Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Die erste Landeskasse.
wollten, aus einer, zwar dem bischöflichen Banne unterwor-
fenen, jedoch im übrigen dem Kayser getreuen Hand erhal-
ten; und wenn der Bann unkräftig war, vielleicht biswei-
len mit einem ziemlichen Aufschub vorlieb nehmen.
Fünftens muste der Bischof bey dieser Einrichtung noth-
wendig viele Zahlungen durch Anweisungen auf diese oder
jene Kirche, oder welches einerley ist, auf diesen oder je-
nen Kastenvogt verrichten; manchem aber mit einer solchen
Anweisung auf einen unrichtigen oder mächtigen Vogt schlecht
gedient seyn. Ein kluger Gläubiger nahm daher, wenn
es immer möglich war, lieber eine Anweisung auf einen
einzelnen Zehntpflichtigen, als auf den Kastenvogt und die
Politik der Bischöfe gieng von selbst dahin, so bald die Ka-
stenvögte den Bann nicht mehr achteten, diese Art der An-
weisungen zu begünstigen, und damit den Kastenvogt nach
und nach seine Einnahme zu entziehen; endlich und
Sechstens mochten sich zwar auch die Kastenvögte die-
ser Politik widersetzen; es können aber doch auch viele Ur-
sachen eingetreten seyn, welche diese Art der Anweisungen
beförderten.

Wenn man diese natürliche Geschichte der Zehntkasse,
welche in allen Ländern, und überall, wo die Kunst das
Rechnungswesen nicht verfeinert hat, immer eben dieselbe
seyn wird, nur mit einiger Aufmerksamkeit erweget: so
sieht man leicht ein, wie das Schicksal dieser Kasse in einer
Zeit gewesen seyn müsse, wo man wenig Geld hatte, und
die mehrsten Zahlungen in Naturalien verrichtete. Man
sieht leicht ein, daß der Gläubiger, der eine Summe zu
fordern hatte, und für die Renten eine Anweisung auf ei-
nen Zehntpflichtigen erhielt, solchen so leicht nicht wieder-
fahren ließ.

Das
Die erſte Landeskaſſe.
wollten, aus einer, zwar dem biſchoͤflichen Banne unterwor-
fenen, jedoch im uͤbrigen dem Kayſer getreuen Hand erhal-
ten; und wenn der Bann unkraͤftig war, vielleicht biswei-
len mit einem ziemlichen Aufſchub vorlieb nehmen.
Fuͤnftens muſte der Biſchof bey dieſer Einrichtung noth-
wendig viele Zahlungen durch Anweiſungen auf dieſe oder
jene Kirche, oder welches einerley iſt, auf dieſen oder je-
nen Kaſtenvogt verrichten; manchem aber mit einer ſolchen
Anweiſung auf einen unrichtigen oder maͤchtigen Vogt ſchlecht
gedient ſeyn. Ein kluger Glaͤubiger nahm daher, wenn
es immer moͤglich war, lieber eine Anweiſung auf einen
einzelnen Zehntpflichtigen, als auf den Kaſtenvogt und die
Politik der Biſchoͤfe gieng von ſelbſt dahin, ſo bald die Ka-
ſtenvoͤgte den Bann nicht mehr achteten, dieſe Art der An-
weiſungen zu beguͤnſtigen, und damit den Kaſtenvogt nach
und nach ſeine Einnahme zu entziehen; endlich und
Sechſtens mochten ſich zwar auch die Kaſtenvoͤgte die-
ſer Politik widerſetzen; es koͤnnen aber doch auch viele Ur-
ſachen eingetreten ſeyn, welche dieſe Art der Anweiſungen
befoͤrderten.

