werde durch Verhinderung der gesetzlichen Thätigkeit der Stände. Es sind also bestimmte Zeitpunkte für regelmäßige Versamm- lungen derselben festzustellen, und muß außerdem noch der Fürst das Recht und die Pflicht zu außerordentlichen Einberufungen in dringenden Fällen haben.
Eine Zusammenstellung aller gesetzlichen Bestimmungen über diese Verhältnisse in einer Urkunde ist zwar nicht nothwendig, aber ganz zweckmäßig. Jedenfalls müssen dieselben sicher gestellt sein gegen willkürliche und leichtsinnige Verände- rungen, was namentlich durch Erschwerung der Abänderungs- formen bewerkstelligt werden kann.
3. Die Einherrschaft mit Volksvertretung. Der bisher erörterte Gedanke der Sicherstellung mag aber auch auf die Weise aufgefaßt und ausgeführt werden, daß nicht den einzelnen Bestandtheilen des Volkes, sondern seiner Gesammtheit ein Recht zur Vertheidigung und Mitwirkung gegenüber von dem Staatsoberhaupte eingeräumt ist. Es erscheinen also hier nicht Stimmführer der wichtigeren gesellschaftlichen Kreise, sondern Vertreter der Gesammtheit. Diese mögen allerdings auch die Rechte und die Interessen Einzelner wahren, weil diese Bestandtheile des Ganzen sind; allein ihre Aufgabe besteht doch zunächst in der Vertretung der Gesammtheit als solcher. Es ist also hier nicht der gesellschaftliche Inhalt und die natürliche Gliederung des Volkes berücksichtigt, sondern die im Staate sich darstellende Einheit desselben; und es soll allgemeine Rechts- sicherheit und Wohlfahrt nicht durch Fürsorge im Einzelnen be- werkstelligt, sondern umgekehrt der Zustand der Einzelnen durch die Wahrung der Gesammtansprüche in zufriedenstellender Weise geordnet werden. Regierung, als solche, und Unterthanen, ebenfalls als solche, stehen einander gegenüber, sich gegenseitig beschränkend und scharfe Wache haltend 9).
Die Bezeichnung der Berechtigten und verbindlich machenden
werde durch Verhinderung der geſetzlichen Thätigkeit der Stände. Es ſind alſo beſtimmte Zeitpunkte für regelmäßige Verſamm- lungen derſelben feſtzuſtellen, und muß außerdem noch der Fürſt das Recht und die Pflicht zu außerordentlichen Einberufungen in dringenden Fällen haben.
Eine Zuſammenſtellung aller geſetzlichen Beſtimmungen über dieſe Verhältniſſe in einer Urkunde iſt zwar nicht nothwendig, aber ganz zweckmäßig. Jedenfalls müſſen dieſelben ſicher geſtellt ſein gegen willkürliche und leichtſinnige Verände- rungen, was namentlich durch Erſchwerung der Abänderungs- formen bewerkſtelligt werden kann.
3. Die Einherrſchaft mit Volksvertretung. Der bisher erörterte Gedanke der Sicherſtellung mag aber auch auf die Weiſe aufgefaßt und ausgeführt werden, daß nicht den einzelnen Beſtandtheilen des Volkes, ſondern ſeiner Geſammtheit ein Recht zur Vertheidigung und Mitwirkung gegenüber von dem Staatsoberhaupte eingeräumt iſt. Es erſcheinen alſo hier nicht Stimmführer der wichtigeren geſellſchaftlichen Kreiſe, ſondern Vertreter der Geſammtheit. Dieſe mögen allerdings auch die Rechte und die Intereſſen Einzelner wahren, weil dieſe Beſtandtheile des Ganzen ſind; allein ihre Aufgabe beſteht doch zunächſt in der Vertretung der Geſammtheit als ſolcher. Es iſt alſo hier nicht der geſellſchaftliche Inhalt und die natürliche Gliederung des Volkes berückſichtigt, ſondern die im Staate ſich darſtellende Einheit deſſelben; und es ſoll allgemeine Rechts- ſicherheit und Wohlfahrt nicht durch Fürſorge im Einzelnen be- werkſtelligt, ſondern umgekehrt der Zuſtand der Einzelnen durch die Wahrung der Geſammtanſprüche in zufriedenſtellender Weiſe geordnet werden. Regierung, als ſolche, und Unterthanen, ebenfalls als ſolche, ſtehen einander gegenüber, ſich gegenſeitig beſchränkend und ſcharfe Wache haltend 9).
Die Bezeichnung der Berechtigten und verbindlich machenden
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werde durch Verhinderung der geſetzlichen Thätigkeit der Stände.
Es ſind alſo beſtimmte Zeitpunkte für regelmäßige Verſamm-
lungen derſelben feſtzuſtellen, und muß außerdem noch der Fürſt
das Recht und die Pflicht zu außerordentlichen Einberufungen
in dringenden Fällen haben.
Eine Zuſammenſtellung aller geſetzlichen Beſtimmungen
über dieſe Verhältniſſe in einer Urkunde iſt zwar nicht
nothwendig, aber ganz zweckmäßig. Jedenfalls müſſen dieſelben
ſicher geſtellt ſein gegen willkürliche und leichtſinnige Verände-
rungen, was namentlich durch Erſchwerung der Abänderungs-
formen bewerkſtelligt werden kann.
3. Die Einherrſchaft mit Volksvertretung.
Der bisher erörterte Gedanke der Sicherſtellung mag aber auch
auf die Weiſe aufgefaßt und ausgeführt werden, daß nicht den
einzelnen Beſtandtheilen des Volkes, ſondern ſeiner Geſammtheit
ein Recht zur Vertheidigung und Mitwirkung gegenüber von
dem Staatsoberhaupte eingeräumt iſt. Es erſcheinen alſo hier
nicht Stimmführer der wichtigeren geſellſchaftlichen Kreiſe,
ſondern Vertreter der Geſammtheit. Dieſe mögen allerdings
auch die Rechte und die Intereſſen Einzelner wahren, weil dieſe
Beſtandtheile des Ganzen ſind; allein ihre Aufgabe beſteht doch
zunächſt in der Vertretung der Geſammtheit als ſolcher. Es
iſt alſo hier nicht der geſellſchaftliche Inhalt und die natürliche
Gliederung des Volkes berückſichtigt, ſondern die im Staate
ſich darſtellende Einheit deſſelben; und es ſoll allgemeine Rechts-
ſicherheit und Wohlfahrt nicht durch Fürſorge im Einzelnen be-
werkſtelligt, ſondern umgekehrt der Zuſtand der Einzelnen durch
die Wahrung der Geſammtanſprüche in zufriedenſtellender Weiſe
geordnet werden. Regierung, als ſolche, und Unterthanen,
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/378>, abgerufen am 24.11.2024.
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