Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

sollten nicht gleich vertheilet werden.
Hafen, wie die jungen noch mit allen 32 Winden kämpf-
ten. Noch ehe der junge Gläubiger, dem zu Gefallen
die Erleichterung geschieht, ins Schiff kam, hatten sie
ihre besten Waaren so gut als gelandet; und diesem der
mit seinem Gute das Schiff überlud, der es zu sinken
zwang, der an aller Unsicherheit Schuld ist, sollte das
Rhodische Gesetz zu statten kommen?

Wie selten suchen oder verlangen überdem die ältern
Gläubiger den Concurs oder den Verkauf eines Guts?
Der Tisch des Schuldners ist ihnen gedeckt, warum soll-
ten sie mehr Gäste dazu bitten als satt werden können?
Wenn sie ja ihre Capitalien zurück haben wollen: so über-
tragen sie solche einem andern, der froh ist eine alte und
sichere Pfandverschreibung einzulösen, oder sie lassen sol-
che stehen, wenn das dafür verpfändete Gut auf das Ge-
schrey eines jungen Gläubigers verkauft wird. Ihnen
ist es eins, ob der Eigner des Guts Titius oder Cajus
heißt, ihre Zinsen folgen ihnen aus dem Gute, und ihr
Vorrecht bleibt ihnen unveränderlich. Blos der junge
unvorsichtige Mann, der zu viel borgte, der vielleicht
seine Assecuranz in einem höhern Zins bezogen, und zum
voraus die Unsicherheit genutzt hat, erregt den Concurs.
Ihm allein zu Gefallen geschieht der Verkauf; um ihn zu
retten wird das Pfand ein, zwey oder dreymahl feil ge-
boten, ein Curator angeordnet, und ein Urtheil gespro-
chen; und zu solchen Unkosten soll der Gläubiger beytra-
gen, der vor hundert Jahren in der vollkommensten Si-
cherheit borgte? Das Hypothekenbuch ruft einem jeden zu,
trau schau wem! Dieser Zuruf ist so gut wie eine öf-
fentliche Protestation der ältern Gläubiger gegen alle jün-
gere; und wenn diese sich daran nicht kehren: so müssen
sie auch ihre Gefahr stehen.

Nur dann, wenn der Concurs über bewegliches Gut,
über ein Waarenlager, oder über andre vergängliche und

dem

ſollten nicht gleich vertheilet werden.
Hafen, wie die jungen noch mit allen 32 Winden kaͤmpf-
ten. Noch ehe der junge Glaͤubiger, dem zu Gefallen
die Erleichterung geſchieht, ins Schiff kam, hatten ſie
ihre beſten Waaren ſo gut als gelandet; und dieſem der
mit ſeinem Gute das Schiff uͤberlud, der es zu ſinken
zwang, der an aller Unſicherheit Schuld iſt, ſollte das
Rhodiſche Geſetz zu ſtatten kommen?

Wie ſelten ſuchen oder verlangen uͤberdem die aͤltern
Glaͤubiger den Concurs oder den Verkauf eines Guts?
Der Tiſch des Schuldners iſt ihnen gedeckt, warum ſoll-
ten ſie mehr Gaͤſte dazu bitten als ſatt werden koͤnnen?
Wenn ſie ja ihre Capitalien zuruͤck haben wollen: ſo uͤber-
tragen ſie ſolche einem andern, der froh iſt eine alte und
ſichere Pfandverſchreibung einzuloͤſen, oder ſie laſſen ſol-
che ſtehen, wenn das dafuͤr verpfaͤndete Gut auf das Ge-
ſchrey eines jungen Glaͤubigers verkauft wird. Ihnen
iſt es eins, ob der Eigner des Guts Titius oder Cajus
heißt, ihre Zinſen folgen ihnen aus dem Gute, und ihr
Vorrecht bleibt ihnen unveraͤnderlich. Blos der junge
unvorſichtige Mann, der zu viel borgte, der vielleicht
ſeine Aſſecuranz in einem hoͤhern Zins bezogen, und zum
voraus die Unſicherheit genutzt hat, erregt den Concurs.
Ihm allein zu Gefallen geſchieht der Verkauf; um ihn zu
retten wird das Pfand ein, zwey oder dreymahl feil ge-
boten, ein Curator angeordnet, und ein Urtheil geſpro-
chen; und zu ſolchen Unkoſten ſoll der Glaͤubiger beytra-
gen, der vor hundert Jahren in der vollkommenſten Si-
cherheit borgte? Das Hypothekenbuch ruft einem jeden zu,
trau ſchau wem! Dieſer Zuruf iſt ſo gut wie eine oͤf-
fentliche Proteſtation der aͤltern Glaͤubiger gegen alle juͤn-
gere; und wenn dieſe ſich daran nicht kehren: ſo muͤſſen
ſie auch ihre Gefahr ſtehen.

