Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Politik im Unglück.
was sie unternehmen, wird ihnen gerathen; meine Kasse
ist ihnen zu Dienste; mit einer so klugen Einschränkung,
mit einem so entschlossenen Muthe, mit so vieler Einsicht ...
Aber sie unterbrach ihn oft, und schien mit allen diesen
treuherzigen Schmeicheleyen unzufrieden zu seyn, wie ich
aus der Bewegung ihrer Hände wahrnahm, die, was mir
ins Lachen fiel, so eifrig gegen einander giengen, als wenn
sie noch ihren Fächel mit Brillanten darin gehabt hätte.
Was endlich beschlossen wurde, hörte ich nicht; sie dankte
ihm aber auf die verbindlichste Weise, und fuhr mit mir
zurück, da ich sie denn bey ihrer Wirthin, einer Handschu-
macherin absetzte, die ihr sogleich entgegen flog, und sie
auf das liebreichste bewillkommete.

Gute Nacht meine Liebe, sagte sie zu mir! und dieses
will ich auch jetzt zu Ihnen sagen: Also gute Nacht meine
Liebe.



X.

Ich habe gestern den ganzen Abend mit unsrer guten A ..
philosophirt; es ist ein allerliebst vernünftiges Weib.
Wir kamen auf die Schaam, welche eine unglückliche Per-
son in ihrer Erniedrigung insgemein empfindet, und auf
die falschen Mittel, die sie denn ergreift, um ihre Blösse
zu bedecken. Dieses merkte ich wohl, war eine Lieb-
lingsunterredung für sie, weil sie dadurch eine Gelegenheit
erhielt, den Plan ihres ganzen Betragens zu rechtfertigen,
und Unglückliche, wie Sie wissen, thun nichts lieber, als
sich rechtfertigen. Ich will sehen, ob ich den Sinn ihrer
Worte wieder zusammenbringen kann; denn ich wünschte
Ihnen auch ein recht vortheilhaftes Bild von ihr zu ma-
chen. Wenn Sie ihren Wagen zerbrechen, sagte sie zu

mir,

Die Politik im Ungluͤck.
was ſie unternehmen, wird ihnen gerathen; meine Kaſſe
iſt ihnen zu Dienſte; mit einer ſo klugen Einſchraͤnkung,
mit einem ſo entſchloſſenen Muthe, mit ſo vieler Einſicht …
Aber ſie unterbrach ihn oft, und ſchien mit allen dieſen
treuherzigen Schmeicheleyen unzufrieden zu ſeyn, wie ich
aus der Bewegung ihrer Haͤnde wahrnahm, die, was mir
ins Lachen fiel, ſo eifrig gegen einander giengen, als wenn
ſie noch ihren Faͤchel mit Brillanten darin gehabt haͤtte.
Was endlich beſchloſſen wurde, hoͤrte ich nicht; ſie dankte
ihm aber auf die verbindlichſte Weiſe, und fuhr mit mir
zuruͤck, da ich ſie denn bey ihrer Wirthin, einer Handſchu-
macherin abſetzte, die ihr ſogleich entgegen flog, und ſie
auf das liebreichſte bewillkommete.

Gute Nacht meine Liebe, ſagte ſie zu mir! und dieſes
will ich auch jetzt zu Ihnen ſagen: Alſo gute Nacht meine
Liebe.



X.

Ich habe geſtern den ganzen Abend mit unſrer guten A ..
philoſophirt; es iſt ein allerliebſt vernuͤnftiges Weib.
Wir kamen auf die Schaam, welche eine ungluͤckliche Per-
ſon in ihrer Erniedrigung insgemein empfindet, und auf
die falſchen Mittel, die ſie denn ergreift, um ihre Bloͤſſe
zu bedecken. Dieſes merkte ich wohl, war eine Lieb-
lingsunterredung fuͤr ſie, weil ſie dadurch eine Gelegenheit
erhielt, den Plan ihres ganzen Betragens zu rechtfertigen,
und Ungluͤckliche, wie Sie wiſſen, thun nichts lieber, als
ſich rechtfertigen. Ich will ſehen, ob ich den Sinn ihrer
Worte wieder zuſammenbringen kann; denn ich wuͤnſchte
Ihnen auch ein recht vortheilhaftes Bild von ihr zu ma-
chen. Wenn Sie ihren Wagen zerbrechen, ſagte ſie zu

