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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Form ihrer Thähigkeit ausgesetzt sein können, vorausgesetzt daß
sie sich in den Schranken ihrer Zuständigkeit halten und nicht
ihrerseits die Rechte des Staatsoberhauptes und seiner Organe
beeinträchtigen. Sache der Staatsklugheit ist es, die Bestim-
mungen über begründete Verantwortlichkeit so zu treffen, daß
sie nicht zu einer Einschüchterung und thatsächlichen Aufhebung
des freien Mitwirkungsrechtes mißbraucht werden können.

Im Falle einer Nichtübereinstimmung zwischen der Staats-
gewalt und den zur Mitwirkung berechtigten Bestandtheilen des
Volkes tritt zunächst mit rechtlicher Nothwendigkeit eine Unter-
lassung der in Frage stehenden Staatshandlungen ein. Die
Einheit des Staatsorganismus ist jedoch nicht hergestellt, noch
den Bedürfnissen des Lebens Rechnung getragen, wenn nicht
für die Fälle unausgleichbarer Meinungsverschiedenheit eine
gesetzliche Entscheidung angeordnet ist 9).

Dasselbe gilt von denjenigen Bestimmungen, in welchen
den Unterthanen nur eine Controle bereits geschehener Regie-
rungshandlungen zusteht, falls sich ein entschiedener Widerspruch
über den Rechtspunkt ergibt. Bis zu einer solchen höheren
Entscheidung oder in Ermangelung einer solchen, ist das ange-
fochtene Recht der Regierung vollkommen eben so gut, als das
der Widersprechenden, und sie ist nicht schuldig dem gegenthei-
ligen Verlangen sich zu fügen, blos weil es gestellt ist.

Wie immer aber ein Streit zwischen dem Staatsoberhaupte
und mitberechtigten Bestandtheilen des Volkes geartet sein mag,
in keinem Falle steht den zu einer Theilnahme Berechtigten
die Befugniß zu, solche Handlungen zur Wahrung ihrer Stellung
vorzunehmen, welche mit dem Bestehen des Staates unvereinbar
sind. Ein etwaiges Ueberschreiten von der einen Seite er-
mächtigt nicht anderer Seits zu einer Auflösung des Staates
und zur eigenen Nichterfüllung von Verpflichtungen. Daher
denn namentlich eine zur Erzwingung von Rechtsschutz von

Form ihrer Thähigkeit ausgeſetzt ſein können, vorausgeſetzt daß
ſie ſich in den Schranken ihrer Zuſtändigkeit halten und nicht
ihrerſeits die Rechte des Staatsoberhauptes und ſeiner Organe
beeinträchtigen. Sache der Staatsklugheit iſt es, die Beſtim-
mungen über begründete Verantwortlichkeit ſo zu treffen, daß
ſie nicht zu einer Einſchüchterung und thatſächlichen Aufhebung
des freien Mitwirkungsrechtes mißbraucht werden können.

Im Falle einer Nichtübereinſtimmung zwiſchen der Staats-
gewalt und den zur Mitwirkung berechtigten Beſtandtheilen des
Volkes tritt zunächſt mit rechtlicher Nothwendigkeit eine Unter-
laſſung der in Frage ſtehenden Staatshandlungen ein. Die
Einheit des Staatsorganismus iſt jedoch nicht hergeſtellt, noch
den Bedürfniſſen des Lebens Rechnung getragen, wenn nicht
für die Fälle unausgleichbarer Meinungsverſchiedenheit eine
geſetzliche Entſcheidung angeordnet iſt 9).

Dasſelbe gilt von denjenigen Beſtimmungen, in welchen
den Unterthanen nur eine Controle bereits geſchehener Regie-
rungshandlungen zuſteht, falls ſich ein entſchiedener Widerſpruch
über den Rechtspunkt ergibt. Bis zu einer ſolchen höheren
Entſcheidung oder in Ermangelung einer ſolchen, iſt das ange-
fochtene Recht der Regierung vollkommen eben ſo gut, als das
der Widerſprechenden, und ſie iſt nicht ſchuldig dem gegenthei-
ligen Verlangen ſich zu fügen, blos weil es geſtellt iſt.

Wie immer aber ein Streit zwiſchen dem Staatsoberhaupte
und mitberechtigten Beſtandtheilen des Volkes geartet ſein mag,
in keinem Falle ſteht den zu einer Theilnahme Berechtigten
die Befugniß zu, ſolche Handlungen zur Wahrung ihrer Stellung
vorzunehmen, welche mit dem Beſtehen des Staates unvereinbar
ſind. Ein etwaiges Ueberſchreiten von der einen Seite er-
mächtigt nicht anderer Seits zu einer Auflöſung des Staates
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[232/0246] Form ihrer Thähigkeit ausgeſetzt ſein können, vorausgeſetzt daß ſie ſich in den Schranken ihrer Zuſtändigkeit halten und nicht ihrerſeits die Rechte des Staatsoberhauptes und ſeiner Organe beeinträchtigen. Sache der Staatsklugheit iſt es, die Beſtim- mungen über begründete Verantwortlichkeit ſo zu treffen, daß ſie nicht zu einer Einſchüchterung und thatſächlichen Aufhebung des freien Mitwirkungsrechtes mißbraucht werden können. Im Falle einer Nichtübereinſtimmung zwiſchen der Staats- gewalt und den zur Mitwirkung berechtigten Beſtandtheilen des Volkes tritt zunächſt mit rechtlicher Nothwendigkeit eine Unter- laſſung der in Frage ſtehenden Staatshandlungen ein. Die Einheit des Staatsorganismus iſt jedoch nicht hergeſtellt, noch den Bedürfniſſen des Lebens Rechnung getragen, wenn nicht für die Fälle unausgleichbarer Meinungsverſchiedenheit eine geſetzliche Entſcheidung angeordnet iſt 9). Dasſelbe gilt von denjenigen Beſtimmungen, in welchen den Unterthanen nur eine Controle bereits geſchehener Regie- rungshandlungen zuſteht, falls ſich ein entſchiedener Widerſpruch über den Rechtspunkt ergibt. Bis zu einer ſolchen höheren Entſcheidung oder in Ermangelung einer ſolchen, iſt das ange- fochtene Recht der Regierung vollkommen eben ſo gut, als das der Widerſprechenden, und ſie iſt nicht ſchuldig dem gegenthei- ligen Verlangen ſich zu fügen, blos weil es geſtellt iſt. Wie immer aber ein Streit zwiſchen dem Staatsoberhaupte und mitberechtigten Beſtandtheilen des Volkes geartet ſein mag, in keinem Falle ſteht den zu einer Theilnahme Berechtigten die Befugniß zu, ſolche Handlungen zur Wahrung ihrer Stellung vorzunehmen, welche mit dem Beſtehen des Staates unvereinbar ſind. Ein etwaiges Ueberſchreiten von der einen Seite er- mächtigt nicht anderer Seits zu einer Auflöſung des Staates und zur eigenen Nichterfüllung von Verpflichtungen. Daher denn namentlich eine zur Erzwingung von Rechtsſchutz von

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/246>, abgerufen am 04.05.2024.