Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.XVI. Die arme Tante Lore! Man sehe das Schreiben einer betagten Jungfer an Nun will ich die weisen Lehren von meines seligen Bru- Wie *) Das Reglement für die Königl. Preußische allgemeine Wittwen-
Verpflegungsanstalt vom 28. December 1775 enthält hierüber §. 29 folgendes: Um aber dieses Institutum noch gemeinnütziger zu machen; und die Vortheile davon auch unverheyratheten Frauenspersonen zufließen zu lassen, welche öfters bey dem ein- geschränkten Vermögen der Familien ohne alle Versorgung blei- ben: Soll es auch einem Vater verstattet seyn, für seine unver- heyrathete Tochter, einem Oheim für seine Nichte, einem Bru- der für seine Schwester, einem jeden Verwandten für seine Ver- wandtin, und überhaupt einer jeden verheyratheten oder ledigen Mannsperson für eine jede unverheyrathete oder verwitwete Frauensperson eine Pension versichern zu lassen, ja es kann dieses auch die Frauensperson selbst thun, und sich eine Mannsperson erwählen, auf deren Todesfall die Versicherung gestellet werden soll, jedoch darf dieses niemals ohne ausdrückliche Einwilligung der Mannsperson geschehen, als welche ohnehin die sämtlichen erfor XVI. Die arme Tante Lore! Man ſehe das Schreiben einer betagten Jungfer an Nun will ich die weiſen Lehren von meines ſeligen Bru- Wie *) Das Reglement fuͤr die Koͤnigl. Preußiſche allgemeine Wittwen-
Verpflegungsanſtalt vom 28. December 1775 enthaͤlt hieruͤber §. 29 folgendes: Um aber dieſes Inſtitutum noch gemeinnuͤtziger zu machen; und die Vortheile davon auch unverheyratheten Frauensperſonen zufließen zu laſſen, welche oͤfters bey dem ein- geſchraͤnkten Vermoͤgen der Familien ohne alle Verſorgung blei- ben: Soll es auch einem Vater verſtattet ſeyn, fuͤr ſeine unver- heyrathete Tochter, einem Oheim fuͤr ſeine Nichte, einem Bru- der fuͤr ſeine Schweſter, einem jeden Verwandten fuͤr ſeine Ver- wandtin, und uͤberhaupt einer jeden verheyratheten oder ledigen Mannsperſon fuͤr eine jede unverheyrathete oder verwitwete Frauensperſon eine Penſion verſichern zu laſſen, ja es kann dieſes auch die Frauensperſon ſelbſt thun, und ſich eine Mannsperſon erwaͤhlen, auf deren Todesfall die Verſicherung geſtellet werden ſoll, jedoch darf dieſes niemals ohne ausdruͤckliche Einwilligung der Mannsperſon geſchehen, als welche ohnehin die ſaͤmtlichen erfor <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0064" n="50"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XVI.</hi><lb/> Die arme Tante Lore!</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c">Man ſehe das Schreiben einer betagten Jungfer an<lb/> den Stifter der Wittwencaſſe zu **** im<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">n.</hi> 39.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Nun will ich die weiſen Lehren von meines ſeligen Bru-<lb/> dern Tochter, und die haͤmiſchen Anmerkungen aller<lb/> meiner aufgeſchoſſenen Vettern uͤber meine zuſammengeſtop-<lb/> pelte Figur, wie es ihnen zu ſagen beliebt, mit chriſtlicher<lb/> Gedult ertragen, da ich endlich hoͤre, daß in Berlin auch<lb/> fuͤr uns arme Maͤdgen, die keine gluͤckliche Wittwen wer-<lb/> den koͤnnen, geſorgt wird <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Das <hi rendition="#aq">Reglement</hi> fuͤr die Koͤnigl. Preußiſche allgemeine Wittwen-<lb/> Verpflegungsanſtalt vom 28. December 1775 enthaͤlt hieruͤber<lb/> §. 