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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Von der Real- und Personalfreyheit.
worinn der alte Begrif mit dem neuen kämpft, und die Ge-
richter, welche diese Veränderungen in dem politischen Sy-
stem und dieses allmählig entstandene neue Gebäude nicht so
bald erkannten, sich in ihren Entscheidungen gar nicht zu hel-
fen wußten; besonders die Untergerichter, welche ihren Ver-
lust täglich sahen, und gar nicht wußten wie das zugieng. Die
Natur, welche nun das ganze System der Realfreyheit mit
aller Macht zu seiner Vollkommenheit bringen wollte, warf
die Ruinen der alten Dämme, welche noch von der Personal-
freyheit übrig waren, auf die Seite, und überraschte die Rechts-
gelehrten so noch vom Verbauern, träumten, und zu jeder
Freyheit einen persönlichen Titel erforderten. Ihren letzten
Glanz zeigte die Personenfreyheit bey Errichtung der Kata-
ster, wo man allerley persönliche Titel aufgeführt und viele
Jägerhäuser benannt sieht, welche unter diesem Namen die
Steuerfreyheit fordern.

Es ist eine sehr wichtige Frage: ob die alte oder neue Art
zu befreyen die beste gewesen? Unsre Vorfahren stelleten sich
vor, jeder Acker liege gleichsam an einem Strome, und jeder
sey einmahl zu seiner Selbsterhaltung, sodann aber auch durch
die gesellschaftliche Verbindung, worinn ihn die Noth versetzt
hätte, verpflichtet, sein Ufer gegen den Strom zu verthei-
digen. Würden einige von ihnen erfordert, um das Vater-
land auf der andern Seite zu vertheidigen: so wären diese
zwar für das Jahr frey; diese Freyheit komme aber dem
Grunde nie zu statten, und die Nachbaren müsten für die
abwesenden Krieger das Ufer machen. Der Acker des Man-
nes der am Altar für die Gemeinde betete, müsse sich eben-
falls gegen den Strom wehren, ob er gleich selbst durch seinen
edlern Dienst verhindert würde Hand mit anzulegen. Nach
diesem Begriffe kannten sie gar keinen freyen Grund und Bo-
den, sondern rechneten alle Freyheit der Person zu, die wenn

sie

Von der Real- und Perſonalfreyheit.
worinn der alte Begrif mit dem neuen kaͤmpft, und die Ge-
richter, welche dieſe Veraͤnderungen in dem politiſchen Sy-
ſtem und dieſes allmaͤhlig entſtandene neue Gebaͤude nicht ſo
bald erkannten, ſich in ihren Entſcheidungen gar nicht zu hel-
fen wußten; beſonders die Untergerichter, welche ihren Ver-
luſt taͤglich ſahen, und gar nicht wußten wie das zugieng. Die
Natur, welche nun das ganze Syſtem der Realfreyheit mit
aller Macht zu ſeiner Vollkommenheit bringen wollte, warf
die Ruinen der alten Daͤmme, welche noch von der Perſonal-
freyheit uͤbrig waren, auf die Seite, und uͤberraſchte die Rechts-
gelehrten ſo noch vom Verbauern, traͤumten, und zu jeder
Freyheit einen perſoͤnlichen Titel erforderten. Ihren letzten
Glanz zeigte die Perſonenfreyheit bey Errichtung der Kata-
ſter, wo man allerley perſoͤnliche Titel aufgefuͤhrt und viele
Jaͤgerhaͤuſer benannt ſieht, welche unter dieſem Namen die
Steuerfreyheit fordern.

Es iſt eine ſehr wichtige Frage: ob die alte oder neue Art
zu befreyen die beſte geweſen? Unſre Vorfahren ſtelleten ſich
vor, jeder Acker liege gleichſam an einem Strome, und jeder
ſey einmahl zu ſeiner Selbſterhaltung, ſodann aber auch durch
die geſellſchaftliche Verbindung, worinn ihn die Noth verſetzt
haͤtte, verpflichtet, ſein Ufer gegen den Strom zu verthei-
digen. Wuͤrden einige von ihnen erfordert, um das Vater-
land auf der andern Seite zu vertheidigen: ſo waͤren dieſe
zwar fuͤr das Jahr frey; dieſe Freyheit komme aber dem
Grunde nie zu ſtatten, und die Nachbaren muͤſten fuͤr die
abweſenden Krieger das Ufer machen. Der Acker des Man-
nes der am Altar fuͤr die Gemeinde betete, muͤſſe ſich eben-
falls gegen den Strom wehren, ob er gleich ſelbſt durch ſeinen
edlern Dienſt verhindert wuͤrde Hand mit anzulegen. Nach
dieſem Begriffe kannten ſie gar keinen freyen Grund und Bo-
den, ſondern rechneten alle Freyheit der Perſon zu, die wenn

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[335/0353] Von der Real- und Perſonalfreyheit. worinn der alte Begrif mit dem neuen kaͤmpft, und die Ge- richter, welche dieſe Veraͤnderungen in dem politiſchen Sy- ſtem und dieſes allmaͤhlig entſtandene neue Gebaͤude nicht ſo bald erkannten, ſich in ihren Entſcheidungen gar nicht zu hel- fen wußten; beſonders die Untergerichter, welche ihren Ver- luſt taͤglich ſahen, und gar nicht wußten wie das zugieng. Die Natur, welche nun das ganze Syſtem der Realfreyheit mit aller Macht zu ſeiner Vollkommenheit bringen wollte, warf die Ruinen der alten Daͤmme, welche noch von der Perſonal- freyheit uͤbrig waren, auf die Seite, und uͤberraſchte die Rechts- gelehrten ſo noch vom Verbauern, traͤumten, und zu jeder Freyheit einen perſoͤnlichen Titel erforderten. Ihren letzten Glanz zeigte die Perſonenfreyheit bey Errichtung der Kata- ſter, wo man allerley perſoͤnliche Titel aufgefuͤhrt und viele Jaͤgerhaͤuſer benannt ſieht, welche unter dieſem Namen die Steuerfreyheit fordern. Es iſt eine ſehr wichtige Frage: ob die alte oder neue Art zu befreyen die beſte geweſen? Unſre Vorfahren ſtelleten ſich vor, jeder Acker liege gleichſam an einem Strome, und jeder ſey einmahl zu ſeiner Selbſterhaltung, ſodann aber auch durch die geſellſchaftliche Verbindung, worinn ihn die Noth verſetzt haͤtte, verpflichtet, ſein Ufer gegen den Strom zu verthei- digen. Wuͤrden einige von ihnen erfordert, um das Vater- land auf der andern Seite zu vertheidigen: ſo waͤren dieſe zwar fuͤr das Jahr frey; dieſe Freyheit komme aber dem Grunde nie zu ſtatten, und die Nachbaren muͤſten fuͤr die abweſenden Krieger das Ufer machen. Der Acker des Man- nes der am Altar fuͤr die Gemeinde betete, muͤſſe ſich eben- falls gegen den Strom wehren, ob er gleich ſelbſt durch ſeinen edlern Dienſt verhindert wuͤrde Hand mit anzulegen. Nach dieſem Begriffe kannten ſie gar keinen freyen Grund und Bo- den, ſondern rechneten alle Freyheit der Perſon zu, die wenn ſie

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/353>, abgerufen am 24.11.2024.