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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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der Landbesitzer.
schieht die Absteuer immer, wie es unter fürstlichen Per-
sonen hergebracht ist,
oder wie es in dem Hause Sachsen,
wie es in dem Hause Würtenburg gebräuchlich ist. Der-
gleichen Formeln, worin entweder auf einen Standes-
oder Hausesgebrauch zurückgewiesen wird, findet man un-
zählige; und wer sich die Mühe geben will, kann es von
allen königlichen, fürstlichen und gräflichen Häusern samm-
len, was jede Tochter am Brautschatz empfangen oder
künftig zu erwarten hat. Sie richten sich nunmehr ledig-
lich nach einem Hausgebrauch, und das Haus mag in
Schulden oder in Vorrath seyn, es mögen der Söhne
und Töchter viele oder wenig seyn, die Bestimmung der
Absteuer, wenn sie auch oft nicht baar erfolgt, bleibt
immer einerley, und man wagt es nicht leicht darüber
herauszugehen, weil eine gebührende Mitgift beyde
Theile von vielen sonst unvermeidlichen Verlegenheiten,
Verbindlichkeiten, Empfindlichkeiten und Nachreden
befreyet.

Bey dem Adel ist eben so zuerst ein Standesge-
brauch,
wie es adlich und sittlich, eingeführet worden, bis
die neuen Fideicommisse und Majorate nebst dem Her-
kommen auch einen Hausgebrauch gültig gemacht haben;
und ob gleich auch eine Aussteuer nach Stande und Ver-
mögen
Platz gefunden: so gieng diese doch nicht weiter,
als daß der Beste es dem Besten und der Mittlere dem
Mittlern gleich that, nicht aber dahin, daß man das
Vermögen zum Anschlag brachte, auf Gleichtheilungen
oder gewisse Pflichttheile und auf ausgerechnete Verhält-
nisse zurück sahe.

Die gemeinen Landbesitzer hielten sich an die Kirch-
spielsgewohnheit,
oder an ihre Hofweisungen; und der
Gutsherr befolgte ein gleiches in Ansehung seiner Leibeig-
nen. Selbst die hiesige im Jahr 1722 gemachte Eigen-

thums-
P 2

der Landbeſitzer.
ſchieht die Abſteuer immer, wie es unter fuͤrſtlichen Per-
ſonen hergebracht iſt,
oder wie es in dem Hauſe Sachſen,
wie es in dem Hauſe Wuͤrtenburg gebraͤuchlich iſt. Der-
gleichen Formeln, worin entweder auf einen Standes-
oder Hauſesgebrauch zuruͤckgewieſen wird, findet man un-
zaͤhlige; und wer ſich die Muͤhe geben will, kann es von
allen koͤniglichen, fuͤrſtlichen und graͤflichen Haͤuſern ſamm-
len, was jede Tochter am Brautſchatz empfangen oder
kuͤnftig zu erwarten hat. Sie richten ſich nunmehr ledig-
lich nach einem Hausgebrauch, und das Haus mag in
Schulden oder in Vorrath ſeyn, es moͤgen der Soͤhne
und Toͤchter viele oder wenig ſeyn, die Beſtimmung der
Abſteuer, wenn ſie auch oft nicht baar erfolgt, bleibt
immer einerley, und man wagt es nicht leicht daruͤber
herauszugehen, weil eine gebuͤhrende Mitgift beyde
Theile von vielen ſonſt unvermeidlichen Verlegenheiten,
Verbindlichkeiten, Empfindlichkeiten und Nachreden
befreyet.

Bey dem Adel iſt eben ſo zuerſt ein Standesge-
brauch,
wie es adlich und ſittlich, eingefuͤhret worden, bis
die neuen Fideicommiſſe und Majorate nebſt dem Her-
kommen auch einen Hausgebrauch guͤltig gemacht haben;
und ob gleich auch eine Ausſteuer nach Stande und Ver-
moͤgen
Platz gefunden: ſo gieng dieſe doch nicht weiter,
als daß der Beſte es dem Beſten und der Mittlere dem
Mittlern gleich that, nicht aber dahin, daß man das
Vermoͤgen zum Anſchlag brachte, auf Gleichtheilungen
oder gewiſſe Pflichttheile und auf ausgerechnete Verhaͤlt-
niſſe zuruͤck ſahe.

Die gemeinen Landbeſitzer hielten ſich an die Kirch-
ſpielsgewohnheit,
oder an ihre Hofweiſungen; und der
Gutsherr befolgte ein gleiches in Anſehung ſeiner Leibeig-
nen. Selbſt die hieſige im Jahr 1722 gemachte Eigen-

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[227/0239] der Landbeſitzer. ſchieht die Abſteuer immer, wie es unter fuͤrſtlichen Per- ſonen hergebracht iſt, oder wie es in dem Hauſe Sachſen, wie es in dem Hauſe Wuͤrtenburg gebraͤuchlich iſt. Der- gleichen Formeln, worin entweder auf einen Standes- oder Hauſesgebrauch zuruͤckgewieſen wird, findet man un- zaͤhlige; und wer ſich die Muͤhe geben will, kann es von allen koͤniglichen, fuͤrſtlichen und graͤflichen Haͤuſern ſamm- len, was jede Tochter am Brautſchatz empfangen oder kuͤnftig zu erwarten hat. Sie richten ſich nunmehr ledig- lich nach einem Hausgebrauch, und das Haus mag in Schulden oder in Vorrath ſeyn, es moͤgen der Soͤhne und Toͤchter viele oder wenig ſeyn, die Beſtimmung der Abſteuer, wenn ſie auch oft nicht baar erfolgt, bleibt immer einerley, und man wagt es nicht leicht daruͤber herauszugehen, weil eine gebuͤhrende Mitgift beyde Theile von vielen ſonſt unvermeidlichen Verlegenheiten, Verbindlichkeiten, Empfindlichkeiten und Nachreden befreyet. Bey dem Adel iſt eben ſo zuerſt ein Standesge- brauch, wie es adlich und ſittlich, eingefuͤhret worden, bis die neuen Fideicommiſſe und Majorate nebſt dem Her- kommen auch einen Hausgebrauch guͤltig gemacht haben; und ob gleich auch eine Ausſteuer nach Stande und Ver- moͤgen Platz gefunden: ſo gieng dieſe doch nicht weiter, als daß der Beſte es dem Beſten und der Mittlere dem Mittlern gleich that, nicht aber dahin, daß man das Vermoͤgen zum Anſchlag brachte, auf Gleichtheilungen oder gewiſſe Pflichttheile und auf ausgerechnete Verhaͤlt- niſſe zuruͤck ſahe. Die gemeinen Landbeſitzer hielten ſich an die Kirch- ſpielsgewohnheit, oder an ihre Hofweiſungen; und der Gutsherr befolgte ein gleiches in Anſehung ſeiner Leibeig- nen. Selbſt die hieſige im Jahr 1722 gemachte Eigen- thums- P 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/239>, abgerufen am 23.11.2024.