genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen mogte.
Auf der andern Seite, und so bald statt der persönlichen Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zählte und achtete man die Hofämter so sehr nicht mehr, bekümmerte sich auch nicht darum, ob einer mit seinem Koche oder Kellner einen steuer- baren Hof besetzte. Es wurden keine neue Fisch- Krebs- und Gründelfänger, Briefträger, Baumschließer und dergleichen Titel, wodurch sich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit verschaffeten, angesetzt; und man sagte auch sogar den Sol- daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig geistliche als adliche konnten weiter ein steuerbares Gut be- freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut verärgern. Man beurkundete (1709) nun förmlich, daß der Bauer, welcher ein adliches Gut erblich an sich brachte, davon in Absicht der Jagd, die guter maßen zu den persönlichen Freyheiten ge- hörte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden Freyheiten eben so frey wäre als ein Edelmann; und jetzt sind wir an diesem Begriff schon dergestalt gewohnet, daß wir uns sogar wundern, warum es in diesem Falle einer besondern Beurkundung bedurft, und derselbe sich nicht von selbst ver- standen habe.
Der Einfluß dieser neuen Denkungsart gieng noch weiter. Vorhin und so lange die persönliche Freyheit den Hauptbegrif ausmachte, blieb der befreyete Grund in realibus den Gow- gerichtern unterworfen; die auf denselben wohnende unfreyen Personen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht gehörten, veränderten ihren Gerichtszwang nicht; und man findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit- punkte, worinn nach eingeführten Katastern die Realfreyheit endlich den völligen Sieg erhielt, verschiedene Verfügungen,
wor-
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen mogte.
Auf der andern Seite, und ſo bald ſtatt der perſoͤnlichen Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zaͤhlte und achtete man die Hofaͤmter ſo ſehr nicht mehr, bekuͤmmerte ſich auch nicht darum, ob einer mit ſeinem Koche oder Kellner einen ſteuer- baren Hof beſetzte. Es wurden keine neue Fiſch- Krebs- und Gruͤndelfaͤnger, Brieftraͤger, Baumſchließer und dergleichen Titel, wodurch ſich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit verſchaffeten, angeſetzt; und man ſagte auch ſogar den Sol- daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig geiſtliche als adliche konnten weiter ein ſteuerbares Gut be- freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut veraͤrgern. Man beurkundete (1709) nun foͤrmlich, daß der Bauer, welcher ein adliches Gut erblich an ſich brachte, davon in Abſicht der Jagd, die guter maßen zu den perſoͤnlichen Freyheiten ge- hoͤrte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden Freyheiten eben ſo frey waͤre als ein Edelmann; und jetzt ſind wir an dieſem Begriff ſchon dergeſtalt gewohnet, daß wir uns ſogar wundern, warum es in dieſem Falle einer beſondern Beurkundung bedurft, und derſelbe ſich nicht von ſelbſt ver- ſtanden habe.
