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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Adelsprobe in Deutschland.

Unter denselben entstand wiederum, nach dem näm-
lichen Gange ein hoher und niederer Adel, indem die ho-
hen Dienstwürden, welche von einem Oberhaupte ab-
hiengen, noch geschwinder als die Wahlwürden, in ge-
wissen Geschlechtern vererbten. Der hohe bestand aus
Dienstherzogen, Dienstgrafen, und Diensthauptleuten,
wie in der ersten Zeit aus Wahlherzogen, Wahlgrafen,
und Wahlhäuptlingen, oder Dynasten.

Zuerst mochte diese hohe und niedere Dienstmann-
schaft, aus dem vorhandenen hohen und niedern Adel der
ersten Zeit, genommen werden. Jn der Folge aber nahm
die Dienstmannschaft (nach dem gewöhnlichen Hange aller
Gilden, die gern alle blos Meisterssöhne aufnehmen
möchten) nur Dienstmannskinder zu Waffenjungen an:
und so konnte so leicht keiner aus den übrigen Ständen,
hie und da einen außerordentlichen Fall ausgenommen,
zur Ehre eines Knapen oder Ritters gelangen. Es fügte
sich aber bald, daß die beständigen Heere verstärket wer-
den mußten, und der Kayser so viel Ritter machte, als
er gebrauchte, ohne sich an die Ordnung und Stufen der
eigentlichen Ritterschaft zu binden.

Nun zeigten sich Ritter edlen Bürger- und Bauer-
standes
in solcher Menge, daß Henrich Geßler, der im
Jahr 1493 Syndicus des großen Raths zu Straßburg war,
diese drey Arten so gar in seinem Titularbuche unterschei-
det, und den ersten: Edelstrenge! den andern: Strenge
feste
! und den letzten Strenge! zu schreiben lehret. Je-
doch trift dieses keinen Ritter einer geschlossenen Gesell-
schaft oder andern adlichen Jnnung, die sich, wie jede
fürstliche Dienstmannschaft, durch Verbindungen und
Vereine dagegen deckte, oder auf andere Art verbündete,
und jene Ritter a la suite du St. Empire von ihren Ver-

samm-
Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.

Unter denſelben entſtand wiederum, nach dem naͤm-
lichen Gange ein hoher und niederer Adel, indem die ho-
hen Dienſtwuͤrden, welche von einem Oberhaupte ab-
hiengen, noch geſchwinder als die Wahlwuͤrden, in ge-
wiſſen Geſchlechtern vererbten. Der hohe beſtand aus
Dienſtherzogen, Dienſtgrafen, und Dienſthauptleuten,
wie in der erſten Zeit aus Wahlherzogen, Wahlgrafen,
und Wahlhaͤuptlingen, oder Dynaſten.

Zuerſt mochte dieſe hohe und niedere Dienſtmann-
ſchaft, aus dem vorhandenen hohen und niedern Adel der
erſten Zeit, genommen werden. Jn der Folge aber nahm
die Dienſtmannſchaft (nach dem gewoͤhnlichen Hange aller
Gilden, die gern alle blos Meiſtersſoͤhne aufnehmen
moͤchten) nur Dienſtmannskinder zu Waffenjungen an:
und ſo konnte ſo leicht keiner aus den uͤbrigen Staͤnden,
hie und da einen außerordentlichen Fall ausgenommen,
zur Ehre eines Knapen oder Ritters gelangen. Es fuͤgte
ſich aber bald, daß die beſtaͤndigen Heere verſtaͤrket wer-
den mußten, und der Kayſer ſo viel Ritter machte, als
er gebrauchte, ohne ſich an die Ordnung und Stufen der
eigentlichen Ritterſchaft zu binden.

Nun zeigten ſich Ritter edlen Buͤrger- und Bauer-
ſtandes
in ſolcher Menge, daß Henrich Geßler, der im
Jahr 1493 Syndicus des großen Raths zu Straßburg war,
dieſe drey Arten ſo gar in ſeinem Titularbuche unterſchei-
det, und den erſten: Edelſtrenge! den andern: Strenge
feſte
! und den letzten Strenge! zu ſchreiben lehret. Je-
doch trift dieſes keinen Ritter einer geſchloſſenen Geſell-
ſchaft oder andern adlichen Jnnung, die ſich, wie jede
fuͤrſtliche Dienſtmannſchaft, durch Verbindungen und
Vereine dagegen deckte, oder auf andere Art verbuͤndete,
und jene Ritter à la ſuite du St. Empire von ihren Ver-

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[274/0286] Ueber die Adelsprobe in Deutſchland. Unter denſelben entſtand wiederum, nach dem naͤm- lichen Gange ein hoher und niederer Adel, indem die ho- hen Dienſtwuͤrden, welche von einem Oberhaupte ab- hiengen, noch geſchwinder als die Wahlwuͤrden, in ge- wiſſen Geſchlechtern vererbten. Der hohe beſtand aus Dienſtherzogen, Dienſtgrafen, und Dienſthauptleuten, wie in der erſten Zeit aus Wahlherzogen, Wahlgrafen, und Wahlhaͤuptlingen, oder Dynaſten. Zuerſt mochte dieſe hohe und niedere Dienſtmann- ſchaft, aus dem vorhandenen hohen und niedern Adel der erſten Zeit, genommen werden. Jn der Folge aber nahm die Dienſtmannſchaft (nach dem gewoͤhnlichen Hange aller Gilden, die gern alle blos Meiſtersſoͤhne aufnehmen moͤchten) nur Dienſtmannskinder zu Waffenjungen an: und ſo konnte ſo leicht keiner aus den uͤbrigen Staͤnden, hie und da einen außerordentlichen Fall ausgenommen, zur Ehre eines Knapen oder Ritters gelangen. Es fuͤgte ſich aber bald, daß die beſtaͤndigen Heere verſtaͤrket wer- den mußten, und der Kayſer ſo viel Ritter machte, als er gebrauchte, ohne ſich an die Ordnung und Stufen der eigentlichen Ritterſchaft zu binden. Nun zeigten ſich Ritter edlen Buͤrger- und Bauer- ſtandes in ſolcher Menge, daß Henrich Geßler, der im Jahr 1493 Syndicus des großen Raths zu Straßburg war, dieſe drey Arten ſo gar in ſeinem Titularbuche unterſchei- det, und den erſten: Edelſtrenge! den andern: Strenge feſte! und den letzten Strenge! zu ſchreiben lehret. Je- doch trift dieſes keinen Ritter einer geſchloſſenen Geſell- ſchaft oder andern adlichen Jnnung, die ſich, wie jede fuͤrſtliche Dienſtmannſchaft, durch Verbindungen und Vereine dagegen deckte, oder auf andere Art verbuͤndete, und jene Ritter à la ſuite du St. Empire von ihren Ver- ſamm-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/286>, abgerufen am 25.11.2024.