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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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der sogenannten Hyen, Echten oder Hoden.

Der Bischof hatte nicht Lust den Bericht seiner Räthe,
der gar zu lang gerathen war, weiter zu lesen, (vielleicht
geht es manchen unsrer Leser auch so); und so begnügte
er sich, dem ehemaligen Cammermädchen der Königinn
Richezza ihres Mannes Nachlaß zu schenken, und im übri-
gen die Sache a), da sie sich mit so vielen andern verwi-
ckelte, in dem vorigen Stande zu lassen.



LXVII.
Vom Gläubiger und landsäßigen
Schuldner.

Der dreyßigjährige Krieg hatte so manchen ehrlichen
Mann arm gemacht, daß man in dem darauf er-
folgten westphälischen Frieden Art. VIII. §. 5. den un-
glücklichen Schuldnern zum Besten einen eignen Artikel ein-
rücken muste. Und alle Reichsstände waren hierauf be-
mühet, den Punct ausfindig zu machen, worauf sich Gläu-
biger und Schuldner scheiden sollten.

Der Reichsabschied vom Jahr 1654 verordnete zum
Besten der durch den Krieg verdorbenen Schuldner, daß

ihnen
Seinige lösen lassen; da denn unächte Erben (die nemlich in kei-
ner Echte gestanden) kein Recht zur Ablösung gehabt. Das jus
spolii exuviarum &c.
setzet eine solche Anstalt voraus; und so
wie die custodia hereditatis zuerst dem patri familias nachgelassen
worden: so ist sie auch nachwärts a comite ad Episcopum, ab
Episcopo ad Capitulares &c
gekommen. Auf diese Weise er-
hielte man einen sehr vernünftigen Ursprung des juris mortuarii
vel spolii.
a) Es ist keine Stadt in Deutschland, die nicht ein privilegium
gegen alle Beerbtheilungen habe, woraus viele die alte Leibeigen-
schaft ihrer Einwohner folgern wollen, und insgemein hat der
Stadtschreiber noch ein gutes Pfand von jeder versiegelten Erb-
schaft, eben wie der Meyer von der Erbschaft eines verstorbenen
Hausgenossen, welche er zum Behuf des Hofesherrn beschreibt.
der ſogenannten Hyen, Echten oder Hoden.

Der Biſchof hatte nicht Luſt den Bericht ſeiner Raͤthe,
der gar zu lang gerathen war, weiter zu leſen, (vielleicht
geht es manchen unſrer Leſer auch ſo); und ſo begnuͤgte
er ſich, dem ehemaligen Cammermaͤdchen der Koͤniginn
Richezza ihres Mannes Nachlaß zu ſchenken, und im uͤbri-
gen die Sache a), da ſie ſich mit ſo vielen andern verwi-
ckelte, in dem vorigen Stande zu laſſen.



LXVII.
Vom Glaͤubiger und landſaͤßigen
Schuldner.

Der dreyßigjaͤhrige Krieg hatte ſo manchen ehrlichen
Mann arm gemacht, daß man in dem darauf er-
folgten weſtphaͤliſchen Frieden Art. VIII. §. 5. den un-
gluͤcklichen Schuldnern zum Beſten einen eignen Artikel ein-
ruͤcken muſte. Und alle Reichsſtaͤnde waren hierauf be-
muͤhet, den Punct ausfindig zu machen, worauf ſich Glaͤu-
biger und Schuldner ſcheiden ſollten.

Der Reichsabſchied vom Jahr 1654 verordnete zum
Beſten der durch den Krieg verdorbenen Schuldner, daß

ihnen
Seinige loͤſen laſſen; da denn unaͤchte Erben (die nemlich in kei-
ner Echte geſtanden) kein Recht zur Abloͤſung gehabt. Das jus
ſpolii exuviarum &c.
ſetzet eine ſolche Anſtalt voraus; und ſo
wie die cuſtodia hereditatis zuerſt dem patri familias nachgelaſſen
worden: ſo iſt ſie auch nachwaͤrts a comite ad Epiſcopum, ab
Epiſcopo ad Capitulares &c
gekommen. Auf dieſe Weiſe er-
hielte man einen ſehr vernuͤnftigen Urſprung des juris mortuarii
vel ſpolii.
a) Es iſt keine Stadt in Deutſchland, die nicht ein privilegium
gegen alle Beerbtheilungen habe, woraus viele die alte Leibeigen-
ſchaft ihrer Einwohner folgern wollen, und insgemein hat der
Stadtſchreiber noch ein gutes Pfand von jeder verſiegelten Erb-
ſchaft, eben wie der Meyer von der Erbſchaft eines verſtorbenen
Hausgenoſſen, welche er zum Behuf des Hofesherrn beſchreibt.
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[365/0379] der ſogenannten Hyen, Echten oder Hoden. Der Biſchof hatte nicht Luſt den Bericht ſeiner Raͤthe, der gar zu lang gerathen war, weiter zu leſen, (vielleicht geht es manchen unſrer Leſer auch ſo); und ſo begnuͤgte er ſich, dem ehemaligen Cammermaͤdchen der Koͤniginn Richezza ihres Mannes Nachlaß zu ſchenken, und im uͤbri- gen die Sache a), da ſie ſich mit ſo vielen andern verwi- ckelte, in dem vorigen Stande zu laſſen. LXVII. Vom Glaͤubiger und landſaͤßigen Schuldner. Der dreyßigjaͤhrige Krieg hatte ſo manchen ehrlichen Mann arm gemacht, daß man in dem darauf er- folgten weſtphaͤliſchen Frieden Art. VIII. §. 5. den un- gluͤcklichen Schuldnern zum Beſten einen eignen Artikel ein- ruͤcken muſte. Und alle Reichsſtaͤnde waren hierauf be- muͤhet, den Punct ausfindig zu machen, worauf ſich Glaͤu- biger und Schuldner ſcheiden ſollten. Der Reichsabſchied vom Jahr 1654 verordnete zum Beſten der durch den Krieg verdorbenen Schuldner, daß ihnen a) a) Es iſt keine Stadt in Deutſchland, die nicht ein privilegium gegen alle Beerbtheilungen habe, woraus viele die alte Leibeigen- ſchaft ihrer Einwohner folgern wollen, und insgemein hat der Stadtſchreiber noch ein gutes Pfand von jeder verſiegelten Erb- ſchaft, eben wie der Meyer von der Erbſchaft eines verſtorbenen Hausgenoſſen, welche er zum Behuf des Hofesherrn beſchreibt. a) Seinige loͤſen laſſen; da denn unaͤchte Erben (die nemlich in kei- ner Echte geſtanden) kein Recht zur Abloͤſung gehabt. Das jus ſpolii exuviarum &c. ſetzet eine ſolche Anſtalt voraus; und ſo wie die cuſtodia hereditatis zuerſt dem patri familias nachgelaſſen worden: ſo iſt ſie auch nachwaͤrts a comite ad Epiſcopum, ab Epiſcopo ad Capitulares &c gekommen. Auf dieſe Weiſe er- hielte man einen ſehr vernuͤnftigen Urſprung des juris mortuarii vel ſpolii.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/379>, abgerufen am 29.03.2024.