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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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zwischen Hörigkeit und Knechtschaft.
nicht erhalten hat, vielleicht, weil es niemand wagte sein
Gehör zu brechen.

Wie man anfieng den Begriff der Hörigkeit zu verlie-
ren, und solche mit der Knechtschaft zu verwechseln, ward
alles was den Namen beneficium und Beneficialrecht führte,
verhaßt; und das Wort feudum behielt die Oberhand.
Jetzt nach dem die Hörigkeit ganz verdunkelt, und blos
das Heergewedde, welches ursprünglich nicht auf der
Treue, sondern einzig und allein auf der Hörigkeit haftete,
mithin nicht bey feudis sondern nur bey beneficiis statt fand,
als eine todte Urkunde davon übrig ist, weiß man von nichts
als von feudis.

Viele nahmen jedoch zuerst Lehne an Dienstmannstatt;
das ist, sie verpflichteten sich zu allem, wozu ein höriger
Mann verbunden seyn konnte, ohne sich jedoch förmlich hö-
rig zu machen. So wie aber der Unterscheid zwischen hö-
rigen
und nicht hörigen aufhörte: so verwandelte sich
auch jene Art von Belehnungen in eine leere Formel. Wo-
zu die Veränderungen im Militairwesen das ihrige mit
beytragen mogten. Blos in Rußland musten die hörigen
Strelitzen mit Gewalt aufgehoben werden. In den übri-
gen Gegenden Europens, die Türkey ausgeschlossen, wo
die Janitscharen noch hörig sind, hat die Zeit alle Hörig-
keit aufgehoben, so daß jetzt die Erbfolge in fcudis wie in
beneficiis für sich geht, und die Erbschaften aus einer Hö-
rigkeit in die andre folgen, außer daß hie und da der un-
huldige
Erbe solche noch mit dem Abzugsgelde lösen muß,
wie in den ältesten Zeiten alle unhörige thun musten, wenn
man sie aus Gnaden dazu ließ. Aus der Leibeigenschaft oder
Knechtschaft wird aber gar kein Erbe verabfolgt, und der
Freygelassene muß darauf, ehe er die Freyheit erlangt, Ver-
zicht thun. Die Erbfolge bey den Römern hatte sich durch

die
N 3

zwiſchen Hoͤrigkeit und Knechtſchaft.
nicht erhalten hat, vielleicht, weil es niemand wagte ſein
Gehoͤr zu brechen.

Wie man anfieng den Begriff der Hoͤrigkeit zu verlie-
ren, und ſolche mit der Knechtſchaft zu verwechſeln, ward
alles was den Namen beneficium und Beneficialrecht fuͤhrte,
verhaßt; und das Wort feudum behielt die Oberhand.
Jetzt nach dem die Hoͤrigkeit ganz verdunkelt, und blos
das Heergewedde, welches urſpruͤnglich nicht auf der
Treue, ſondern einzig und allein auf der Hoͤrigkeit haftete,
mithin nicht bey feudis ſondern nur bey beneficiis ſtatt fand,
als eine todte Urkunde davon uͤbrig iſt, weiß man von nichts
als von feudis.

Viele nahmen jedoch zuerſt Lehne an Dienſtmannſtatt;
das iſt, ſie verpflichteten ſich zu allem, wozu ein hoͤriger
Mann verbunden ſeyn konnte, ohne ſich jedoch foͤrmlich hoͤ-
rig zu machen. So wie aber der Unterſcheid zwiſchen hoͤ-
rigen
und nicht hoͤrigen aufhoͤrte: ſo verwandelte ſich
auch jene Art von Belehnungen in eine leere Formel. Wo-
zu die Veraͤnderungen im Militairweſen das ihrige mit
beytragen mogten. Blos in Rußland muſten die hoͤrigen
Strelitzen mit Gewalt aufgehoben werden. In den uͤbri-
gen Gegenden Europens, die Tuͤrkey ausgeſchloſſen, wo
die Janitſcharen noch hoͤrig ſind, hat die Zeit alle Hoͤrig-
keit aufgehoben, ſo daß jetzt die Erbfolge in fcudis wie in
beneficiis fuͤr ſich geht, und die Erbſchaften aus einer Hoͤ-
rigkeit in die andre folgen, außer daß hie und da der un-
huldige
Erbe ſolche noch mit dem Abzugsgelde loͤſen muß,
wie in den aͤlteſten Zeiten alle unhoͤrige thun muſten, wenn
man ſie aus Gnaden dazu ließ. Aus der Leibeigenſchaft oder
Knechtſchaft wird aber gar kein Erbe verabfolgt, und der
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[197/0211] zwiſchen Hoͤrigkeit und Knechtſchaft. nicht erhalten hat, vielleicht, weil es niemand wagte ſein Gehoͤr zu brechen. Wie man anfieng den Begriff der Hoͤrigkeit zu verlie- ren, und ſolche mit der Knechtſchaft zu verwechſeln, ward alles was den Namen beneficium und Beneficialrecht fuͤhrte, verhaßt; und das Wort feudum behielt die Oberhand. Jetzt nach dem die Hoͤrigkeit ganz verdunkelt, und blos das Heergewedde, welches urſpruͤnglich nicht auf der Treue, ſondern einzig und allein auf der Hoͤrigkeit haftete, mithin nicht bey feudis ſondern nur bey beneficiis ſtatt fand, als eine todte Urkunde davon uͤbrig iſt, weiß man von nichts als von feudis. Viele nahmen jedoch zuerſt Lehne an Dienſtmannſtatt; das iſt, ſie verpflichteten ſich zu allem, wozu ein hoͤriger Mann verbunden ſeyn konnte, ohne ſich jedoch foͤrmlich hoͤ- rig zu machen. So wie aber der Unterſcheid zwiſchen hoͤ- rigen und nicht hoͤrigen aufhoͤrte: ſo verwandelte ſich auch jene Art von Belehnungen in eine leere Formel. Wo- zu die Veraͤnderungen im Militairweſen das ihrige mit beytragen mogten. Blos in Rußland muſten die hoͤrigen Strelitzen mit Gewalt aufgehoben werden. In den uͤbri- gen Gegenden Europens, die Tuͤrkey ausgeſchloſſen, wo die Janitſcharen noch hoͤrig ſind, hat die Zeit alle Hoͤrig- keit aufgehoben, ſo daß jetzt die Erbfolge in fcudis wie in beneficiis fuͤr ſich geht, und die Erbſchaften aus einer Hoͤ- rigkeit in die andre folgen, außer daß hie und da der un- huldige Erbe ſolche noch mit dem Abzugsgelde loͤſen muß, wie in den aͤlteſten Zeiten alle unhoͤrige thun muſten, wenn man ſie aus Gnaden dazu ließ. Aus der Leibeigenſchaft oder Knechtſchaft wird aber gar kein Erbe verabfolgt, und der Freygelaſſene muß darauf, ehe er die Freyheit erlangt, Ver- zicht thun. Die Erbfolge bey den Roͤmern hatte ſich durch die N 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/211>, abgerufen am 19.04.2024.