung von Brunnen und Abzugsleitungen; dann aber
auch die Regelung der Märkte, mancher Gewerbe, die Erhaltung
von Ruhe, Ordnung und Sicherheit bei Tag und Nacht; die
Beſtellung gemeinſchaftlicher Schulen und Kirchen. Alle dieſe
Zwecke erfordern die Gewinnung einer Uebereinſtimmung, Zu-
ſammenlegung der Kräfte, zweckmäßige Anwendung derſelben:
folglich eine Organiſation. Auf dieſe Weiſe bildet ſich die Ge-
meinde als ein durchaus nothwendiger geſellſchaftlicher Kreis
überall, wo Menſchen nahe beiſammen wohnen. Daß der
Staat dieſe Geſtaltung oft auch als kleinſten geographiſchen
Verwaltungsbezirk anſieht, und ihre, für ganz andere weit
näher liegende Zwecke beſtimmte, Organiſation vielfach zur
Durchführung ſeiner eigenen Zwecke gebraucht, iſt ein erſt ſpäter
dazu kommendes Verhältniß, welches allerdings thatſächlich das
Weſen der Gemeinden bedeutend zu ändern pflegt, aber doch
deren geſellſchaftliche Grundlage nicht aufhebt 2).

Das geiſtige und ſtoffliche Ergebniß der zahlreichen ge-
ſellſchaftlichen Kreiſe für das Leben der Menſchen und für die
Erreichung ihrer Zwecke iſt ein höchſt verſchiedenes, je nach-
dem das eine oder das andere Intereſſe in den Vordergrund
tritt; ferner nach dem Verhalten und dem Bildungsgrade der
Betheiligten, ſo wie nach dem Mangel oder der Feſtigkeit einer
Organiſation; endlich je nachdem ſich die verſchiedenen Lebens-
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neben einander liegen. Die Folgen können ſehr gut, aber auch

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[26/0040] der Menſchen kann aber, wie leicht einzuſehen, kaum hoch genug angeſchlagen werden. 7. Das enge räumliche Beiſammenwohnen. Aus der bloſen Thatſache des örtlichen Zuſammenſeins entſteht eine Anzahl von Intereſſen, welche von wenigſtens relativer Bedeutung für die Betheiligten ſind. So die Ordnung von Weg und Steg, die Reinlichkeit der Straßen und Plätze, die Beſchaffung von Brunnen und Abzugsleitungen; dann aber auch die Regelung der Märkte, mancher Gewerbe, die Erhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit bei Tag und Nacht; die Beſtellung gemeinſchaftlicher Schulen und Kirchen. Alle dieſe Zwecke erfordern die Gewinnung einer Uebereinſtimmung, Zu- ſammenlegung der Kräfte, zweckmäßige Anwendung derſelben: folglich eine Organiſation. Auf dieſe Weiſe bildet ſich die Ge- meinde als ein durchaus nothwendiger geſellſchaftlicher Kreis überall, wo Menſchen nahe beiſammen wohnen. Daß der Staat dieſe Geſtaltung oft auch als kleinſten geographiſchen Verwaltungsbezirk anſieht, und ihre, für ganz andere weit näher liegende Zwecke beſtimmte, Organiſation vielfach zur Durchführung ſeiner eigenen Zwecke gebraucht, iſt ein erſt ſpäter dazu kommendes Verhältniß, welches allerdings thatſächlich das Weſen der Gemeinden bedeutend zu ändern pflegt, aber doch deren geſellſchaftliche Grundlage nicht aufhebt 2). Das geiſtige und ſtoffliche Ergebniß der zahlreichen ge- ſellſchaftlichen Kreiſe für das Leben der Menſchen und für die Erreichung ihrer Zwecke iſt ein höchſt verſchiedenes, je nach- dem das eine oder das andere Intereſſe in den Vordergrund tritt; ferner nach dem Verhalten und dem Bildungsgrade der Betheiligten, ſo wie nach dem Mangel oder der Feſtigkeit einer Organiſation; endlich je nachdem ſich die verſchiedenen Lebens- kreiſe durchdringen und zerſetzen, oder nur in Raum und Zeit neben einander liegen. Die Folgen können ſehr gut, aber auch

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/40>, abgerufen am 19.04.2024.