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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Die erste Landeskasse.

Das Hauptunglück aber hat man der gleich unter Lu-
dewig dem Frommen eingetretenen Veränderung in dem
Kriegesstaat zu dauken. Alle Kayser hatten zwar vor ihm
schon einige Liebe und besonders Getreue in ihrem Gefolge un-
terhalten; auch mochten verschiedene grosse Reichsbeamten
dergleichen in ihrem Dienste gehabt haben. Man hatte aber
doch immer, wenn es zum Kriege kam, den hofgesessenen
Mann, oder den jetzt sogenannten Arrierbann aufgeboten.
Jetzt fieng aber der Kayser, und nach dessen Beyspiel auch
mancher mächtiger Fürst schon an, die Zahl seiner lieben
Getreuen zu vermehren, und damit zu Felde zu ziehen. Es
gieng damit eben wie mit unserer heutigen Militz; da ein
Fürst, der vor zweyhundert Jahren blos eine Leibgarde
von funfzig Mann hatte, jetzt fünftausend hält. Ein an-
deres Unglück war dieses, daß der liebe Getreue, so we-
nig als jetzt der Soldat, dem Hofgesessenen zu Kampfe ste-
hen wollte; und so mit dieser zum Kriege nicht mehr wie
vorhin aufgeboten werden durfte.

Wie also der Krieg oder die Fehde blos mit ausgeson-
derten geübten und bald einen eignen Stand ausmachenden
Männern geführet werden muste, trat auch nothwendig
eine Löhnung ein; und der Bischof, der sich von seinen
Nachbarn oder von einem kayserlichen Grafen und Haupt-
mann nicht beeinträchtigen lassen wollte, muste ebenfalls
einige Getreue anwerben, und auf ihre Bezahlung denken.
Wo er konnte, wandte er sich billig zuerst an den Kasten-
vogt, der als Reichshauptmann schon für sich ein angesehe-
ner Mann war, und ihm, wenn es nicht gegen den Kay-
ser und das Reich gieng, mit Freuden diente, aber --
sich auch sogleich eine Anweisung auf seinen Kasten geben
ließ, und sonach sich selbst bezahlt machte.

War die Noth, worinn der Bischof war, groß: so
reichte das bischöfliche Viertel zur Löhnung nicht hin; der

Pfar-
G 4
Die erſte Landeskaſſe.

Das Hauptungluͤck aber hat man der gleich unter Lu-
dewig dem Frommen eingetretenen Veraͤnderung in dem
Kriegesſtaat zu dauken. Alle Kayſer hatten zwar vor ihm
ſchon einige Liebe und beſonders Getreue in ihrem Gefolge un-
terhalten; auch mochten verſchiedene groſſe Reichsbeamten
dergleichen in ihrem Dienſte gehabt haben. Man hatte aber
doch immer, wenn es zum Kriege kam, den hofgeſeſſenen
Mann, oder den jetzt ſogenannten Arrierbann aufgeboten.
Jetzt fieng aber der Kayſer, und nach deſſen Beyſpiel auch
mancher maͤchtiger Fuͤrſt ſchon an, die Zahl ſeiner lieben
Getreuen zu vermehren, und damit zu Felde zu ziehen. Es
gieng damit eben wie mit unſerer heutigen Militz; da ein
Fuͤrſt, der vor zweyhundert Jahren blos eine Leibgarde
von funfzig Mann hatte, jetzt fuͤnftauſend haͤlt. Ein an-
deres Ungluͤck war dieſes, daß der liebe Getreue, ſo we-
nig als jetzt der Soldat, dem Hofgeſeſſenen zu Kampfe ſte-
hen wollte; und ſo mit dieſer zum Kriege nicht mehr wie
vorhin aufgeboten werden durfte.

Wie alſo der Krieg oder die Fehde blos mit ausgeſon-
derten geuͤbten und bald einen eignen Stand ausmachenden
Maͤnnern gefuͤhret werden muſte, trat auch nothwendig
eine Loͤhnung ein; und der Biſchof, der ſich von ſeinen
Nachbarn oder von einem kayſerlichen Grafen und Haupt-
mann nicht beeintraͤchtigen laſſen wollte, muſte ebenfalls
einige Getreue anwerben, und auf ihre Bezahlung denken.
Wo er konnte, wandte er ſich billig zuerſt an den Kaſten-
vogt, der als Reichshauptmann ſchon fuͤr ſich ein angeſehe-
ner Mann war, und ihm, wenn es nicht gegen den Kay-
ſer und das Reich gieng, mit Freuden diente, aber —
ſich auch ſogleich eine Anweiſung auf ſeinen Kaſten geben
ließ, und ſonach ſich ſelbſt bezahlt machte.

War die Noth, worinn der Biſchof war, groß: ſo
reichte das biſchoͤfliche Viertel zur Loͤhnung nicht hin; der

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[103/0117] Die erſte Landeskaſſe. Das Hauptungluͤck aber hat man der gleich unter Lu- dewig dem Frommen eingetretenen Veraͤnderung in dem Kriegesſtaat zu dauken. Alle Kayſer hatten zwar vor ihm ſchon einige Liebe und beſonders Getreue in ihrem Gefolge un- terhalten; auch mochten verſchiedene groſſe Reichsbeamten dergleichen in ihrem Dienſte gehabt haben. Man hatte aber doch immer, wenn es zum Kriege kam, den hofgeſeſſenen Mann, oder den jetzt ſogenannten Arrierbann aufgeboten. Jetzt fieng aber der Kayſer, und nach deſſen Beyſpiel auch mancher maͤchtiger Fuͤrſt ſchon an, die Zahl ſeiner lieben Getreuen zu vermehren, und damit zu Felde zu ziehen. Es gieng damit eben wie mit unſerer heutigen Militz; da ein Fuͤrſt, der vor zweyhundert Jahren blos eine Leibgarde von funfzig Mann hatte, jetzt fuͤnftauſend haͤlt. Ein an- deres Ungluͤck war dieſes, daß der liebe Getreue, ſo we- nig als jetzt der Soldat, dem Hofgeſeſſenen zu Kampfe ſte- hen wollte; und ſo mit dieſer zum Kriege nicht mehr wie vorhin aufgeboten werden durfte. Wie alſo der Krieg oder die Fehde blos mit ausgeſon- derten geuͤbten und bald einen eignen Stand ausmachenden Maͤnnern gefuͤhret werden muſte, trat auch nothwendig eine Loͤhnung ein; und der Biſchof, der ſich von ſeinen Nachbarn oder von einem kayſerlichen Grafen und Haupt- mann nicht beeintraͤchtigen laſſen wollte, muſte ebenfalls einige Getreue anwerben, und auf ihre Bezahlung denken. Wo er konnte, wandte er ſich billig zuerſt an den Kaſten- vogt, der als Reichshauptmann ſchon fuͤr ſich ein angeſehe- ner Mann war, und ihm, wenn es nicht gegen den Kay- ſer und das Reich gieng, mit Freuden diente, aber — ſich auch ſogleich eine Anweiſung auf ſeinen Kaſten geben ließ, und ſonach ſich ſelbſt bezahlt machte. War die Noth, worinn der Biſchof war, groß: ſo reichte das biſchoͤfliche Viertel zur Loͤhnung nicht hin; der Pfar- G 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/117>, abgerufen am 28.03.2024.