die beybehaltenen Begriffe der Hörigkeit(Suitatis), und durch die von dem Praetor dagegen erkannte possessiones bonorum dergestalt verwickelt, daß endlich Justinian dieses Recht ganz umschaffen muste. Was hier der Kayser ge- than, hat in Deutschland die Gewohnheit nach und nach verrichtet, und nur bey Hofhörigen und mit Leibeignen be- setzten Gütern zeigen sich noch die ältern Begriffe, welche auch nicht verlassen werden können, ohne die sonderbarste Verwirrung anzurichten.
Diese wenigen Erläuterungen werden hoffentlich zurei- chen, die Wichtigkeit des Unterschiedes zwischen Hörigkeit und Knechtschaft zu zeigen, und besonders auch einen jeden auf die Geschichte der Hörigkeit, welche sich in der Art un- srer Vorfahren zu denken und zu handeln überall zeigt, auf- merksam zu machen. Man wird mir zwar in hundert ein- zelnen Fällen zeigen können, daß der Redegebrauch, ja so- gar Urkunden und Gesetzgeber, Hörigkeit und Knechtschaft, beneficium und feudum, ministeriales und Vasallos, und alles worauf ich sonst jenen Unterscheid gründe, verwechselt haben. Allein die Begriffe von beyden werden in einigen Fällen einander so ähnlich, der Unterschied wird oft so fein, und nach veränderten Umständen unerheblich, die Sprache verläßt einen dabey so sehr, daß man sich bey einzelnen Aus- drücken gar nicht aufhalten, sondern die Theorie im Gros- sen befolgen muß.
LI.
Von dem wichtigen Unterſchied ꝛc.
die beybehaltenen Begriffe der Hoͤrigkeit(Suitatis), und durch die von dem Praetor dagegen erkannte poſſeſſiones bonorum dergeſtalt verwickelt, daß endlich Juſtinian dieſes Recht ganz umſchaffen muſte. Was hier der Kayſer ge- than, hat in Deutſchland die Gewohnheit nach und nach verrichtet, und nur bey Hofhoͤrigen und mit Leibeignen be- ſetzten Guͤtern zeigen ſich noch die aͤltern Begriffe, welche auch nicht verlaſſen werden koͤnnen, ohne die ſonderbarſte Verwirrung anzurichten.
Dieſe wenigen Erlaͤuterungen werden hoffentlich zurei- chen, die Wichtigkeit des Unterſchiedes zwiſchen Hoͤrigkeit und Knechtſchaft zu zeigen, und beſonders auch einen jeden auf die Geſchichte der Hoͤrigkeit, welche ſich in der Art un- ſrer Vorfahren zu denken und zu handeln uͤberall zeigt, auf- merkſam zu machen. Man wird mir zwar in hundert ein- zelnen Faͤllen zeigen koͤnnen, daß der Redegebrauch, ja ſo- gar Urkunden und Geſetzgeber, Hoͤrigkeit und Knechtſchaft, beneficium und feudum, miniſteriales und Vaſallos, und alles worauf ich ſonſt jenen Unterſcheid gruͤnde, verwechſelt haben. Allein die Begriffe von beyden werden in einigen Faͤllen einander ſo aͤhnlich, der Unterſchied wird oft ſo fein, und nach veraͤnderten Umſtaͤnden unerheblich, die Sprache verlaͤßt einen dabey ſo ſehr, daß man ſich bey einzelnen Aus- druͤcken gar nicht aufhalten, ſondern die Theorie im Groſ- ſen befolgen muß.
LI.
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[198/0212]
Von dem wichtigen Unterſchied ꝛc.
die beybehaltenen Begriffe der Hoͤrigkeit (Suitatis), und
durch die von dem Praetor dagegen erkannte poſſeſſiones
bonorum dergeſtalt verwickelt, daß endlich Juſtinian dieſes
Recht ganz umſchaffen muſte. Was hier der Kayſer ge-
than, hat in Deutſchland die Gewohnheit nach und nach
verrichtet, und nur bey Hofhoͤrigen und mit Leibeignen be-
ſetzten Guͤtern zeigen ſich noch die aͤltern Begriffe, welche
auch nicht verlaſſen werden koͤnnen, ohne die ſonderbarſte
Verwirrung anzurichten.
Dieſe wenigen Erlaͤuterungen werden hoffentlich zurei-
chen, die Wichtigkeit des Unterſchiedes zwiſchen Hoͤrigkeit
und Knechtſchaft zu zeigen, und beſonders auch einen jeden
auf die Geſchichte der Hoͤrigkeit, welche ſich in der Art un-
ſrer Vorfahren zu denken und zu handeln uͤberall zeigt, auf-
merkſam zu machen. Man wird mir zwar in hundert ein-
zelnen Faͤllen zeigen koͤnnen, daß der Redegebrauch, ja ſo-
gar Urkunden und Geſetzgeber, Hoͤrigkeit und Knechtſchaft,
beneficium und feudum, miniſteriales und Vaſallos, und
alles worauf ich ſonſt jenen Unterſcheid gruͤnde, verwechſelt
haben. Allein die Begriffe von beyden werden in einigen
Faͤllen einander ſo aͤhnlich, der Unterſchied wird oft ſo fein,
und nach veraͤnderten Umſtaͤnden unerheblich, die Sprache
verlaͤßt einen dabey ſo ſehr, daß man ſich bey einzelnen Aus-
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Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/212>, abgerufen am 27.07.2024.
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