den Hof erben konnte. Dadurch blieb allemal Land und Gebäude unzertrennlich, und fiel auf den Erben des Hofes, oder wenn dieser starb, an den Gutsherrn zurück. Mel- dete sich ein Freyer als Erbe: so trieb ihn der Hoses- oder Gutsherr mit der Ausrede zurück, du bist nicht in meinem Gehör. Und so brauchte er niemals der Besserung halben mit jemanden abzurechnen, eine Berechnung die sonst alles Gute auf einmal umstürzen, und jene Einrichtung zu einer Quelle unsterblicher Processe machen würde.
Der Sterbfall leidet durch die vorgeschlagene Einrich- tung nicht, denn Gebäude und Besserungen gehören eigent- lich nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben müste auch dem Gutsherrn heimfallen, und dieser jedesmal zum Anerben sagen können: alles was dein Vater erworben und hinterlassen, gehöret mir, folglich hast du an nichts Erb- recht. Da er aber dieses nicht sagen kann: so sieht man gleich, daß die Ursache, warum die Gebäude und Besserun- gen dennoch würklich zum Sterbfall gerechnet werden, kei- ne andre, als die Verdunkelung des alten Gehörs sey. Wäre dieses nicht verdunkelt worden: so könnte der Guts- herr, weil er alle freye Erben und alle Gläubiger damit zurück weisen könnte, Bau und Besserung Sterbfallsfrey erkennen. Nun aber und nachdem man den Begriff vom Gehör verlohren, muß er es nothwendig zum Sterbfall rechnen, wo er sich nicht allerley Ansprüchen blos stellen soll; Ansprüche die einzig und allein dem nächsten Erben im Gehör zukommen, mag man der alten oder neuen Rechts- gelehrsamkeit folgen.
Das aber bleibt allemal wahr, daß es schwerer halten werde, solche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem zulänglichen Hofgewehr aufziehen und den Freystamm be- zahlen können, als kleine Heuerleute, die unbesonnen auf
den
Nichts iſt ſchaͤdlicher
den Hof erben konnte. Dadurch blieb allemal Land und Gebaͤude unzertrennlich, und fiel auf den Erben des Hofes, oder wenn dieſer ſtarb, an den Gutsherrn zuruͤck. Mel- dete ſich ein Freyer als Erbe: ſo trieb ihn der Hoſes- oder Gutsherr mit der Ausrede zuruͤck, du biſt nicht in meinem Gehoͤr. Und ſo brauchte er niemals der Beſſerung halben mit jemanden abzurechnen, eine Berechnung die ſonſt alles Gute auf einmal umſtuͤrzen, und jene Einrichtung zu einer Quelle unſterblicher Proceſſe machen wuͤrde.
Der Sterbfall leidet durch die vorgeſchlagene Einrich- tung nicht, denn Gebaͤude und Beſſerungen gehoͤren eigent- lich nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben muͤſte auch dem Gutsherrn heimfallen, und dieſer jedesmal zum Anerben ſagen koͤnnen: alles was dein Vater erworben und hinterlaſſen, gehoͤret mir, folglich haſt du an nichts Erb- recht. Da er aber dieſes nicht ſagen kann: ſo ſieht man gleich, daß die Urſache, warum die Gebaͤude und Beſſerun- gen dennoch wuͤrklich zum Sterbfall gerechnet werden, kei- ne andre, als die Verdunkelung des alten Gehoͤrs ſey. Waͤre dieſes nicht verdunkelt worden: ſo koͤnnte der Guts- herr, weil er alle freye Erben und alle Glaͤubiger damit zuruͤck weiſen koͤnnte, Bau und Beſſerung Sterbfallsfrey erkennen. Nun aber und nachdem man den Begriff vom Gehoͤr verlohren, muß er es nothwendig zum Sterbfall rechnen, wo er ſich nicht allerley Anſpruͤchen blos ſtellen ſoll; Anſpruͤche die einzig und allein dem naͤchſten Erben im Gehoͤr zukommen, mag man der alten oder neuen Rechts- gelehrſamkeit folgen.
Das aber bleibt allemal wahr, daß es ſchwerer halten werde, ſolche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem zulaͤnglichen Hofgewehr aufziehen und den Freyſtamm be- zahlen koͤnnen, als kleine Heuerleute, die unbeſonnen auf
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Nichts iſt ſchaͤdlicher
den Hof erben konnte. Dadurch blieb allemal Land und
Gebaͤude unzertrennlich, und fiel auf den Erben des Hofes,
oder wenn dieſer ſtarb, an den Gutsherrn zuruͤck. Mel-
dete ſich ein Freyer als Erbe: ſo trieb ihn der Hoſes- oder
Gutsherr mit der Ausrede zuruͤck, du biſt nicht in meinem
Gehoͤr. Und ſo brauchte er niemals der Beſſerung halben
mit jemanden abzurechnen, eine Berechnung die ſonſt alles
Gute auf einmal umſtuͤrzen, und jene Einrichtung zu einer
Quelle unſterblicher Proceſſe machen wuͤrde.
Der Sterbfall leidet durch die vorgeſchlagene Einrich-
tung nicht, denn Gebaͤude und Beſſerungen gehoͤren eigent-
lich nicht darunter, oder das Erbrecht des Anerben muͤſte
auch dem Gutsherrn heimfallen, und dieſer jedesmal zum
Anerben ſagen koͤnnen: alles was dein Vater erworben und
hinterlaſſen, gehoͤret mir, folglich haſt du an nichts Erb-
recht. Da er aber dieſes nicht ſagen kann: ſo ſieht man
gleich, daß die Urſache, warum die Gebaͤude und Beſſerun-
gen dennoch wuͤrklich zum Sterbfall gerechnet werden, kei-
ne andre, als die Verdunkelung des alten Gehoͤrs ſey.
Waͤre dieſes nicht verdunkelt worden: ſo koͤnnte der Guts-
herr, weil er alle freye Erben und alle Glaͤubiger damit
zuruͤck weiſen koͤnnte, Bau und Beſſerung Sterbfallsfrey
erkennen. Nun aber und nachdem man den Begriff vom
Gehoͤr verlohren, muß er es nothwendig zum Sterbfall
rechnen, wo er ſich nicht allerley Anſpruͤchen blos ſtellen
ſoll; Anſpruͤche die einzig und allein dem naͤchſten Erben im
Gehoͤr zukommen, mag man der alten oder neuen Rechts-
gelehrſamkeit folgen.
Das aber bleibt allemal wahr, daß es ſchwerer halten
werde, ſolche Wirthe zu bekommen, die gleich mit einem
zulaͤnglichen Hofgewehr aufziehen und den Freyſtamm be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/310>, abgerufen am 22.07.2024.
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