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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Sachen, und deren Ueberlassung an eigene selbstständige Ge-
richte ist im höchsten Grade räthlich, da die sämmtlichen Gründe,
welche schon in Einherrschaften die Nichteinmischung des Staats-
oberhauptes in die einzelne Rechtssache als zweckmäßig erschei-
nen lassen, in noch weit höherem Grade bei einer Volksregierung
eintreten 6).

Demgemäß bleibt denn für die regierende Volksversamm-
lung: die Feststellung der, anderwärts vorbereiteten, Gesetze
jeder Art; die Beschlußfassung über Krieg und Frieden, sowie
über Verträge mit dem Auslande; die Anordnung der Ab-
gaben und der persönlichen Dienstleistungen der Bürger; die
Wahl der höheren Beamten; die Anklage (aber nicht das Ur-
theil) wegen Amtsvergehen und Staatsverbrechen, sowie anderer-
seits die Zuerkennung von öffentlichen Belohnungen. -- Sehr
nothwendig ist die Feststellung einer strengen und die Geschäfte
fördernden Versammlungsordnung. Das Recht eine Stimme
abzugeben in Staatsangelegenheiten ist nicht nothwendig gleich-
bedeutend mit dem Rechte als Redner in der Versammlung
aufzutreten. Räthlich ist ferner eine Berechtigung und Ver-
pflichtung gewisser Beamter zur Einberufung außerordentlicher
Volksversammlungen; sowie das Bestehen einer gesetzlichen Form
zur Uebertragung außerordentlicher Berechtigungen an Einzelne
in Fällen dringender Gefahr und großer Verwicklung.

Bei der Bestellung des kleineren Rathes oder Senates ist
allerdings die Berechtigung eines der Volksherrschaft fremden
Elementes sorgfältig zu vermeiden; dagegen ist es sehr zweck-
mäßig, wenn derselbe die besten Staatsmänner der Republik
in sich begreift. Es wird also zwar Wahl vom Volke und aus
dem Volke die einzige Art der Besetzung sein, allein längerer
und höherer Dienst in Staatsämtern, so wie reiferes Alter
passend als Eintrittsbedingung vorgeschrieben sein. Häufige Neu-
wahlen haben die Uebereinstimmung der staatlichen Richtung

Sachen, und deren Ueberlaſſung an eigene ſelbſtſtändige Ge-
richte iſt im höchſten Grade räthlich, da die ſämmtlichen Gründe,
welche ſchon in Einherrſchaften die Nichteinmiſchung des Staats-
oberhauptes in die einzelne Rechtsſache als zweckmäßig erſchei-
nen laſſen, in noch weit höherem Grade bei einer Volksregierung
eintreten 6).

Demgemäß bleibt denn für die regierende Volksverſamm-
lung: die Feſtſtellung der, anderwärts vorbereiteten, Geſetze
jeder Art; die Beſchlußfaſſung über Krieg und Frieden, ſowie
über Verträge mit dem Auslande; die Anordnung der Ab-
gaben und der perſönlichen Dienſtleiſtungen der Bürger; die
Wahl der höheren Beamten; die Anklage (aber nicht das Ur-
theil) wegen Amtsvergehen und Staatsverbrechen, ſowie anderer-
ſeits die Zuerkennung von öffentlichen Belohnungen. — Sehr
nothwendig iſt die Feſtſtellung einer ſtrengen und die Geſchäfte
fördernden Verſammlungsordnung. Das Recht eine Stimme
abzugeben in Staatsangelegenheiten iſt nicht nothwendig gleich-
bedeutend mit dem Rechte als Redner in der Verſammlung
aufzutreten. Räthlich iſt ferner eine Berechtigung und Ver-
pflichtung gewiſſer Beamter zur Einberufung außerordentlicher
Volksverſammlungen; ſowie das Beſtehen einer geſetzlichen Form
zur Uebertragung außerordentlicher Berechtigungen an Einzelne
in Fällen dringender Gefahr und großer Verwicklung.

Bei der Beſtellung des kleineren Rathes oder Senates iſt
allerdings die Berechtigung eines der Volksherrſchaft fremden
Elementes ſorgfältig zu vermeiden; dagegen iſt es ſehr zweck-
mäßig, wenn derſelbe die beſten Staatsmänner der Republik
in ſich begreift. Es wird alſo zwar Wahl vom Volke und aus
dem Volke die einzige Art der Beſetzung ſein, allein längerer
und höherer Dienſt in Staatsämtern, ſo wie reiferes Alter
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wahlen haben die Uebereinſtimmung der ſtaatlichen Richtung

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[340/0354] Sachen, und deren Ueberlaſſung an eigene ſelbſtſtändige Ge- richte iſt im höchſten Grade räthlich, da die ſämmtlichen Gründe, welche ſchon in Einherrſchaften die Nichteinmiſchung des Staats- oberhauptes in die einzelne Rechtsſache als zweckmäßig erſchei- nen laſſen, in noch weit höherem Grade bei einer Volksregierung eintreten 6). Demgemäß bleibt denn für die regierende Volksverſamm- lung: die Feſtſtellung der, anderwärts vorbereiteten, Geſetze jeder Art; die Beſchlußfaſſung über Krieg und Frieden, ſowie über Verträge mit dem Auslande; die Anordnung der Ab- gaben und der perſönlichen Dienſtleiſtungen der Bürger; die Wahl der höheren Beamten; die Anklage (aber nicht das Ur- theil) wegen Amtsvergehen und Staatsverbrechen, ſowie anderer- ſeits die Zuerkennung von öffentlichen Belohnungen. — Sehr nothwendig iſt die Feſtſtellung einer ſtrengen und die Geſchäfte fördernden Verſammlungsordnung. Das Recht eine Stimme abzugeben in Staatsangelegenheiten iſt nicht nothwendig gleich- bedeutend mit dem Rechte als Redner in der Verſammlung aufzutreten. Räthlich iſt ferner eine Berechtigung und Ver- pflichtung gewiſſer Beamter zur Einberufung außerordentlicher Volksverſammlungen; ſowie das Beſtehen einer geſetzlichen Form zur Uebertragung außerordentlicher Berechtigungen an Einzelne in Fällen dringender Gefahr und großer Verwicklung. Bei der Beſtellung des kleineren Rathes oder Senates iſt allerdings die Berechtigung eines der Volksherrſchaft fremden Elementes ſorgfältig zu vermeiden; dagegen iſt es ſehr zweck- mäßig, wenn derſelbe die beſten Staatsmänner der Republik in ſich begreift. Es wird alſo zwar Wahl vom Volke und aus dem Volke die einzige Art der Beſetzung ſein, allein längerer und höherer Dienſt in Staatsämtern, ſo wie reiferes Alter paſſend als Eintrittsbedingung vorgeſchrieben ſein. Häufige Neu- wahlen haben die Uebereinſtimmung der ſtaatlichen Richtung

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/354>, abgerufen am 24.11.2024.