Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen sind jedoch keine
nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange-
legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern
Verhältnisse auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten
Ständen mag ohne Anstand die Gesammtheit persönlich erschei-
nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen-
über von den andern Ständen abgeleitet werden.

Zweitens müssen die rechtlichen Formen und Folgen einer
Ausübung des Beschwerderechtes festgestellt sein. Die
Hauptsache ist hier natürlich die Auffindung eines passenden,
d. h. in Staatssachen verständigen und nach allen Seiten hin
unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zusammensetzung eines
Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entsprechen,
übrigens auch sie schwierig sein. 8).

Drittens endlich müssen die Fälle genau bestimmt sein, in
welchen die ausnahmsweise Mitwirkung der Stände bei
der Vornahme von Regierungshandlungen stattfindet. Die
Hauptrücksicht hierbei ist die Schwierigkeit oder gar Unmög-
lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollständig gut zu machen.
Wo in einer bedeutenden Beziehung solches klar vorliegt, ist
vorgängige Mitberathung und Zustimmung an der Stelle.
Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß
nicht überschritten werden, damit nicht der wesentliche Vorzug
der Einherrschaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des
Entschlusses und der Ausführung, allzu oft und ohne über-
wiegenden Grund verloren gehen. Es ist demnach nicht räthlich,
daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die
wichtigeren Fälle der Gesetzgebung, die Ordnung des Staats-
haushaltes und namentlich des Steuerwesens, endlich etwa über
Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Interessen
der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich
gesorgt sein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt

der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen ſind jedoch keine
nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange-
legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern
Verhältniſſe auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten
Ständen mag ohne Anſtand die Geſammtheit perſönlich erſchei-
nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen-
über von den andern Ständen abgeleitet werden.

Zweitens müſſen die rechtlichen Formen und Folgen einer
Ausübung des Beſchwerderechtes feſtgeſtellt ſein. Die
Hauptſache iſt hier natürlich die Auffindung eines paſſenden,
d. h. in Staatsſachen verſtändigen und nach allen Seiten hin
unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zuſammenſetzung eines
Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entſprechen,
übrigens auch ſie ſchwierig ſein. 8).