Wenn man dieſe natuͤrliche Geſchichte der Zehntkaſſe,
welche in allen Laͤndern, und uͤberall, wo die Kunſt das
Rechnungsweſen nicht verfeinert hat, immer eben dieſelbe
ſeyn wird, nur mit einiger Aufmerkſamkeit erweget: ſo
ſieht man leicht ein, wie das Schickſal dieſer Kaſſe in einer
Zeit geweſen ſeyn muͤſſe, wo man wenig Geld hatte, und
die mehrſten Zahlungen in Naturalien verrichtete. Man
ſieht leicht ein, daß der Glaͤubiger, der eine Summe zu
fordern hatte, und fuͤr die Renten eine Anweiſung auf ei-
nen Zehntpflichtigen erhielt, ſolchen ſo leicht nicht wieder-
fahren ließ.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <list>
          <item><pb facs="#f0116" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die er&#x017F;te Landeska&#x017F;&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
wollten, aus einer, zwar dem bi&#x017F;cho&#x0364;flichen Banne unterwor-<lb/>
fenen, jedoch im u&#x0364;brigen dem Kay&#x017F;er getreuen Hand erhal-<lb/>
ten; und wenn der Bann unkra&#x0364;ftig war, vielleicht biswei-<lb/>
len mit einem ziemlichen Auf&#x017F;chub vorlieb nehmen.</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nftens</hi> mu&#x017F;te der Bi&#x017F;chof bey die&#x017F;er Einrichtung noth-<lb/>
wendig viele Zahlungen durch Anwei&#x017F;ungen auf die&#x017F;e oder<lb/>
jene Kirche, oder welches einerley i&#x017F;t, auf die&#x017F;en oder je-<lb/>
nen Ka&#x017F;tenvogt verrichten; manchem aber mit einer &#x017F;olchen<lb/>
Anwei&#x017F;ung auf einen unrichtigen oder ma&#x0364;chtigen Vogt &#x017F;chlecht<lb/>
gedient &#x017F;eyn. Ein kluger Gla&#x0364;ubiger nahm daher, wenn<lb/>
es immer mo&#x0364;glich war, lieber eine Anwei&#x017F;ung auf einen<lb/>
einzelnen Zehntpflichtigen, als auf den Ka&#x017F;tenvogt und die<lb/>
Politik der Bi&#x017F;cho&#x0364;fe gieng von &#x017F;elb&#x017F;t dahin, &#x017F;o bald die Ka-<lb/>
&#x017F;tenvo&#x0364;gte den Bann nicht mehr achteten, die&#x017F;e Art der An-<lb/>
wei&#x017F;ungen zu begu&#x0364;n&#x017F;tigen, und damit den Ka&#x017F;tenvogt nach<lb/>
und nach &#x017F;eine Einnahme zu entziehen; endlich und</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Sech&#x017F;tens</hi> mochten &#x017F;ich zwar auch die Ka&#x017F;tenvo&#x0364;gte die-<lb/>
&#x017F;er Politik wider&#x017F;etzen; es ko&#x0364;nnen aber doch auch viele Ur-<lb/>
&#x017F;achen eingetreten &#x017F;eyn, welche die&#x017F;e Art der Anwei&#x017F;ungen<lb/>
befo&#x0364;rderten.</item>
        </list><lb/>
        <p>Wenn man die&#x017F;e natu&#x0364;rliche Ge&#x017F;chichte der Zehntka&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
welche in allen La&#x0364;ndern, und u&#x0364;berall, wo die Kun&#x017F;t das<lb/>
Rechnungswe&#x017F;en nicht verfeinert hat, immer eben die&#x017F;elbe<lb/>
&#x017F;eyn wird, nur mit einiger Aufmerk&#x017F;amkeit erweget: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ieht man leicht ein, wie das Schick&#x017F;al die&#x017F;er Ka&#x017F;&#x017F;e in einer<lb/>
Zeit gewe&#x017F;en &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wo man wenig Geld hatte, und<lb/>
die mehr&#x017F;ten Zahlungen in Naturalien verrichtete. Man<lb/>
&#x017F;ieht leicht ein, daß der Gla&#x0364;ubiger, der eine Summe zu<lb/>
fordern hatte, und fu&#x0364;r die Renten eine Anwei&#x017F;ung auf ei-<lb/>
nen Zehntpflichtigen erhielt, &#x017F;olchen &#x017F;o leicht nicht wieder-<lb/>
fahren ließ.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0116] Die erſte Landeskaſſe. wollten, aus einer, zwar dem biſchoͤflichen Banne unterwor- fenen, jedoch im uͤbrigen dem Kayſer getreuen Hand erhal- ten; und wenn der Bann unkraͤftig war, vielleicht biswei- len mit einem ziemlichen Aufſchub vorlieb nehmen. Fuͤnftens muſte der Biſchof bey dieſer Einrichtung noth- wendig viele Zahlungen durch Anweiſungen auf dieſe oder jene Kirche, oder welches einerley iſt, auf dieſen oder je- nen Kaſtenvogt verrichten; manchem aber mit einer ſolchen Anweiſung auf einen unrichtigen oder maͤchtigen Vogt ſchlecht gedient ſeyn. Ein kluger Glaͤubiger nahm daher, wenn es immer moͤglich war, lieber eine Anweiſung auf einen einzelnen Zehntpflichtigen, als auf den Kaſtenvogt und die Politik der Biſchoͤfe gieng von ſelbſt dahin, ſo bald die Ka- ſtenvoͤgte den Bann nicht mehr achteten, dieſe Art der An- weiſungen zu beguͤnſtigen, und damit den Kaſtenvogt nach und nach ſeine Einnahme zu entziehen; endlich und Sechſtens mochten ſich zwar auch die Kaſtenvoͤgte die- ſer Politik widerſetzen; es koͤnnen aber doch auch viele Ur- ſachen eingetreten ſeyn, welche dieſe Art der Anweiſungen befoͤrderten. Wenn man dieſe natuͤrliche Geſchichte der Zehntkaſſe, welche in allen Laͤndern, und uͤberall, wo die Kunſt das Rechnungsweſen nicht verfeinert hat, immer eben dieſelbe ſeyn wird, nur mit einiger Aufmerkſamkeit erweget: ſo ſieht man leicht ein, wie das Schickſal dieſer Kaſſe in einer Zeit geweſen ſeyn muͤſſe, wo man wenig Geld hatte, und die mehrſten Zahlungen in Naturalien verrichtete. Man ſieht leicht ein, daß der Glaͤubiger, der eine Summe zu fordern hatte, und fuͤr die Renten eine Anweiſung auf ei- nen Zehntpflichtigen erhielt, ſolchen ſo leicht nicht wieder- fahren ließ. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/116
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/116>, abgerufen am 21.11.2024.