mir,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Politik im Unglu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
was &#x017F;ie unternehmen, wird ihnen gerathen; meine Ka&#x017F;&#x017F;e<lb/>
i&#x017F;t ihnen zu Dien&#x017F;te; mit einer &#x017F;o klugen Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung,<lb/>
mit einem &#x017F;o ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Muthe, mit &#x017F;o vieler Ein&#x017F;icht &#x2026;<lb/>
Aber &#x017F;ie unterbrach ihn oft, und &#x017F;chien mit allen die&#x017F;en<lb/>
treuherzigen Schmeicheleyen unzufrieden zu &#x017F;eyn, wie ich<lb/>
aus der Bewegung ihrer Ha&#x0364;nde wahrnahm, die, was mir<lb/>
ins Lachen fiel, &#x017F;o eifrig gegen einander giengen, als wenn<lb/>
&#x017F;ie noch ihren Fa&#x0364;chel mit Brillanten darin gehabt ha&#x0364;tte.<lb/>
Was endlich be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wurde, ho&#x0364;rte ich nicht; &#x017F;ie dankte<lb/>
ihm aber auf die verbindlich&#x017F;te Wei&#x017F;e, und fuhr mit mir<lb/>
zuru&#x0364;ck, da ich &#x017F;ie denn bey ihrer Wirthin, einer Hand&#x017F;chu-<lb/>
macherin ab&#x017F;etzte, die ihr &#x017F;ogleich entgegen flog, und &#x017F;ie<lb/>
auf das liebreich&#x017F;te bewillkommete.</p><lb/>
          <p>Gute Nacht meine Liebe, &#x017F;agte &#x017F;ie zu mir! und die&#x017F;es<lb/>
will ich auch jetzt zu Ihnen &#x017F;agen: Al&#x017F;o gute Nacht meine<lb/>
Liebe.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">X.</hi> </head><lb/>
          <p>Ich habe ge&#x017F;tern den ganzen Abend mit un&#x017F;rer guten A ..<lb/>
philo&#x017F;ophirt; es i&#x017F;t ein allerlieb&#x017F;t vernu&#x0364;nftiges Weib.<lb/>
Wir kamen auf die Schaam, welche eine unglu&#x0364;ckliche Per-<lb/>
&#x017F;on in ihrer Erniedrigung insgemein empfindet, und auf<lb/>
die fal&#x017F;chen Mittel, die &#x017F;ie denn ergreift, um ihre Blo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu bedecken. Die&#x017F;es merkte ich wohl, war eine Lieb-<lb/>
lingsunterredung fu&#x0364;r &#x017F;ie, weil &#x017F;ie dadurch eine Gelegenheit<lb/>
erhielt, den Plan ihres ganzen Betragens zu rechtfertigen,<lb/>
und Unglu&#x0364;ckliche, wie Sie wi&#x017F;&#x017F;en, thun nichts lieber, als<lb/>
&#x017F;ich rechtfertigen. Ich will &#x017F;ehen, ob ich den Sinn ihrer<lb/>
Worte wieder zu&#x017F;ammenbringen kann; denn ich wu&#x0364;n&#x017F;chte<lb/>
Ihnen auch ein recht vortheilhaftes Bild von ihr zu ma-<lb/>
chen. Wenn Sie ihren Wagen zerbrechen, &#x017F;agte &#x017F;ie zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mir,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0042] Die Politik im Ungluͤck. was ſie unternehmen, wird ihnen gerathen; meine Kaſſe iſt ihnen zu Dienſte; mit einer ſo klugen Einſchraͤnkung, mit einem ſo entſchloſſenen Muthe, mit ſo vieler Einſicht … Aber ſie unterbrach ihn oft, und ſchien mit allen dieſen treuherzigen Schmeicheleyen unzufrieden zu ſeyn, wie ich aus der Bewegung ihrer Haͤnde wahrnahm, die, was mir ins Lachen fiel, ſo eifrig gegen einander giengen, als wenn ſie noch ihren Faͤchel mit Brillanten darin gehabt haͤtte. Was endlich beſchloſſen wurde, hoͤrte ich nicht; ſie dankte ihm aber auf die verbindlichſte Weiſe, und fuhr mit mir zuruͤck, da ich ſie denn bey ihrer Wirthin, einer Handſchu- macherin abſetzte, die ihr ſogleich entgegen flog, und ſie auf das liebreichſte bewillkommete. Gute Nacht meine Liebe, ſagte ſie zu mir! und dieſes will ich auch jetzt zu Ihnen ſagen: Alſo gute Nacht meine Liebe. X. Ich habe geſtern den ganzen Abend mit unſrer guten A .. philoſophirt; es iſt ein allerliebſt vernuͤnftiges Weib. Wir kamen auf die Schaam, welche eine ungluͤckliche Per- ſon in ihrer Erniedrigung insgemein empfindet, und auf die falſchen Mittel, die ſie denn ergreift, um ihre Bloͤſſe zu bedecken. Dieſes merkte ich wohl, war eine Lieb- lingsunterredung fuͤr ſie, weil ſie dadurch eine Gelegenheit erhielt, den Plan ihres ganzen Betragens zu rechtfertigen, und Ungluͤckliche, wie Sie wiſſen, thun nichts lieber, als ſich rechtfertigen. Ich will ſehen, ob ich den Sinn ihrer Worte wieder zuſammenbringen kann; denn ich wuͤnſchte Ihnen auch ein recht vortheilhaftes Bild von ihr zu ma- chen. Wenn Sie ihren Wagen zerbrechen, ſagte ſie zu mir,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/42
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/42>, abgerufen am 19.04.2024.