Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Das war der Cammerjungfer recht.

Ich weiß nicht, was die Priorin sich immer untersteht,
ihre Leute auf unsre Kosten zu versorgen: hat sie doch letzt-
hin meinen Bedienten, für welchen ich mir von ihr die
Stistsschreiberstelle ausbat, mit der kahlen Endschuldigung
abgewiesen, daß er sich zu spät gemeldet hätte. Nein, Ihr
Johann muß Organist werden, und Lisette ... ja, wenn
das Mensch nur nicht so viel Staat auf dem Leibe hätte.
Es ist ein Unglück mit den Cammerdienern und Cammer-
jungfern; sie gewöhnen sich so sehr den Herrn und die Frau
zu spielen, daß sie hernach in keinem Stande auskommen
können, und bey aller Fürsorge, die man für sie trägt,
dennoch zuletzt betteln müssen.

O! das ist eine sehr wahre Bemerkung, schlos endlich
der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann
nicht Organist, und Lisette nicht Frau Organistin werden
sollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitterstaat zu ver-
kaufen, und sich so zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es
ihnen vorschreiben würden. Was dünkt Ihnen, wenn wir
ihnen für ihre langjährige Dienste ein kleines Gnadengehalt
unter der Bedingung dabey gäben, daß die Frau Organi-
stin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir-
che kommen, widrigenfalls aber sogleich ihr Gnadengehalt
verlieren sollte?

Sie versprach dieses in nähere Ueberlegung zu nehmen;
und klingelte sogleich, wie der Mann weg war, der be-
trübten Lisette, die nun in Erwartung ihres förmlichen Ab-
schiedes mit Zittern herauf kam. Höre, redete sie dieselbe
an, du hast mich diesen Morgen auf eine recht empfind-
liche Art beleidigt, aber ich war selbst Schuld daran, und
hier hast du den Dukaten, den ich dir versprochen habe,
betrachte ihn alle Tage einmal, und -- bleibe immer so
aufrichtig, wie du heute gewesen bist.

Lisette,
Das war der Cammerjungfer recht.

Ich weiß nicht, was die Priorin ſich immer unterſteht,
ihre Leute auf unſre Koſten zu verſorgen: hat ſie doch letzt-
hin meinen Bedienten, fuͤr welchen ich mir von ihr die
Stiſtsſchreiberſtelle ausbat, mit der kahlen Endſchuldigung
abgewieſen, daß er ſich zu ſpaͤt gemeldet haͤtte. Nein, Ihr
Johann muß Organiſt werden, und Liſette … ja, wenn
das Menſch nur nicht ſo viel Staat auf dem Leibe haͤtte.
Es iſt ein Ungluͤck mit den Cammerdienern und Cammer-
jungfern; ſie gewoͤhnen ſich ſo ſehr den Herrn und die Frau
zu ſpielen, daß ſie hernach in keinem Stande auskommen
koͤnnen, und bey aller Fuͤrſorge, die man fuͤr ſie traͤgt,
dennoch zuletzt betteln muͤſſen.

O! das iſt eine ſehr wahre Bemerkung, ſchlos endlich
der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann
nicht Organiſt, und Liſette nicht Frau Organiſtin werden
ſollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitterſtaat zu ver-
kaufen, und ſich ſo zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es
ihnen vorſchreiben wuͤrden. Was duͤnkt Ihnen, wenn wir
ihnen fuͤr ihre langjaͤhrige Dienſte ein kleines Gnadengehalt
unter der Bedingung dabey gaͤben, daß die Frau Organi-
ſtin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir-
che kommen, widrigenfalls aber ſogleich ihr Gnadengehalt
verlieren ſollte?

Sie verſprach dieſes in naͤhere Ueberlegung zu nehmen;
und klingelte ſogleich, wie der Mann weg war, der be-
truͤbten Liſette, die nun in Erwartung ihres foͤrmlichen Ab-
ſchiedes mit Zittern herauf kam. Hoͤre, redete ſie dieſelbe
an, du haſt mich dieſen Morgen auf eine recht empfind-
liche Art beleidigt, aber ich war ſelbſt Schuld daran, und
hier haſt du den Dukaten, den ich dir verſprochen habe,
betrachte ihn alle Tage einmal, und — bleibe immer ſo
aufrichtig, wie du heute geweſen biſt.

