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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Gedanken von dem Ursprunge und Nutzen
so wäre nichts dagegen zu erinnern gewesen, und jene
Meynung würde unfehlbar den Beyfall, woran es bis
diese Stunde ermangelt, erhalten haben. Auch in den
ältern Zeiten, wo der Reichsvogt die gemeinen Steuren,
als Herbst- und Maybeden, Herbst- und Maygeld, Herbst-
und Mayschatz, welche jetzt als Cammer oder auch wohl
als Gutsherrliche Gefälle, nachdem ihr Ursprung verdun-
kelt ist, angesehen werden, erhoben haben, würde der
Schluß richtig gewesen seyn. Es hat sich also dieses alte
Recht durch jenen unrichtigen Schluß nicht verdrängen lassen,
und kann auch nicht wohl anders dadurch aufgehoben wer-
den, als daß ein zeitiger Landesherr auf den Nachlaß aller
Biesterfreyen Verzicht thut, mithin die Nothwendigkeit sich
in eine Hode zu begeben aufhebt. Dieser Verzicht kann
aber nicht ohne viele Schwierigkeit geschehen, weil die
Necessairfreyheit, die Hausgenossenschaft, das Heerge-
wedde, der vierte Fuß, und verschiedene andere Freyheits-
urkunden, damit eine ganz widrige Bedeutung erhalten
würden, wann ihnen ihre vornehmste Beziehung genom-
men würde a) ....

Der
a) Sobald der Landesherr auf den Sterbfall der Biesterfreyen kein
Recht mehr hat: so braucht auch keiner seine Verlassenschaft auf
den vierten Fuß, auf einen Exuvienthaler oder einen Todtenpfen-
nig zu accordiren. Denn wo das mortuarium ejusque redemtio
aufhört: da fängt so fort die restamentisactio an; und das Gesetz:
Pater familias uti legassi[t] ist eine grössere Epoque der bürgerlichen
Freyheit in Rom, als man insgemein glaubt. Der Bischof
Adolph verknüpfte die Freyheit der testamentifaction mit der
Aufhebung des juris exuviarum; und diese combination wird
man in tausend Fällen finden. Fast sollte man auf den Gedan-
ken gerathen, bey der ersten rohen Vereinigung der Menschen,
hätten die Vorsteher, um Zank, Mord und Todtschlag unter
den Erben zu vermeiden, jedes Mitgliedes Nachlaß ad sequestrum
genommen, und hernach jedem gegen einen gewissen Abzug das
Seinige

Gedanken von dem Urſprunge und Nutzen
ſo waͤre nichts dagegen zu erinnern geweſen, und jene
Meynung wuͤrde unfehlbar den Beyfall, woran es bis
dieſe Stunde ermangelt, erhalten haben. Auch in den
aͤltern Zeiten, wo der Reichsvogt die gemeinen Steuren,
als Herbſt- und Maybeden, Herbſt- und Maygeld, Herbſt-
und Mayſchatz, welche jetzt als Cammer oder auch wohl
als Gutsherrliche Gefaͤlle, nachdem ihr Urſprung verdun-
kelt iſt, angeſehen werden, erhoben haben, wuͤrde der
Schluß richtig geweſen ſeyn. Es hat ſich alſo dieſes alte
Recht durch jenen unrichtigen Schluß nicht verdraͤngen laſſen,
und kann auch nicht wohl anders dadurch aufgehoben wer-
den, als daß ein zeitiger Landesherr auf den Nachlaß aller
Bieſterfreyen Verzicht thut, mithin die Nothwendigkeit ſich
in eine Hode zu begeben aufhebt. Dieſer Verzicht kann
aber nicht ohne viele Schwierigkeit geſchehen, weil die
Neceſſairfreyheit, die Hausgenoſſenſchaft, das Heerge-
wedde, der vierte Fuß, und verſchiedene andere Freyheits-
urkunden, damit eine ganz widrige Bedeutung erhalten
wuͤrden, wann ihnen ihre vornehmſte Beziehung genom-
men wuͤrde a) ....

