that, auf die Rechnung des Anführers setzen, und sich damit nicht selbst erheben durfte *).
Das Frauenzimmer hatte einen eben so hohen Be- griff von Ehre. Wie die Cimbern zulezt überlistiget wurden, bat das gefangene Frauenzimmer, unter die Vestalinnen aufgenommen zu werden; und wie ihnen dieses abgeschlagen wurde, schlugen sie ihre schönen Haarflechten **) über die Reiffen ihrer Wagen, knüpf- ten solche unter das Kinn zusammen, und erhängten sich mit diesem Wohlstande unter der Decke ihrer Wagen. Speciosam mortem nennet es Florus.
Die Dichtkunst der Nation hatte drey Hauptge- genstände, die Ankunft des Volks von seinem Ursprung an, die Thaten der Krieger, und die Ermunterung zur Schlacht; ihre Mahlerey gieng blos auf die Ver- zierung des Schildes, die Tanzkunst auf den hohen Eh- rentanz zur Belohnung der Sieger, und auf den Paß zum marschiren. Mit einem Worte, alle Wissenschaf- ten und alle Künste giengen bey ihnen lediglich auf den Krieg; und daß sie auch in der höhern Strategie erfah- ren waren, schließt man nicht allein daraus, daß sie fünf römische Consular-armeen nach einander aus dem Felde schlugen, sondern auch besonders aus dem großen Ma- noeuver des Ariovists ***), der gleich sein Lager nur eine Meile vom römischen nahm, des andern Tages den
Cäsar
*)Fortissimus quisque ferreum insuper annulum, ignominiosum id genti, velut vinculum gestat, donec s caede hostis absol- vit. TACIT. G. c. 31.
**)Id. c. 14.
***)Vinculo e crinibus suis facto a jugis plaustrorum pepende- runt. FLOR. III. 3.
Mösers patr. Phantas.IV.Th. B
der alten Deutſchen.
that, auf die Rechnung des Anfuͤhrers ſetzen, und ſich damit nicht ſelbſt erheben durfte *).
Das Frauenzimmer hatte einen eben ſo hohen Be- griff von Ehre. Wie die Cimbern zulezt uͤberliſtiget wurden, bat das gefangene Frauenzimmer, unter die Veſtalinnen aufgenommen zu werden; und wie ihnen dieſes abgeſchlagen wurde, ſchlugen ſie ihre ſchoͤnen Haarflechten **) uͤber die Reiffen ihrer Wagen, knuͤpf- ten ſolche unter das Kinn zuſammen, und erhaͤngten ſich mit dieſem Wohlſtande unter der Decke ihrer Wagen. Specioſam mortem nennet es Florus.
Die Dichtkunſt der Nation hatte drey Hauptge- genſtaͤnde, die Ankunft des Volks von ſeinem Urſprung an, die Thaten der Krieger, und die Ermunterung zur Schlacht; ihre Mahlerey gieng blos auf die Ver- zierung des Schildes, die Tanzkunſt auf den hohen Eh- rentanz zur Belohnung der Sieger, und auf den Paß zum marſchiren. Mit einem Worte, alle Wiſſenſchaf- ten und alle Kuͤnſte giengen bey ihnen lediglich auf den Krieg; und daß ſie auch in der hoͤhern Strategie erfah- ren waren, ſchließt man nicht allein daraus, daß ſie fuͤnf roͤmiſche Conſular-armeen nach einander aus dem Felde ſchlugen, ſondern auch beſonders aus dem großen Ma- noeuver des Arioviſts ***), der gleich ſein Lager nur eine Meile vom roͤmiſchen nahm, des andern Tages den
Caͤſar
*)Fortiſſimus quisque ferreum inſuper annulum, ignominioſum id genti, velut vinculum geſtat, donec ſ caede hoſtis abſol- vit. TACIT. G. c. 31.
**)Id. c. 14.
***)Vinculo e crinibus ſuis facto a jugis plauſtrorum pepende- runt. FLOR. III. 3.
Moͤſers patr. Phantaſ.IV.Th. B
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der alten Deutſchen.
that, auf die Rechnung des Anfuͤhrers ſetzen, und ſich
damit nicht ſelbſt erheben durfte *).
Das Frauenzimmer hatte einen eben ſo hohen Be-
griff von Ehre. Wie die Cimbern zulezt uͤberliſtiget
wurden, bat das gefangene Frauenzimmer, unter die
Veſtalinnen aufgenommen zu werden; und wie ihnen
dieſes abgeſchlagen wurde, ſchlugen ſie ihre ſchoͤnen
Haarflechten **) uͤber die Reiffen ihrer Wagen, knuͤpf-
ten ſolche unter das Kinn zuſammen, und erhaͤngten ſich
mit dieſem Wohlſtande unter der Decke ihrer Wagen.
Specioſam mortem nennet es Florus.
Die Dichtkunſt der Nation hatte drey Hauptge-
genſtaͤnde, die Ankunft des Volks von ſeinem Urſprung
an, die Thaten der Krieger, und die Ermunterung
zur Schlacht; ihre Mahlerey gieng blos auf die Ver-
zierung des Schildes, die Tanzkunſt auf den hohen Eh-
rentanz zur Belohnung der Sieger, und auf den Paß
zum marſchiren. Mit einem Worte, alle Wiſſenſchaf-
ten und alle Kuͤnſte giengen bey ihnen lediglich auf den
Krieg; und daß ſie auch in der hoͤhern Strategie erfah-
ren waren, ſchließt man nicht allein daraus, daß ſie fuͤnf
roͤmiſche Conſular-armeen nach einander aus dem Felde
ſchlugen, ſondern auch beſonders aus dem großen Ma-
noeuver des Arioviſts ***), der gleich ſein Lager nur
eine Meile vom roͤmiſchen nahm, des andern Tages den
Caͤſar
*) Fortiſſimus quisque ferreum inſuper annulum, ignominioſum
id genti, velut vinculum geſtat, donec ſ caede hoſtis abſol-
vit. TACIT. G. c. 31.
**) Id. c. 14.
***) Vinculo e crinibus ſuis facto a jugis plauſtrorum pepende-
runt. FLOR. III. 3.
Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. B
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/29>, abgerufen am 16.02.2025.
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