gedienet seyn kann: so will ich den Himmel alle Morgen und alle Abende bitten, daß er ihn dagegen vor alle Anfälle der Gicht, der Schlaflosigkeit und der Lehrsucht in Gna- den bewahren wolle. Meine Adresse ist, an Tante Lore, abzugeben im Intelligenzcomtoir.
Schließlich bitte ich alle meine Leser, die Vater, Oheim und Bruder heissen, die Gelegenheit den Ihrigen gleichsam einen Stiftsplatz zu verschaffen, doch nicht zu versäumen. Sie werden sich dadurch eine Krone auf ihr Grab erwer- ben, und noch gute Werke nach ihrem Tode thun. Auch bitte ich alle unverheyrathete Töchter, Schwestern und Nich- ten ihren vermuthlichen Wohlthaten also zu begegnen, daß sie nicht nöthig haben, sich dereinst ins Publicum so auszu- bieten, wie ich leider jetzt thun muß. Ach wenn sie wü- sten ... aber sie können es nicht wissen; sie müßten erst so wie ich bis ins sechzigste Jahr die Gnade ihrer Bluts- verwandten als Kinderwärterinnen genossen haben -- sie würden gewiß keinen Augenblick versäumen, sich die Gele- genheit die ihnen nun geboten, mir aber versagt wird, ge- schwind zu Nutze zu machen.
XVII. So mag man auch noch im Alter lieben.
Stille! stille! mein Freund, verliebt mögte ich nun eben nicht gern heissen; aber wenn Sie einen andern Ausdruck haben, der einen liebenden Mann bezeichnet, und minder anstößig ist: so geben Sie ihn mir immer, ob ich schon mein siebzigstes Jahr zurück gelegt habe. Denn ich liebe in der That, und möchte es gern bis an mein seliges Ende thun, wenn es der Vorsehung gefallen sollte, solches
noch
Die arme Tante Lore.
gedienet ſeyn kann: ſo will ich den Himmel alle Morgen und alle Abende bitten, daß er ihn dagegen vor alle Anfaͤlle der Gicht, der Schlafloſigkeit und der Lehrſucht in Gna- den bewahren wolle. Meine Adreſſe iſt, an Tante Lore, abzugeben im Intelligenzcomtoir.
Schließlich bitte ich alle meine Leſer, die Vater, Oheim und Bruder heiſſen, die Gelegenheit den Ihrigen gleichſam einen Stiftsplatz zu verſchaffen, doch nicht zu verſaͤumen. Sie werden ſich dadurch eine Krone auf ihr Grab erwer- ben, und noch gute Werke nach ihrem Tode thun. Auch bitte ich alle unverheyrathete Toͤchter, Schweſtern und Nich- ten ihren vermuthlichen Wohlthaten alſo zu begegnen, daß ſie nicht noͤthig haben, ſich dereinſt ins Publicum ſo auszu- bieten, wie ich leider jetzt thun muß. Ach wenn ſie wuͤ- ſten … aber ſie koͤnnen es nicht wiſſen; ſie muͤßten erſt ſo wie ich bis ins ſechzigſte Jahr die Gnade ihrer Bluts- verwandten als Kinderwaͤrterinnen genoſſen haben — ſie wuͤrden gewiß keinen Augenblick verſaͤumen, ſich die Gele- genheit die ihnen nun geboten, mir aber verſagt wird, ge- ſchwind zu Nutze zu machen.
XVII. So mag man auch noch im Alter lieben.
Stille! ſtille! mein Freund, verliebt moͤgte ich nun eben nicht gern heiſſen; aber wenn Sie einen andern Ausdruck haben, der einen liebenden Mann bezeichnet, und minder anſtoͤßig iſt: ſo geben Sie ihn mir immer, ob ich ſchon mein ſiebzigſtes Jahr zuruͤck gelegt habe. Denn ich liebe in der That, und moͤchte es gern bis an mein ſeliges Ende thun, wenn es der Vorſehung gefallen ſollte, ſolches
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Die arme Tante Lore.
gedienet ſeyn kann: ſo will ich den Himmel alle Morgen
und alle Abende bitten, daß er ihn dagegen vor alle Anfaͤlle
der Gicht, der Schlafloſigkeit und der Lehrſucht in Gna-
den bewahren wolle. Meine Adreſſe iſt, an Tante Lore,
abzugeben im Intelligenzcomtoir.
Schließlich bitte ich alle meine Leſer, die Vater, Oheim
und Bruder heiſſen, die Gelegenheit den Ihrigen gleichſam
einen Stiftsplatz zu verſchaffen, doch nicht zu verſaͤumen.
Sie werden ſich dadurch eine Krone auf ihr Grab erwer-
ben, und noch gute Werke nach ihrem Tode thun. Auch
bitte ich alle unverheyrathete Toͤchter, Schweſtern und Nich-
ten ihren vermuthlichen Wohlthaten alſo zu begegnen, daß
ſie nicht noͤthig haben, ſich dereinſt ins Publicum ſo auszu-
bieten, wie ich leider jetzt thun muß. Ach wenn ſie wuͤ-
ſten … aber ſie koͤnnen es nicht wiſſen; ſie muͤßten erſt
ſo wie ich bis ins ſechzigſte Jahr die Gnade ihrer Bluts-
verwandten als Kinderwaͤrterinnen genoſſen haben — ſie
wuͤrden gewiß keinen Augenblick verſaͤumen, ſich die Gele-
genheit die ihnen nun geboten, mir aber verſagt wird, ge-
ſchwind zu Nutze zu machen.
XVII.
So mag man auch noch im Alter lieben.
Stille! ſtille! mein Freund, verliebt moͤgte ich nun
eben nicht gern heiſſen; aber wenn Sie einen andern
Ausdruck haben, der einen liebenden Mann bezeichnet, und
minder anſtoͤßig iſt: ſo geben Sie ihn mir immer, ob ich
ſchon mein ſiebzigſtes Jahr zuruͤck gelegt habe. Denn ich
liebe in der That, und moͤchte es gern bis an mein ſeliges
Ende thun, wenn es der Vorſehung gefallen ſollte, ſolches
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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