Nur dann, wenn der Concurs uͤber bewegliches Gut,
uͤber ein Waarenlager, oder uͤber andre vergaͤngliche und

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">&#x017F;ollten nicht gleich vertheilet werden.</hi></fw><lb/>
Hafen, wie die jungen noch mit allen 32 Winden ka&#x0364;mpf-<lb/>
ten. Noch ehe der junge Gla&#x0364;ubiger, dem zu Gefallen<lb/>
die Erleichterung ge&#x017F;chieht, ins Schiff kam, hatten &#x017F;ie<lb/>
ihre be&#x017F;ten Waaren &#x017F;o gut als gelandet; und die&#x017F;em der<lb/>
mit &#x017F;einem Gute das Schiff u&#x0364;berlud, der es zu &#x017F;inken<lb/>
zwang, der an aller Un&#x017F;icherheit Schuld i&#x017F;t, &#x017F;ollte das<lb/>
Rhodi&#x017F;che Ge&#x017F;etz zu &#x017F;tatten kommen?</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;elten &#x017F;uchen oder verlangen u&#x0364;berdem die a&#x0364;ltern<lb/>
Gla&#x0364;ubiger den Concurs oder den Verkauf eines Guts?<lb/>
Der Ti&#x017F;ch des Schuldners i&#x017F;t ihnen gedeckt, warum &#x017F;oll-<lb/>
ten &#x017F;ie mehr Ga&#x0364;&#x017F;te dazu bitten als &#x017F;att werden ko&#x0364;nnen?<lb/>
Wenn &#x017F;ie ja ihre Capitalien zuru&#x0364;ck haben wollen: &#x017F;o u&#x0364;ber-<lb/>
tragen &#x017F;ie &#x017F;olche einem andern, der froh i&#x017F;t eine alte und<lb/>
&#x017F;ichere Pfandver&#x017F;chreibung einzulo&#x0364;&#x017F;en, oder &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ol-<lb/>
che &#x017F;tehen, wenn das dafu&#x0364;r verpfa&#x0364;ndete Gut auf das Ge-<lb/>
&#x017F;chrey eines jungen Gla&#x0364;ubigers verkauft wird. Ihnen<lb/>
i&#x017F;t es eins, ob der Eigner des Guts Titius oder Cajus<lb/>
heißt, ihre Zin&#x017F;en folgen ihnen aus dem Gute, und ihr<lb/>
Vorrecht bleibt ihnen unvera&#x0364;nderlich. Blos der junge<lb/>
unvor&#x017F;ichtige Mann, der zu viel borgte, der vielleicht<lb/>
&#x017F;eine A&#x017F;&#x017F;ecuranz in einem ho&#x0364;hern Zins bezogen, und zum<lb/>
voraus die Un&#x017F;icherheit genutzt hat, erregt den Concurs.<lb/>
Ihm allein zu Gefallen ge&#x017F;chieht der Verkauf; um ihn zu<lb/>
retten wird das Pfand ein, zwey oder dreymahl feil ge-<lb/>
boten, ein Curator angeordnet, und ein Urtheil ge&#x017F;pro-<lb/>
chen; und zu &#x017F;olchen Unko&#x017F;ten &#x017F;oll der Gla&#x0364;ubiger beytra-<lb/>
gen, der vor hundert Jahren in der vollkommen&#x017F;ten Si-<lb/>
cherheit borgte? Das Hypothekenbuch ruft einem jeden zu,<lb/><hi rendition="#fr">trau &#x017F;chau wem!</hi> Die&#x017F;er Zuruf i&#x017F;t &#x017F;o gut wie eine o&#x0364;f-<lb/>
