Stimmführer mag an sich auf verschiedene Weise geschehen; so durch Wahl nach der Kopfzahl und in gleichmäßigen geo- graphischen Wahlbezirken, oder durch erbliche Uebertragung an bestimmte Geschlechter, selbst durch Ernennung des Fürsten u. s. w.; allein logisch richtig und zu gleicher Zeit staatlich zweckmäßig ist nur eine solche Bezeichnung, welche Sicherheit gewährt für thätige Ausübung des Auftrages und für wirkliche Ueberein- stimmung mit der allgemeinen Anschauung des Volkes. Dies ist denn aber doch nur wesentlich der Fall bei einer von Zeit zu Zeit sich wiederholenden Wahl. Die Theilnahme an dieser muß einerseits so weit ausgedehnt sein, daß sie wirklich ein Ausdruck der allgemeinen Stimmung ist; andererseits ist es geradezu unverständig die Theilnahme daran auf Solche aus- zudehnen, welchen voraussichtlich die Einsicht oder der Wille zur Vornahme einer guten Wahl abgeht. Nicht aus dem Ge- sichtspunkte eines allgemeinen Bürger- oder gar Menschenrechtes, sondern aus dem eines wichtigen staatlichen Auftrages an die dazu Befähigten ist hier die Wahl aufzufassen 10).
Die Berechtigung des ganzen Volkes in seiner Einheit gegenüber von der Regierung erfordert folgerichtig die Bildung nur Einer Versammlung von Vertretern; und wenn etwa zur Gewinnung eines vollständigen Ausdruckes aller in Folge vorhandenen Auffassungen und Kräfte noch eine andere Bezeichnung von Vertretern neben den allgemeinen Wahlen nach Kopfzahl für nöthig erachtet sein sollte, so wäre auch deren Eintritt in die gemeinschaftliche Versammlung das zu- nächst Richtige. Nur aus überwiegenden Gründen der Zweck- mäßigkeit kann daher eine Abtheilung in mehrere Versamm- lungen gutgeheißen werden; und wenn denn auch solche Gründe, namentlich in der mehrfachen Berathung und in der gegen- seitigen Mäßigung, aufzufinden sind, so bleibt doch die Ein-
Stimmführer mag an ſich auf verſchiedene Weiſe geſchehen; ſo durch Wahl nach der Kopfzahl und in gleichmäßigen geo- graphiſchen Wahlbezirken, oder durch erbliche Uebertragung an beſtimmte Geſchlechter, ſelbſt durch Ernennung des Fürſten u. ſ. w.; allein logiſch richtig und zu gleicher Zeit ſtaatlich zweckmäßig iſt nur eine ſolche Bezeichnung, welche Sicherheit gewährt für thätige Ausübung des Auftrages und für wirkliche Ueberein- ſtimmung mit der allgemeinen Anſchauung des Volkes. Dies iſt denn aber doch nur weſentlich der Fall bei einer von Zeit zu Zeit ſich wiederholenden Wahl. Die Theilnahme an dieſer muß einerſeits ſo weit ausgedehnt ſein, daß ſie wirklich ein Ausdruck der allgemeinen Stimmung iſt; andererſeits iſt es geradezu unverſtändig die Theilnahme daran auf Solche aus- zudehnen, welchen vorausſichtlich die Einſicht oder der Wille zur Vornahme einer guten Wahl abgeht. Nicht aus dem Ge- ſichtspunkte eines allgemeinen Bürger- oder gar Menſchenrechtes, ſondern aus dem eines wichtigen ſtaatlichen Auftrages an die dazu Befähigten iſt hier die Wahl aufzufaſſen 10).
Die Berechtigung des ganzen Volkes in ſeiner Einheit gegenüber von der Regierung erfordert folgerichtig die Bildung nur Einer Verſammlung von Vertretern; und wenn etwa zur Gewinnung eines vollſtändigen Ausdruckes aller in Folge vorhandenen Auffaſſungen und Kräfte noch eine andere Bezeichnung von Vertretern neben den allgemeinen Wahlen nach Kopfzahl für nöthig erachtet ſein ſollte, ſo wäre auch deren Eintritt in die gemeinſchaftliche Verſammlung das zu- nächſt Richtige. Nur aus überwiegenden Gründen der Zweck- mäßigkeit kann daher eine Abtheilung in mehrere Verſamm- lungen gutgeheißen werden; und wenn denn auch ſolche Gründe, namentlich in der mehrfachen Berathung und in der gegen- ſeitigen Mäßigung, aufzufinden ſind, ſo bleibt doch die Ein-
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Stimmführer mag an ſich auf verſchiedene Weiſe geſchehen;
ſo durch Wahl nach der Kopfzahl und in gleichmäßigen geo-
graphiſchen Wahlbezirken, oder durch erbliche Uebertragung an
beſtimmte Geſchlechter, ſelbſt durch Ernennung des Fürſten u. ſ. w.;
allein logiſch richtig und zu gleicher Zeit ſtaatlich zweckmäßig
iſt nur eine ſolche Bezeichnung, welche Sicherheit gewährt für
thätige Ausübung des Auftrages und für wirkliche Ueberein-
ſtimmung mit der allgemeinen Anſchauung des Volkes. Dies
iſt denn aber doch nur weſentlich der Fall bei einer von Zeit
zu Zeit ſich wiederholenden Wahl. Die Theilnahme an dieſer
muß einerſeits ſo weit ausgedehnt ſein, daß ſie wirklich ein
Ausdruck der allgemeinen Stimmung iſt; andererſeits iſt es
geradezu unverſtändig die Theilnahme daran auf Solche aus-
zudehnen, welchen vorausſichtlich die Einſicht oder der Wille
zur Vornahme einer guten Wahl abgeht. Nicht aus dem Ge-
ſichtspunkte eines allgemeinen Bürger- oder gar Menſchenrechtes,
ſondern aus dem eines wichtigen ſtaatlichen Auftrages an die
dazu Befähigten iſt hier die Wahl aufzufaſſen 10).
Die Berechtigung des ganzen Volkes in ſeiner Einheit
gegenüber von der Regierung erfordert folgerichtig die Bildung
nur Einer Verſammlung von Vertretern; und wenn
etwa zur Gewinnung eines vollſtändigen Ausdruckes aller
in Folge vorhandenen Auffaſſungen und Kräfte noch eine andere
Bezeichnung von Vertretern neben den allgemeinen Wahlen
nach Kopfzahl für nöthig erachtet ſein ſollte, ſo wäre auch
deren Eintritt in die gemeinſchaftliche Verſammlung das zu-
nächſt Richtige. Nur aus überwiegenden Gründen der Zweck-
mäßigkeit kann daher eine Abtheilung in mehrere Verſamm-
lungen gutgeheißen werden; und wenn denn auch ſolche Gründe,
namentlich in der mehrfachen Berathung und in der gegen-
ſeitigen Mäßigung, aufzufinden ſind, ſo bleibt doch die Ein-
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/379>, abgerufen am 24.11.2024.
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