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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Adelsprobe in Deutschland.
führerstelle vererbte so leicht nicht, weil sie mit jedem Kriege
ein Ende nahm; wohingegen Obersten und Hauptleute,
zu Erhaltung der Rolle, der Uebung, und der Zucht,
auch im Frieden bleiben mußten.

Zweytens diejenige, welche insgemein der Herren-
dienst
giebt, wenn anstatt des, immer nicht ohne Be-
schwerde aufzubietenden, zu versammlenden, und zu üben-
den Landeigenthümers, von dem Vorsteher der Gesell-
schaft, oder ihrem Oberhaupte, eine ausgesonderte be-
ständige Militz
unterhalten werden muß. Zu der Zeit,
wie dieses bey den Deutschen geschah, gedachte man viel-
leicht noch an kein beständiges Fußvolk: entweder weil
man solches zur Zeit der Noth aus den Landeigenthü-
mern leicht zusammen zog, oder bey der damaligen Art
Krieg zu führen, nicht sonderlich gebrauchte; und so ent-
stand zuerst eine beständige Reuterey, unter dem Namen
von Comitibus, Minislerialibus, oder Dienstleuten, die
nicht von ihrem Eigenthume, sondern für Löhnung (bene-
ficia
), diente, und nun, da sie sich beständig übte, und
unter sich die Ritterspiele einführte, gar bald zu demje-
nigen Ansehen gelangte, welches die jetzige beständige und
reguläre Militz erlangt hat. Sie hatte in ihrer Verfas-
sung 3 Stufen, indem nämlich einer zuerst gewisse Jahre
als simplex oder Waffenjunge, und wiederum gewisse
Jahre als famulus oder Knape, dienen mußte, ehe er
von der ritterlichen Zunft zur Meisterschaft gelassen, oder
als miles (später Ritter) aufgenommen wurde *).

Unter
*) Eine gleiche Abstufung fand sich in dem ältesten Gefolge
(comitatu) der Deutschen, indem Tacitus sagt: quin etiam
gradus Comitatus habet.
Mösers patr. Phantas. IV. Th. S

Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
fuͤhrerſtelle vererbte ſo leicht nicht, weil ſie mit jedem Kriege
ein Ende nahm; wohingegen Oberſten und Hauptleute,
zu Erhaltung der Rolle, der Uebung, und der Zucht,
auch im Frieden bleiben mußten.

Zweytens diejenige, welche insgemein der Herren-
dienſt
giebt, wenn anſtatt des, immer nicht ohne Be-
ſchwerde aufzubietenden, zu verſammlenden, und zu uͤben-
den Landeigenthuͤmers, von dem Vorſteher der Geſell-
ſchaft, oder ihrem Oberhaupte, eine ausgeſonderte be-
ſtaͤndige Militz
unterhalten werden muß. Zu der Zeit,
wie dieſes bey den Deutſchen geſchah, gedachte man viel-
leicht noch an kein beſtaͤndiges Fußvolk: entweder weil
man ſolches zur Zeit der Noth aus den Landeigenthuͤ-
mern leicht zuſammen zog, oder bey der damaligen Art
Krieg zu fuͤhren, nicht ſonderlich gebrauchte; und ſo ent-
ſtand zuerſt eine beſtaͤndige Reuterey, unter dem Namen
von Comitibus, Miniſlerialibus, oder Dienſtleuten, die
nicht von ihrem Eigenthume, ſondern fuͤr Loͤhnung (bene-
ficia
), diente, und nun, da ſie ſich beſtaͤndig uͤbte, und
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nigen Anſehen gelangte, welches die jetzige beſtaͤndige und
regulaͤre Militz erlangt hat. Sie hatte in ihrer Verfaſ-
ſung 3 Stufen, indem naͤmlich einer zuerſt gewiſſe Jahre
als ſimplex oder Waffenjunge, und wiederum gewiſſe
Jahre als famulus oder Knape, dienen mußte, ehe er
von der ritterlichen Zunft zur Meiſterſchaft gelaſſen, oder
als miles (ſpaͤter Ritter) aufgenommen wurde *).

Unter
*) Eine gleiche Abſtufung fand ſich in dem aͤlteſten Gefolge
(comitatu) der Deutſchen, indem Tacitus ſagt: quin etiam
gradus Comitatus habet.
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[273/0285] Ueber die Adelsprobe in Deutſchland. fuͤhrerſtelle vererbte ſo leicht nicht, weil ſie mit jedem Kriege ein Ende nahm; wohingegen Oberſten und Hauptleute, zu Erhaltung der Rolle, der Uebung, und der Zucht, auch im Frieden bleiben mußten. Zweytens diejenige, welche insgemein der Herren- dienſt giebt, wenn anſtatt des, immer nicht ohne Be- ſchwerde aufzubietenden, zu verſammlenden, und zu uͤben- den Landeigenthuͤmers, von dem Vorſteher der Geſell- ſchaft, oder ihrem Oberhaupte, eine ausgeſonderte be- ſtaͤndige Militz unterhalten werden muß. Zu der Zeit, wie dieſes bey den Deutſchen geſchah, gedachte man viel- leicht noch an kein beſtaͤndiges Fußvolk: entweder weil man ſolches zur Zeit der Noth aus den Landeigenthuͤ- mern leicht zuſammen zog, oder bey der damaligen Art Krieg zu fuͤhren, nicht ſonderlich gebrauchte; und ſo ent- ſtand zuerſt eine beſtaͤndige Reuterey, unter dem Namen von Comitibus, Miniſlerialibus, oder Dienſtleuten, die nicht von ihrem Eigenthume, ſondern fuͤr Loͤhnung (bene- ficia), diente, und nun, da ſie ſich beſtaͤndig uͤbte, und unter ſich die Ritterſpiele einfuͤhrte, gar bald zu demje- nigen Anſehen gelangte, welches die jetzige beſtaͤndige und regulaͤre Militz erlangt hat. Sie hatte in ihrer Verfaſ- ſung 3 Stufen, indem naͤmlich einer zuerſt gewiſſe Jahre als ſimplex oder Waffenjunge, und wiederum gewiſſe Jahre als famulus oder Knape, dienen mußte, ehe er von der ritterlichen Zunft zur Meiſterſchaft gelaſſen, oder als miles (ſpaͤter Ritter) aufgenommen wurde *). Unter *) Eine gleiche Abſtufung fand ſich in dem aͤlteſten Gefolge (comitatu) der Deutſchen, indem Tacitus ſagt: quin etiam gradus Comitatus habet. Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. S

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/285>, abgerufen am 13.05.2024.