Der Einfluß dieſer neuen Denkungsart gieng noch weiter. Vorhin und ſo lange die perſoͤnliche Freyheit den Hauptbegrif ausmachte, blieb der befreyete Grund in realibus den Gow- gerichtern unterworfen; die auf denſelben wohnende unfreyen Perſonen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht gehoͤrten, veraͤnderten ihren Gerichtszwang nicht; und man findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit- punkte, worinn nach eingefuͤhrten Kataſtern die Realfreyheit endlich den voͤlligen Sieg erhielt, verſchiedene Verfuͤgungen,
wor-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0352"n="334"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Real- und Perſonalfreyheit.</hi></fw><lb/>
genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen<lb/>
mogte.</p><lb/><p>Auf der andern Seite, und ſo bald ſtatt der perſoͤnlichen<lb/>
Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zaͤhlte und achtete man<lb/>
die Hofaͤmter ſo ſehr nicht mehr, bekuͤmmerte ſich auch nicht<lb/>
darum, ob einer mit ſeinem Koche oder Kellner einen ſteuer-<lb/>
baren Hof beſetzte. Es wurden keine neue Fiſch- Krebs- und<lb/>
Gruͤndelfaͤnger, Brieftraͤger, Baumſchließer und dergleichen<lb/>
Titel, wodurch ſich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit<lb/>
verſchaffeten, angeſetzt; und man ſagte auch ſogar den Sol-<lb/>
daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig<lb/>
geiſtliche als adliche konnten weiter ein ſteuerbares Gut be-<lb/>
freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut veraͤrgern.<lb/>
Man beurkundete (1709) nun foͤrmlich, daß der Bauer,<lb/>
welcher ein adliches Gut erblich an ſich brachte, davon in Abſicht<lb/>
der Jagd, die guter maßen zu den perſoͤnlichen Freyheiten ge-<lb/>
hoͤrte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden<lb/>
Freyheiten eben ſo frey waͤre als ein Edelmann; und jetzt ſind<lb/>
wir an dieſem Begriff ſchon dergeſtalt gewohnet, daß wir uns<lb/>ſogar wundern, warum es in dieſem Falle einer beſondern<lb/>
Beurkundung bedurft, und derſelbe ſich nicht von ſelbſt ver-<lb/>ſtanden habe.</p><lb/><p>Der Einfluß dieſer neuen Denkungsart gieng noch weiter.<lb/>
Vorhin und ſo lange die perſoͤnliche Freyheit den Hauptbegrif<lb/>
ausmachte, blieb der befreyete Grund <hirendition="#aq">in realibus</hi> den Gow-<lb/>
gerichtern unterworfen; die auf denſelben wohnende unfreyen<lb/>
Perſonen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht<lb/>
gehoͤrten, veraͤnderten ihren Gerichtszwang nicht; und man<lb/>
findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit-<lb/>
punkte, worinn nach eingefuͤhrten Kataſtern die Realfreyheit<lb/>
endlich den voͤlligen Sieg erhielt, verſchiedene Verfuͤgungen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wor-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[334/0352]
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen
mogte.
Auf der andern Seite, und ſo bald ſtatt der perſoͤnlichen
Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zaͤhlte und achtete man
die Hofaͤmter ſo ſehr nicht mehr, bekuͤmmerte ſich auch nicht
darum, ob einer mit ſeinem Koche oder Kellner einen ſteuer-
baren Hof beſetzte. Es wurden keine neue Fiſch- Krebs- und
Gruͤndelfaͤnger, Brieftraͤger, Baumſchließer und dergleichen
Titel, wodurch ſich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit
verſchaffeten, angeſetzt; und man ſagte auch ſogar den Sol-
daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig
geiſtliche als adliche konnten weiter ein ſteuerbares Gut be-
freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut veraͤrgern.
Man beurkundete (1709) nun foͤrmlich, daß der Bauer,
welcher ein adliches Gut erblich an ſich brachte, davon in Abſicht
der Jagd, die guter maßen zu den perſoͤnlichen Freyheiten ge-
hoͤrte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden
Freyheiten eben ſo frey waͤre als ein Edelmann; und jetzt ſind
wir an dieſem Begriff ſchon dergeſtalt gewohnet, daß wir uns
ſogar wundern, warum es in dieſem Falle einer beſondern
Beurkundung bedurft, und derſelbe ſich nicht von ſelbſt ver-
ſtanden habe.
Der Einfluß dieſer neuen Denkungsart gieng noch weiter.
Vorhin und ſo lange die perſoͤnliche Freyheit den Hauptbegrif
ausmachte, blieb der befreyete Grund in realibus den Gow-
gerichtern unterworfen; die auf denſelben wohnende unfreyen
Perſonen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht
gehoͤrten, veraͤnderten ihren Gerichtszwang nicht; und man
findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit-
punkte, worinn nach eingefuͤhrten Kataſtern die Realfreyheit
endlich den voͤlligen Sieg erhielt, verſchiedene Verfuͤgungen,
wor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/352>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.