Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Das war der Cammerjungfer recht.

Lisette, welche sich in diese Rede gar nicht finden konnte,
wuste nicht, was sie antworten sollte, und die gnädige
Frau fuhr fort: ich sehe wohl, Johann ist dir lieber als
ein Ducaten. Nimm ihn also, wie ich ihn genommen ha-
ben würde, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre --
Noch hatte das Mädchen nicht das Herz, diese gute Laune
für Ernst aufzunehmen -- Aber wisse, daß er unter kei-
ner andern Bedingung Organist, und du nicht Frau Or-
ganistin werden wirst, als bis ihr euch beyde schriftlich an-
heischig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als
in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wollest. Doch,
fügte sie etwas erweicht hinzu, magst du auf hohen Festta-
gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir jüngst bey
einer gewissen Gelegenheit geschenkt habe -- Das Cammer-
mädgen weinte vor Freuden -- und den gelben, und grü-
nen, und schwarzen ...

Es war Zeit, daß der gnädige Herr herein trat, sonst
wäre die gnädige Frau gar zu weich geworden. Dieser
machte also der barmherzigen Strenge ein Ende, und be-
stimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienste, welchen er
ihm gab, ein jährliches Gnadengehalt unter der Bedingung
des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue seidene
für die hohen Festtage, der gnädigen Frau zu Ehren, bey-
behalten.



Die
Mös. patr. Phant. III. Th. D
Das war der Cammerjungfer recht.

Liſette, welche ſich in dieſe Rede gar nicht finden konnte,
wuſte nicht, was ſie antworten ſollte, und die gnaͤdige
Frau fuhr fort: ich ſehe wohl, Johann iſt dir lieber als
ein Ducaten. Nimm ihn alſo, wie ich ihn genommen ha-
ben wuͤrde, wenn ich an deiner Stelle geweſen waͤre —
Noch hatte das Maͤdchen nicht das Herz, dieſe gute Laune
fuͤr Ernſt aufzunehmen — Aber wiſſe, daß er unter kei-
ner andern Bedingung Organiſt, und du nicht Frau Or-
ganiſtin werden wirſt, als bis ihr euch beyde ſchriftlich an-
heiſchig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als
in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wolleſt. Doch,
fuͤgte ſie etwas erweicht hinzu, magſt du auf hohen Feſtta-
gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir juͤngſt bey
einer gewiſſen Gelegenheit geſchenkt habe — Das Cammer-
maͤdgen weinte vor Freuden — und den gelben, und gruͤ-
nen, und ſchwarzen …

Es war Zeit, daß der gnaͤdige Herr herein trat, ſonſt
waͤre die gnaͤdige Frau gar zu weich geworden. Dieſer
machte alſo der barmherzigen Strenge ein Ende, und be-
ſtimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienſte, welchen er
ihm gab, ein jaͤhrliches Gnadengehalt unter der Bedingung
des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue ſeidene
fuͤr die hohen Feſttage, der gnaͤdigen Frau zu Ehren, bey-
behalten.



Die
Moͤſ. patr. Phant. III. Th. D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0063" n="49"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das war der Cammerjungfer recht.</hi> </fw><lb/>
        <p>Li&#x017F;ette, welche &#x017F;ich in die&#x017F;e Rede gar nicht finden konnte,<lb/>
wu&#x017F;te nicht, was &#x017F;ie antworten &#x017F;ollte, und die gna&#x0364;dige<lb/>
Frau fuhr fort: ich &#x017F;ehe wohl, Johann i&#x017F;t dir lieber als<lb/>
ein Ducaten. Nimm ihn al&#x017F;o, wie ich ihn genommen ha-<lb/>
ben wu&#x0364;rde, wenn ich an deiner Stelle gewe&#x017F;en wa&#x0364;re &#x2014;<lb/>
Noch hatte das Ma&#x0364;dchen nicht das Herz, die&#x017F;e gute Laune<lb/>
fu&#x0364;r Ern&#x017F;t aufzunehmen &#x2014; Aber wi&#x017F;&#x017F;e, daß er unter kei-<lb/>
ner andern Bedingung Organi&#x017F;t, und du nicht Frau Or-<lb/>
gani&#x017F;tin werden wir&#x017F;t, als bis ihr euch beyde &#x017F;chriftlich an-<lb/>
hei&#x017F;chig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als<lb/>
in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wolle&#x017F;t. Doch,<lb/>
fu&#x0364;gte &#x017F;ie etwas erweicht hinzu, mag&#x017F;t du auf hohen Fe&#x017F;tta-<lb/>
gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir ju&#x0364;ng&#x017F;t bey<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en Gelegenheit ge&#x017F;chenkt habe &#x2014; Das Cammer-<lb/>
ma&#x0364;dgen weinte vor Freuden &#x2014; und den gelben, und gru&#x0364;-<lb/>
nen, und &#x017F;chwarzen &#x2026;</p><lb/>
        <p>Es war Zeit, daß der gna&#x0364;dige Herr herein trat, &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wa&#x0364;re die gna&#x0364;dige Frau gar zu weich geworden. Die&#x017F;er<lb/>
machte al&#x017F;o der barmherzigen Strenge ein Ende, und be-<lb/>
&#x017F;timmte dem jungen Brautpaar zu dem Dien&#x017F;te, welchen er<lb/>
ihm gab, ein ja&#x0364;hrliches Gnadengehalt unter der Bedingung<lb/>
des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue &#x017F;eidene<lb/>
fu&#x0364;r die hohen Fe&#x017F;ttage, der gna&#x0364;digen Frau zu Ehren, bey-<lb/>
behalten.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Mo&#x0364;&#x017F;. patr. Phant.</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> D</fw>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0063] Das war der Cammerjungfer recht. Liſette, welche ſich in dieſe Rede gar nicht finden konnte, wuſte nicht, was ſie antworten ſollte, und die gnaͤdige Frau fuhr fort: ich ſehe wohl, Johann iſt dir lieber als ein Ducaten. Nimm ihn alſo, wie ich ihn genommen ha- ben wuͤrde, wenn ich an deiner Stelle geweſen waͤre — Noch hatte das Maͤdchen nicht das Herz, dieſe gute Laune fuͤr Ernſt aufzunehmen — Aber wiſſe, daß er unter kei- ner andern Bedingung Organiſt, und du nicht Frau Or- ganiſtin werden wirſt, als bis ihr euch beyde ſchriftlich an- heiſchig machet, daß du Zeit deines Lebens nicht anders als in einem Rock von Camelot zur Kirche gehen wolleſt. Doch, fuͤgte ſie etwas erweicht hinzu, magſt du auf hohen Feſtta- gen den blauen taftenen Rock, welchen ich dir juͤngſt bey einer gewiſſen Gelegenheit geſchenkt habe — Das Cammer- maͤdgen weinte vor Freuden — und den gelben, und gruͤ- nen, und ſchwarzen … Es war Zeit, daß der gnaͤdige Herr herein trat, ſonſt waͤre die gnaͤdige Frau gar zu weich geworden. Dieſer machte alſo der barmherzigen Strenge ein Ende, und be- ſtimmte dem jungen Brautpaar zu dem Dienſte, welchen er ihm gab, ein jaͤhrliches Gnadengehalt unter der Bedingung des Camelottenen Rocks. Jedoch wurde der blaue ſeidene fuͤr die hohen Feſttage, der gnaͤdigen Frau zu Ehren, bey- behalten. Die Moͤſ. patr. Phant. III. Th. D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/63
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/63>, abgerufen am 24.11.2024.