Jhre schwere Jnfanterie, denn sie hatten auch eine leichte, die wie bekannt, mit der leichten Reuterey über- weg *) lief, hat schwerlich viele ihres gleichen gehabt. Urtheilen sie aus dem einzigen Zuge: Wie die Cimbern an die Etsch kamen, stelleten sie sich, drey oder vier Mann hoch, in den Strom, **) und wollten ihn mit ihren Schilden aufhalten. Dies setzt voraus, daß Schild an Schild schloß, und dieses Manoeuvre nicht allein eine undurchdringliche Mauer ausmachte, sondern auch der größten Gewalt widerstehen konnte. Wo ist jetzt ein Ge- neral, der sich die Erwartung von seiner Jnfanterie ma- chen könnte, daß sie einen Strom im Laufe aufzuhalten vermöchte? Wäre den Cimbern ihr Unternehmen gelun- gen: so waren sie Meister von Rom. Mit dem Damme welchen sie hernach schlugen, vergieng ihnen die Zeit.
Die Catten hatten einen Schandorden eingeführt, +) welchen jeder Jüngling so lange tragen mußte, bis er einen Feind erlegt hatte. Diese Erfindung ist gewiß um einen Grad feiner, als die Ritterorden in den Philan- tropinen. Um nur erst unter die Zahl der ehrbaren Män- ner zu gelangen, mußte der Jüngling schon Thaten ge- than haben.
Jeder widmete sich seinem Anführer in dessen Ge- folge er diente, mit einem schweren Eide auf Leib und Leben; und so lange dieser stand, mußte alles stehen. Wer ihn ehe er fiel, verließ, ward, um in unsrer Spra- che zu reden, vor der Fronte des Gefolges als infam cassirt, und keiner wünschte diese Schande zu überleben. Jhre Subordination war so strenge, daß jeder, was er
that
*)Tacit. l. c.
**)LIV. XXXXIV. 26.
+)Retinere amnem manibus & clipeis frustra tentarunt. Flor. l. c.
Von der Nationalerziehung
Jhre ſchwere Jnfanterie, denn ſie hatten auch eine leichte, die wie bekannt, mit der leichten Reuterey uͤber- weg *) lief, hat ſchwerlich viele ihres gleichen gehabt. Urtheilen ſie aus dem einzigen Zuge: Wie die Cimbern an die Etſch kamen, ſtelleten ſie ſich, drey oder vier Mann hoch, in den Strom, **) und wollten ihn mit ihren Schilden aufhalten. Dies ſetzt voraus, daß Schild an Schild ſchloß, und dieſes Manoeuvre nicht allein eine undurchdringliche Mauer ausmachte, ſondern auch der groͤßten Gewalt widerſtehen konnte. Wo iſt jetzt ein Ge- neral, der ſich die Erwartung von ſeiner Jnfanterie ma- chen koͤnnte, daß ſie einen Strom im Laufe aufzuhalten vermoͤchte? Waͤre den Cimbern ihr Unternehmen gelun- gen: ſo waren ſie Meiſter von Rom. Mit dem Damme welchen ſie hernach ſchlugen, vergieng ihnen die Zeit.
Die Catten hatten einen Schandorden eingefuͤhrt, †) welchen jeder Juͤngling ſo lange tragen mußte, bis er einen Feind erlegt hatte. Dieſe Erfindung iſt gewiß um einen Grad feiner, als die Ritterorden in den Philan- tropinen. Um nur erſt unter die Zahl der ehrbaren Maͤn- ner zu gelangen, mußte der Juͤngling ſchon Thaten ge- than haben.
Jeder widmete ſich ſeinem Anfuͤhrer in deſſen Ge- folge er diente, mit einem ſchweren Eide auf Leib und Leben; und ſo lange dieſer ſtand, mußte alles ſtehen. Wer ihn ehe er fiel, verließ, ward, um in unſrer Spra- che zu reden, vor der Fronte des Gefolges als infam caſſirt, und keiner wuͤnſchte dieſe Schande zu uͤberleben. Jhre Subordination war ſo ſtrenge, daß jeder, was er
that
*)Tacit. l. c.
