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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Von dem wichtigen Unterschied
einem Pfennig oder Schilling, einsendet. Fällt dann diesem
Kinde hiernächst ein Erbe zu: so muß es zurück kommen, und
sich auch huldig machen. Dann ist es ein höriger und
huldiger Erbe, wie es die Hofrechte nennen. Auch hievon
zeigt sich die Würkung bey den Lehnen. Das Lehn (feu-
dum),
erforderte zuerst weder Hörigkeit noch Hulde, son-
dern blos Treue. Das Lehn (beneficium), hingegen erfor-
derte Hörigkeit und Hulde, unter welchen beyden mächti-
gen Ausdrücken mehr als Treue begriffen war c). Die ge-
sammte Hand
kann in gewissen Fällen eine Wahrung der
Hörigkeit,
und der daraus fließenden Folge ad beneficia
seyn. Sie mogte also auch anfänglich bey den Lehnen (feu-
dis),
nicht statt finden, weil die Treue nicht wie die Hö-
rigkeit
durch Urkunden gewahret werden konnte. In Leh-
nen (benesiciis), konnte Huldigung erfordert werden, nicht
aber in eigentlichen feudis; und die jetzigen Lehnhöfe, wel-
che keinem ein Lehn reichen, der den Huldigungseyd nicht
ablegt, verfahren nach dem jure beneficiali nicht aber dem
eigentlichen feudali.

Man schließt weiter, daß blos der treue Mann eine
Felonie begehen konnte, nicht aber der huldige und hörige.
Für die letztere würde es eine ganz unangemessene Strafe
gewesen seyn, wenn man sie blos ihres Lehns verlustig er-
kläret hätte. Sie sind sich selbst dem Lehnsherrn schuldig,
und musten als Diebe ihrer selbst gestraft werden, wenn sie
ihn verließen. Der alte Bannalist, wenn er aus der ge-
meinen
Kriegerreihe zurück blieb, begieng heerschlitz; der
Freye und auf Treue dienende Mann Felonie; und der
huldige und hörige, der sich seinem Herrn entzog, ohn-
fehlbar ein weit größers Verbrechen, wovon sich der Name

nicht
c) Treue sollte eigentlich nur ein freyer Mann geloben. Cum
res propria nemini serviat.

Von dem wichtigen Unterſchied
einem Pfennig oder Schilling, einſendet. Faͤllt dann dieſem
Kinde hiernaͤchſt ein Erbe zu: ſo muß es zuruͤck kommen, und
ſich auch huldig machen. Dann iſt es ein hoͤriger und
huldiger Erbe, wie es die Hofrechte nennen. Auch hievon
zeigt ſich die Wuͤrkung bey den Lehnen. Das Lehn (feu-
dum),
erforderte zuerſt weder Hoͤrigkeit noch Hulde, ſon-
dern blos Treue. Das Lehn (beneficium), hingegen erfor-
derte Hoͤrigkeit und Hulde, unter welchen beyden maͤchti-
gen Ausdruͤcken mehr als Treue begriffen war c). Die ge-
ſammte Hand
kann in gewiſſen Faͤllen eine Wahrung der
Hoͤrigkeit,
und der daraus fließenden Folge ad beneficia
ſeyn. Sie mogte alſo auch anfaͤnglich bey den Lehnen (feu-
dis),
nicht ſtatt finden, weil die Treue nicht wie die Hoͤ-
rigkeit
durch Urkunden gewahret werden konnte. In Leh-
nen (beneſiciis), konnte Huldigung erfordert werden, nicht
aber in eigentlichen feudis; und die jetzigen Lehnhoͤfe, wel-
che keinem ein Lehn reichen, der den Huldigungseyd nicht
ablegt, verfahren nach dem jure beneficiali nicht aber dem
eigentlichen feudali.

Man ſchließt weiter, daß blos der treue Mann eine
Felonie begehen konnte, nicht aber der huldige und hoͤrige.
Fuͤr die letztere wuͤrde es eine ganz unangemeſſene Strafe
geweſen ſeyn, wenn man ſie blos ihres Lehns verluſtig er-
klaͤret haͤtte. Sie ſind ſich ſelbſt dem Lehnsherrn ſchuldig,
und muſten als Diebe ihrer ſelbſt geſtraft werden, wenn ſie
ihn verließen. Der alte Bannaliſt, wenn er aus der ge-
meinen
Kriegerreihe zuruͤck blieb, begieng heerſchlitz; der
Freye und auf Treue dienende Mann Felonie; und der
huldige und hoͤrige, der ſich ſeinem Herrn entzog, ohn-
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c) Treue ſollte eigentlich nur ein freyer Mann geloben. Cum
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[196/0210] Von dem wichtigen Unterſchied einem Pfennig oder Schilling, einſendet. Faͤllt dann dieſem Kinde hiernaͤchſt ein Erbe zu: ſo muß es zuruͤck kommen, und ſich auch huldig machen. Dann iſt es ein hoͤriger und huldiger Erbe, wie es die Hofrechte nennen. Auch hievon zeigt ſich die Wuͤrkung bey den Lehnen. Das Lehn (feu- dum), erforderte zuerſt weder Hoͤrigkeit noch Hulde, ſon- dern blos Treue. Das Lehn (beneficium), hingegen erfor- derte Hoͤrigkeit und Hulde, unter welchen beyden maͤchti- gen Ausdruͤcken mehr als Treue begriffen war c). Die ge- ſammte Hand kann in gewiſſen Faͤllen eine Wahrung der Hoͤrigkeit, und der daraus fließenden Folge ad beneficia ſeyn. Sie mogte alſo auch anfaͤnglich bey den Lehnen (feu- dis), nicht ſtatt finden, weil die Treue nicht wie die Hoͤ- rigkeit durch Urkunden gewahret werden konnte. In Leh- nen (beneſiciis), konnte Huldigung erfordert werden, nicht aber in eigentlichen feudis; und die jetzigen Lehnhoͤfe, wel- che keinem ein Lehn reichen, der den Huldigungseyd nicht ablegt, verfahren nach dem jure beneficiali nicht aber dem eigentlichen feudali. Man ſchließt weiter, daß blos der treue Mann eine Felonie begehen konnte, nicht aber der huldige und hoͤrige. Fuͤr die letztere wuͤrde es eine ganz unangemeſſene Strafe geweſen ſeyn, wenn man ſie blos ihres Lehns verluſtig er- klaͤret haͤtte. Sie ſind ſich ſelbſt dem Lehnsherrn ſchuldig, und muſten als Diebe ihrer ſelbſt geſtraft werden, wenn ſie ihn verließen. Der alte Bannaliſt, wenn er aus der ge- meinen Kriegerreihe zuruͤck blieb, begieng heerſchlitz; der Freye und auf Treue dienende Mann Felonie; und der huldige und hoͤrige, der ſich ſeinem Herrn entzog, ohn- fehlbar ein weit groͤßers Verbrechen, wovon ſich der Name nicht c) Treue ſollte eigentlich nur ein freyer Mann geloben. Cum res propria nemini ſerviat.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/210>, abgerufen am 18.04.2024.