Der
a) Sobald der Landesherr auf den Sterbfall der Bieſterfreyen kein
Recht mehr hat: ſo braucht auch keiner ſeine Verlaſſenſchaft auf
den vierten Fuß, auf einen Exuvienthaler oder einen Todtenpfen-
nig zu accordiren. Denn wo das mortuarium ejusque redemtio
aufhoͤrt: da faͤngt ſo fort die reſtamentiſactio an; und das Geſetz:
Pater familias uti legaſſi[t] iſt eine groͤſſere Epoque der buͤrgerlichen
Freyheit in Rom, als man insgemein glaubt. Der Biſchof
Adolph verknuͤpfte die Freyheit der teſtamentifaction mit der
Aufhebung des juris exuviarum; und dieſe combination wird
man in tauſend Faͤllen finden. Faſt ſollte man auf den Gedan-
ken gerathen, bey der erſten rohen Vereinigung der Menſchen,
haͤtten die Vorſteher, um Zank, Mord und Todtſchlag unter
den Erben zu vermeiden, jedes Mitgliedes Nachlaß ad ſequeſtrum
genommen, und hernach jedem gegen einen gewiſſen Abzug das
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[364/0378] Gedanken von dem Urſprunge und Nutzen ſo waͤre nichts dagegen zu erinnern geweſen, und jene Meynung wuͤrde unfehlbar den Beyfall, woran es bis dieſe Stunde ermangelt, erhalten haben. Auch in den aͤltern Zeiten, wo der Reichsvogt die gemeinen Steuren, als Herbſt- und Maybeden, Herbſt- und Maygeld, Herbſt- und Mayſchatz, welche jetzt als Cammer oder auch wohl als Gutsherrliche Gefaͤlle, nachdem ihr Urſprung verdun- kelt iſt, angeſehen werden, erhoben haben, wuͤrde der Schluß richtig geweſen ſeyn. Es hat ſich alſo dieſes alte Recht durch jenen unrichtigen Schluß nicht verdraͤngen laſſen, und kann auch nicht wohl anders dadurch aufgehoben wer- den, als daß ein zeitiger Landesherr auf den Nachlaß aller Bieſterfreyen Verzicht thut, mithin die Nothwendigkeit ſich in eine Hode zu begeben aufhebt. Dieſer Verzicht kann aber nicht ohne viele Schwierigkeit geſchehen, weil die Neceſſairfreyheit, die Hausgenoſſenſchaft, das Heerge- wedde, der vierte Fuß, und verſchiedene andere Freyheits- urkunden, damit eine ganz widrige Bedeutung erhalten wuͤrden, wann ihnen ihre vornehmſte Beziehung genom- men wuͤrde a) .... Der a) Sobald der Landesherr auf den Sterbfall der Bieſterfreyen kein Recht mehr hat: ſo braucht auch keiner ſeine Verlaſſenſchaft auf den vierten Fuß, auf einen Exuvienthaler oder einen Todtenpfen- nig zu accordiren. Denn wo das mortuarium ejusque redemtio aufhoͤrt: da faͤngt ſo fort die reſtamentiſactio an; und das Geſetz: Pater familias uti legaſſit iſt eine groͤſſere Epoque der buͤrgerlichen Freyheit in Rom, als man insgemein glaubt. Der Biſchof Adolph verknuͤpfte die Freyheit der teſtamentifaction mit der Aufhebung des juris exuviarum; und dieſe combination wird man in tauſend Faͤllen finden. Faſt ſollte man auf den Gedan- ken gerathen, bey der erſten rohen Vereinigung der Menſchen, haͤtten die Vorſteher, um Zank, Mord und Todtſchlag unter den Erben zu vermeiden, jedes Mitgliedes Nachlaß ad ſequeſtrum genommen, und hernach jedem gegen einen gewiſſen Abzug das Seinige

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/378>, abgerufen am 18.04.2024.