**)LIV. XXXXIV. 26.
†)Retinere amnem manibus & clipeis fruſtra tentarunt. Flor. l. c.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0028"n="16"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Nationalerziehung</hi></fw><lb/><p>Jhre ſchwere Jnfanterie, denn ſie hatten auch eine<lb/>
leichte, die wie bekannt, mit der leichten Reuterey uͤber-<lb/>
weg <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i"><hirendition="#g">Tacit</hi>.</hi> l. c.</hi></note> lief, hat ſchwerlich viele ihres gleichen gehabt.<lb/>
Urtheilen ſie aus dem einzigen Zuge: Wie die Cimbern<lb/>
an die Etſch kamen, ſtelleten ſie ſich, drey oder vier<lb/>
Mann hoch, in den Strom, <noteplace="foot"n="**)"><hirendition="#aq">LIV. XXXXIV.</hi> 26.</note> und wollten ihn mit<lb/>
ihren Schilden aufhalten. Dies ſetzt voraus, daß Schild<lb/>
an Schild ſchloß, und dieſes Manoeuvre nicht allein eine<lb/>
undurchdringliche Mauer ausmachte, ſondern auch der<lb/>
groͤßten Gewalt widerſtehen konnte. Wo iſt jetzt ein Ge-<lb/>
neral, der ſich die Erwartung von ſeiner Jnfanterie ma-<lb/>
chen koͤnnte, daß ſie einen Strom im Laufe aufzuhalten<lb/>
vermoͤchte? Waͤre den Cimbern ihr Unternehmen gelun-<lb/>
gen: ſo waren ſie Meiſter von Rom. Mit dem Damme<lb/>
welchen ſie hernach ſchlugen, vergieng ihnen die Zeit.</p><lb/><p>Die Catten hatten einen Schandorden eingefuͤhrt, <noteplace="foot"n="†)"><hirendition="#aq">Retinere amnem manibus & clipeis fruſtra tentarunt. <hirendition="#i"><hirendition="#g">Flor</hi>.</hi> l. c.</hi></note><lb/>
welchen jeder Juͤngling ſo lange tragen mußte, bis er<lb/>
einen Feind erlegt hatte. Dieſe Erfindung iſt gewiß um<lb/>
einen Grad feiner, als die Ritterorden in den Philan-<lb/>
tropinen. Um nur erſt unter die Zahl der ehrbaren Maͤn-<lb/>
ner zu gelangen, mußte der Juͤngling ſchon Thaten ge-<lb/>
than haben.</p><lb/><p>Jeder widmete ſich ſeinem Anfuͤhrer in deſſen Ge-<lb/>
folge er diente, mit einem ſchweren Eide auf Leib und<lb/>
Leben; und ſo lange dieſer ſtand, mußte alles ſtehen.<lb/>
Wer ihn ehe er fiel, verließ, ward, um in unſrer Spra-<lb/>
che zu reden, vor der Fronte des Gefolges als infam<lb/>
caſſirt, und keiner wuͤnſchte dieſe Schande zu uͤberleben.<lb/>
Jhre Subordination war ſo ſtrenge, daß jeder, was er<lb/><fwplace="bottom"type="catch">that</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[16/0028]
Von der Nationalerziehung
Jhre ſchwere Jnfanterie, denn ſie hatten auch eine
leichte, die wie bekannt, mit der leichten Reuterey uͤber-
weg *) lief, hat ſchwerlich viele ihres gleichen gehabt.
Urtheilen ſie aus dem einzigen Zuge: Wie die Cimbern
an die Etſch kamen, ſtelleten ſie ſich, drey oder vier
Mann hoch, in den Strom, **) und wollten ihn mit
ihren Schilden aufhalten. Dies ſetzt voraus, daß Schild
an Schild ſchloß, und dieſes Manoeuvre nicht allein eine
undurchdringliche Mauer ausmachte, ſondern auch der
groͤßten Gewalt widerſtehen konnte. Wo iſt jetzt ein Ge-
neral, der ſich die Erwartung von ſeiner Jnfanterie ma-
chen koͤnnte, daß ſie einen Strom im Laufe aufzuhalten
vermoͤchte? Waͤre den Cimbern ihr Unternehmen gelun-
gen: ſo waren ſie Meiſter von Rom. Mit dem Damme
welchen ſie hernach ſchlugen, vergieng ihnen die Zeit.
Die Catten hatten einen Schandorden eingefuͤhrt, †)
welchen jeder Juͤngling ſo lange tragen mußte, bis er
einen Feind erlegt hatte. Dieſe Erfindung iſt gewiß um
einen Grad feiner, als die Ritterorden in den Philan-
tropinen. Um nur erſt unter die Zahl der ehrbaren Maͤn-
ner zu gelangen, mußte der Juͤngling ſchon Thaten ge-
than haben.
Jeder widmete ſich ſeinem Anfuͤhrer in deſſen Ge-
folge er diente, mit einem ſchweren Eide auf Leib und
Leben; und ſo lange dieſer ſtand, mußte alles ſtehen.
Wer ihn ehe er fiel, verließ, ward, um in unſrer Spra-
che zu reden, vor der Fronte des Gefolges als infam
caſſirt, und keiner wuͤnſchte dieſe Schande zu uͤberleben.
Jhre Subordination war ſo ſtrenge, daß jeder, was er
that
*) Tacit. l. c.
**) LIV. XXXXIV. 26.
†) Retinere amnem manibus & clipeis fruſtra tentarunt. Flor. l. c.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/28>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.