Liſette,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0062" n="48"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das war der Cammerjungfer recht.</hi> </fw><lb/>
        <p>Ich weiß nicht, was die Priorin &#x017F;ich immer unter&#x017F;teht,<lb/>
ihre Leute auf un&#x017F;re Ko&#x017F;ten zu ver&#x017F;orgen: hat &#x017F;ie doch letzt-<lb/>
hin meinen Bedienten, fu&#x0364;r welchen ich mir von ihr die<lb/>
Sti&#x017F;ts&#x017F;chreiber&#x017F;telle ausbat, mit der kahlen End&#x017F;chuldigung<lb/>
abgewie&#x017F;en, daß er &#x017F;ich zu &#x017F;pa&#x0364;t gemeldet ha&#x0364;tte. Nein, Ihr<lb/>
Johann muß Organi&#x017F;t werden, und Li&#x017F;ette &#x2026; ja, wenn<lb/>
das Men&#x017F;ch nur nicht &#x017F;o viel Staat auf dem Leibe ha&#x0364;tte.<lb/>
Es i&#x017F;t ein Unglu&#x0364;ck mit den Cammerdienern und Cammer-<lb/>
jungfern; &#x017F;ie gewo&#x0364;hnen &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr den Herrn und die Frau<lb/>
zu &#x017F;pielen, daß &#x017F;ie hernach in keinem Stande auskommen<lb/>
ko&#x0364;nnen, und bey aller Fu&#x0364;r&#x017F;orge, die man fu&#x0364;r &#x017F;ie tra&#x0364;gt,<lb/>
dennoch zuletzt betteln mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>O! das i&#x017F;t eine &#x017F;ehr wahre Bemerkung, &#x017F;chlos endlich<lb/>
der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann<lb/>
nicht Organi&#x017F;t, und Li&#x017F;ette nicht Frau Organi&#x017F;tin werden<lb/>
&#x017F;ollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitter&#x017F;taat zu ver-<lb/>
kaufen, und &#x017F;ich &#x017F;o zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es<lb/>
ihnen vor&#x017F;chreiben wu&#x0364;rden. Was du&#x0364;nkt Ihnen, wenn wir<lb/>
ihnen fu&#x0364;r ihre langja&#x0364;hrige Dien&#x017F;te ein kleines Gnadengehalt<lb/>
unter der Bedingung dabey ga&#x0364;ben, daß die Frau Organi-<lb/>
&#x017F;tin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir-<lb/>
che kommen, widrigenfalls aber &#x017F;ogleich ihr Gnadengehalt<lb/>
verlieren &#x017F;ollte?</p><lb/>
        <p>Sie ver&#x017F;prach die&#x017F;es in na&#x0364;here Ueberlegung zu nehmen;<lb/>
und klingelte &#x017F;ogleich, wie der Mann weg war, der be-<lb/>
tru&#x0364;bten Li&#x017F;ette, die nun in Erwartung ihres fo&#x0364;rmlichen Ab-<lb/>
&#x017F;chiedes mit Zittern herauf kam. Ho&#x0364;re, redete &#x017F;ie die&#x017F;elbe<lb/>
an, du ha&#x017F;t mich die&#x017F;en Morgen auf eine recht empfind-<lb/>
liche Art beleidigt, aber ich war &#x017F;elb&#x017F;t Schuld daran, und<lb/>
hier ha&#x017F;t du den Dukaten, den ich dir ver&#x017F;prochen habe,<lb/>
betrachte ihn alle Tage einmal, und &#x2014; bleibe immer &#x017F;o<lb/>
aufrichtig, wie du heute gewe&#x017F;en bi&#x017F;t.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Li&#x017F;ette,</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0062] Das war der Cammerjungfer recht. Ich weiß nicht, was die Priorin ſich immer unterſteht, ihre Leute auf unſre Koſten zu verſorgen: hat ſie doch letzt- hin meinen Bedienten, fuͤr welchen ich mir von ihr die Stiſtsſchreiberſtelle ausbat, mit der kahlen Endſchuldigung abgewieſen, daß er ſich zu ſpaͤt gemeldet haͤtte. Nein, Ihr Johann muß Organiſt werden, und Liſette … ja, wenn das Menſch nur nicht ſo viel Staat auf dem Leibe haͤtte. Es iſt ein Ungluͤck mit den Cammerdienern und Cammer- jungfern; ſie gewoͤhnen ſich ſo ſehr den Herrn und die Frau zu ſpielen, daß ſie hernach in keinem Stande auskommen koͤnnen, und bey aller Fuͤrſorge, die man fuͤr ſie traͤgt, dennoch zuletzt betteln muͤſſen. O! das iſt eine ſehr wahre Bemerkung, ſchlos endlich der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann nicht Organiſt, und Liſette nicht Frau Organiſtin werden ſollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitterſtaat zu ver- kaufen, und ſich ſo zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es ihnen vorſchreiben wuͤrden. Was duͤnkt Ihnen, wenn wir ihnen fuͤr ihre langjaͤhrige Dienſte ein kleines Gnadengehalt unter der Bedingung dabey gaͤben, daß die Frau Organi- ſtin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir- che kommen, widrigenfalls aber ſogleich ihr Gnadengehalt verlieren ſollte? Sie verſprach dieſes in naͤhere Ueberlegung zu nehmen; und klingelte ſogleich, wie der Mann weg war, der be- truͤbten Liſette, die nun in Erwartung ihres foͤrmlichen Ab- ſchiedes mit Zittern herauf kam. Hoͤre, redete ſie dieſelbe an, du haſt mich dieſen Morgen auf eine recht empfind- liche Art beleidigt, aber ich war ſelbſt Schuld daran, und hier haſt du den Dukaten, den ich dir verſprochen habe, betrachte ihn alle Tage einmal, und — bleibe immer ſo aufrichtig, wie du heute geweſen biſt. Liſette,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/62
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/62>, abgerufen am 28.03.2024.