Drittens endlich müſſen die Fälle genau beſtimmt ſein, in
welchen die ausnahmsweiſe Mitwirkung der Stände bei
der Vornahme von Regierungshandlungen ſtattfindet. Die
Hauptrückſicht hierbei iſt die Schwierigkeit oder gar Unmög-
lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollſtändig gut zu machen.
Wo in einer bedeutenden Beziehung ſolches klar vorliegt, iſt
vorgängige Mitberathung und Zuſtimmung an der Stelle.
Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß
nicht überſchritten werden, damit nicht der weſentliche Vorzug
der Einherrſchaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des
Entſchluſſes und der Ausführung, allzu oft und ohne über-
wiegenden Grund verloren gehen. Es iſt demnach nicht räthlich,
daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die
wichtigeren Fälle der Geſetzgebung, die Ordnung des Staats-
haushaltes und namentlich des Steuerweſens, endlich etwa über
Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Intereſſen
der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich
geſorgt ſein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0377" n="363"/>
der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen &#x017F;ind jedoch keine<lb/>
nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange-<lb/>
legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten<lb/>
Ständen mag ohne An&#x017F;tand die Ge&#x017F;ammtheit per&#x017F;önlich er&#x017F;chei-<lb/>
nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen-<lb/>
über von den andern Ständen abgeleitet werden.</p><lb/>
                      <p>Zweitens mü&#x017F;&#x017F;en die rechtlichen Formen und Folgen einer<lb/>
Ausübung des <hi rendition="#g">Be&#x017F;chwerderechtes</hi> fe&#x017F;tge&#x017F;tellt &#x017F;ein. Die<lb/>
Haupt&#x017F;ache i&#x017F;t hier natürlich die Auffindung eines pa&#x017F;&#x017F;enden,<lb/>
d. h. in Staats&#x017F;achen ver&#x017F;tändigen und nach allen Seiten hin<lb/>
unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung eines<lb/>
Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen ent&#x017F;prechen,<lb/>
übrigens auch &#x017F;ie &#x017F;chwierig &#x017F;ein. <hi rendition="#sup">8</hi>).</p><lb/>
                      <p>Drittens endlich mü&#x017F;&#x017F;en die Fälle genau be&#x017F;timmt &#x017F;ein, in<lb/>
welchen die ausnahmswei&#x017F;e <hi rendition="#g">Mitwirkung der Stände</hi> bei<lb/>
der Vornahme von Regierungshandlungen &#x017F;tattfindet. Die<lb/>
Hauptrück&#x017F;icht hierbei i&#x017F;t die Schwierigkeit oder gar Unmög-<lb/>
lichkeit einen gemachten Fehler wieder voll&#x017F;tändig gut zu machen.<lb/>
Wo in einer bedeutenden Beziehung &#x017F;olches klar vorliegt, i&#x017F;t<lb/>
vorgängige Mitberathung und Zu&#x017F;timmung an der Stelle.<lb/>
Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß<lb/>
nicht über&#x017F;chritten werden, damit nicht der we&#x017F;entliche Vorzug<lb/>
der Einherr&#x017F;chaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des<lb/>
Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es und der Ausführung, allzu oft und ohne über-<lb/>
wiegenden Grund verloren gehen. Es i&#x017F;t demnach nicht räthlich,<lb/>
daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die<lb/>
wichtigeren Fälle der Ge&#x017F;etzgebung, die Ordnung des Staats-<lb/>
haushaltes und namentlich des Steuerwe&#x017F;ens, endlich etwa über<lb/>
Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Intere&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich<lb/>
ge&#x017F;orgt &#x017F;ein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0377] der Regierung die richtigen Vertreter. Wahlen ſind jedoch keine nothwendige Form der Theilnehmer an den öffentlichen Ange- legenheiten. Bei minder zahlreichen und durch ihre äußern Verhältniſſe auch zu einem Zeit- und Geldaufwande befähigten Ständen mag ohne Anſtand die Geſammtheit perſönlich erſchei- nen; nur darf daraus kein Uebergewicht der Stimmen gegen- über von den andern Ständen abgeleitet werden. Zweitens müſſen die rechtlichen Formen und Folgen einer Ausübung des Beſchwerderechtes feſtgeſtellt ſein. Die Hauptſache iſt hier natürlich die Auffindung eines paſſenden, d. h. in Staatsſachen verſtändigen und nach allen Seiten hin unabhängigen, Richters. Nur die eigene Zuſammenſetzung eines Staatsgerichtshofes wird hier allen Forderungen entſprechen, übrigens auch ſie ſchwierig ſein. 8). Drittens endlich müſſen die Fälle genau beſtimmt ſein, in welchen die ausnahmsweiſe Mitwirkung der Stände bei der Vornahme von Regierungshandlungen ſtattfindet. Die Hauptrückſicht hierbei iſt die Schwierigkeit oder gar Unmög- lichkeit einen gemachten Fehler wieder vollſtändig gut zu machen. Wo in einer bedeutenden Beziehung ſolches klar vorliegt, iſt vorgängige Mitberathung und Zuſtimmung an der Stelle. Dabei darf aber auch auf der andern Seite das Bedürfniß nicht überſchritten werden, damit nicht der weſentliche Vorzug der Einherrſchaft, nämlich die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Entſchluſſes und der Ausführung, allzu oft und ohne über- wiegenden Grund verloren gehen. Es iſt demnach nicht räthlich, daß die Theilnahme der Unterthanen-Korporationen über die wichtigeren Fälle der Geſetzgebung, die Ordnung des Staats- haushaltes und namentlich des Steuerweſens, endlich etwa über Verträge mit dem Auslande, welche die Rechte und Intereſſen der Unterthanen berühren, hinausgehe. Dafür muß freilich geſorgt ſein, daß die Einräumung der Rechte nicht vereitelt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/377
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/377>, abgerufen am 24.11.2024.