29 folgendes: Um aber dieſes <hi rendition="#aq">Inſtitutum</hi> noch gemeinnuͤtziger<lb/> zu machen; und die Vortheile davon auch unverheyratheten<lb/> Frauensperſonen zufließen zu laſſen, welche oͤfters bey dem ein-<lb/> geſchraͤnkten Vermoͤgen der Familien ohne alle Verſorgung blei-<lb/> ben: Soll es auch einem Vater verſtattet ſeyn, fuͤr ſeine unver-<lb/> heyrathete Tochter, einem Oheim fuͤr ſeine Nichte, einem Bru-<lb/> der fuͤr ſeine Schweſter, einem jeden Verwandten fuͤr ſeine Ver-<lb/> wandtin, und uͤberhaupt einer jeden verheyratheten oder ledigen<lb/> Mannsperſon fuͤr eine jede unverheyrathete oder verwitwete<lb/> Frauensperſon eine Penſion verſichern zu laſſen, ja es kann dieſes<lb/> auch die Frauensperſon ſelbſt thun, und ſich eine Mannsperſon<lb/> erwaͤhlen, auf deren Todesfall die Verſicherung geſtellet werden<lb/> ſoll, jedoch darf dieſes niemals ohne ausdruͤckliche Einwilligung<lb/> der Mannsperſon geſchehen, als welche ohnehin die ſaͤmtlichen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">erfor</fw></note>. Dank ſey es dem groſſen<lb/> Koͤnige, deſſen vaͤterlicher Aufmerkſamkeit auch das geringſte<lb/> nicht entwiſchet, und der unſer Herz, was die Liebe nur<lb/> gar zu leer gelaſſen hat, ganz mit Dankbarkeit ausfuͤllet.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0064]
XVI.
Die arme Tante Lore!
Man ſehe das Schreiben einer betagten Jungfer an
den Stifter der Wittwencaſſe zu **** im
II. Th. n. 39.
Nun will ich die weiſen Lehren von meines ſeligen Bru-
dern Tochter, und die haͤmiſchen Anmerkungen aller
meiner aufgeſchoſſenen Vettern uͤber meine zuſammengeſtop-
pelte Figur, wie es ihnen zu ſagen beliebt, mit chriſtlicher
Gedult ertragen, da ich endlich hoͤre, daß in Berlin auch
fuͤr uns arme Maͤdgen, die keine gluͤckliche Wittwen wer-
den koͤnnen, geſorgt wird *). Dank ſey es dem groſſen
Koͤnige, deſſen vaͤterlicher Aufmerkſamkeit auch das geringſte
nicht entwiſchet, und der unſer Herz, was die Liebe nur
gar zu leer gelaſſen hat, ganz mit Dankbarkeit ausfuͤllet.
Wie
*) Das Reglement fuͤr die Koͤnigl. Preußiſche allgemeine Wittwen-
Verpflegungsanſtalt vom 28. December 1775 enthaͤlt hieruͤber
§. 29 folgendes: Um aber dieſes Inſtitutum noch gemeinnuͤtziger
zu machen; und die Vortheile davon auch unverheyratheten
Frauensperſonen zufließen zu laſſen, welche oͤfters bey dem ein-
geſchraͤnkten Vermoͤgen der Familien ohne alle Verſorgung blei-
ben: Soll es auch einem Vater verſtattet ſeyn, fuͤr ſeine unver-
heyrathete Tochter, einem Oheim fuͤr ſeine Nichte, einem Bru-
der fuͤr ſeine Schweſter, einem jeden Verwandten fuͤr ſeine Ver-
wandtin, und uͤberhaupt einer jeden verheyratheten oder ledigen
Mannsperſon fuͤr eine jede unverheyrathete oder verwitwete
Frauensperſon eine Penſion verſichern zu laſſen, ja es kann dieſes
auch die Frauensperſon ſelbſt thun, und ſich eine Mannsperſon
erwaͤhlen, auf deren Todesfall die Verſicherung geſtellet werden
ſoll, jedoch darf dieſes niemals ohne ausdruͤckliche Einwilligung
der Mannsperſon geſchehen, als welche ohnehin die ſaͤmtlichen
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