fentliche Prote&#x017F;tation der a&#x0364;ltern Gla&#x0364;ubiger gegen alle ju&#x0364;n-<lb/>
gere; und wenn die&#x017F;e &#x017F;ich daran nicht kehren: &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie auch ihre Gefahr &#x017F;tehen.</p><lb/>
        <p>Nur dann, wenn der Concurs u&#x0364;ber bewegliches Gut,<lb/>
u&#x0364;ber ein Waarenlager, oder u&#x0364;ber andre verga&#x0364;ngliche und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0267] ſollten nicht gleich vertheilet werden. Hafen, wie die jungen noch mit allen 32 Winden kaͤmpf- ten. Noch ehe der junge Glaͤubiger, dem zu Gefallen die Erleichterung geſchieht, ins Schiff kam, hatten ſie ihre beſten Waaren ſo gut als gelandet; und dieſem der mit ſeinem Gute das Schiff uͤberlud, der es zu ſinken zwang, der an aller Unſicherheit Schuld iſt, ſollte das Rhodiſche Geſetz zu ſtatten kommen? Wie ſelten ſuchen oder verlangen uͤberdem die aͤltern Glaͤubiger den Concurs oder den Verkauf eines Guts? Der Tiſch des Schuldners iſt ihnen gedeckt, warum ſoll- ten ſie mehr Gaͤſte dazu bitten als ſatt werden koͤnnen? Wenn ſie ja ihre Capitalien zuruͤck haben wollen: ſo uͤber- tragen ſie ſolche einem andern, der froh iſt eine alte und ſichere Pfandverſchreibung einzuloͤſen, oder ſie laſſen ſol- che ſtehen, wenn das dafuͤr verpfaͤndete Gut auf das Ge- ſchrey eines jungen Glaͤubigers verkauft wird. Ihnen iſt es eins, ob der Eigner des Guts Titius oder Cajus heißt, ihre Zinſen folgen ihnen aus dem Gute, und ihr Vorrecht bleibt ihnen unveraͤnderlich. Blos der junge unvorſichtige Mann, der zu viel borgte, der vielleicht ſeine Aſſecuranz in einem hoͤhern Zins bezogen, und zum voraus die Unſicherheit genutzt hat, erregt den Concurs. Ihm allein zu Gefallen geſchieht der Verkauf; um ihn zu retten wird das Pfand ein, zwey oder dreymahl feil ge- boten, ein Curator angeordnet, und ein Urtheil geſpro- chen; und zu ſolchen Unkoſten ſoll der Glaͤubiger beytra- gen, der vor hundert Jahren in der vollkommenſten Si- cherheit borgte? Das Hypothekenbuch ruft einem jeden zu, trau ſchau wem! Dieſer Zuruf iſt ſo gut wie eine oͤf- fentliche Proteſtation der aͤltern Glaͤubiger gegen alle juͤn- gere; und wenn dieſe ſich daran nicht kehren: ſo muͤſſen ſie auch ihre Gefahr ſtehen. Nur dann, wenn der Concurs uͤber bewegliches Gut, uͤber ein Waarenlager, oder uͤber andre vergaͤngliche und dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/267
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/267>, abgerufen am 02.05.2024.