Man kan sich leicht vorstellen, daß der Uebergang von der einen Art zu denken und zu handeln zur andern, unendliche Verwickelungen mit sich geführet habe; und die Geschichte dieses Uebergangs macht einen wahren Theil der Staats- geschichte aus. Wie man blos den Begrif hatte, daß der Dienst des Besitzers den Hof welchen er bewohnte, frey machte, kam es nothwendig sehr viel darauf an, was für Be- diente einer halten mochte, und welche einer Freyheit genießen sollten. Carl der Große beschwerte sich schon darüber, daß verschiedene große Reichsbeamte, allen und jeden die sich ihnen nur unter irgend einem Vorwande verpflichteten, unter dem Tittel von Dienstleuten und gebrodeten Dienern die Freyheit vom Auszuge verschaffen wollten. a) Und wenn man in den Urkunden findet mansus coqui, mansus praeconis: so kan wan diese Benennungen sicher so auslegen, daß der Bischof oder Graf diese mansos von der Reichsfolge befreyet habe, weil er sie mit seinem Koche und Frohnen besetzt hatte. Es führte aber dieses nothwendig zu Bestimmung einer gewissen Anzahl von Bedienten, damit ein Herr nicht zuletzt zehn Köche und zehn Frohnen halten, mit hin alle Eingesessene sei- nes Kirchspiels auf diese Art befreyen mochte. Vielleicht liegt hierin auch der Grund, warum es ehedem insgemein nur vier und keine mehrere Hofämter gab. Eine Regel mußte allemahl hierüber vorhanden seyn; denn was dem einen Bi- schoffe oder Grafen Recht war, das war dem andern kein Un- recht. Und so wurden die Bediente frühzeitig mit Namen
ge-
a)Episcopi & Abbates sive comites dimittunt eorum liberos homines ad casam sub nomine ministeria- lium. Hi sunt falconarii, venatores, teleonarii, praepositi (Vogte) Decani (Bauerrichter, nach unsrer Art zu reden) & alii qui missos recipiunt & eorum sequentes. Capit. de ao 811.
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
Man kan ſich leicht vorſtellen, daß der Uebergang von der einen Art zu denken und zu handeln zur andern, unendliche Verwickelungen mit ſich gefuͤhret habe; und die Geſchichte dieſes Uebergangs macht einen wahren Theil der Staats- geſchichte aus. Wie man blos den Begrif hatte, daß der Dienſt des Beſitzers den Hof welchen er bewohnte, frey machte, kam es nothwendig ſehr viel darauf an, was fuͤr Be- diente einer halten mochte, und welche einer Freyheit genießen ſollten. Carl der Große beſchwerte ſich ſchon daruͤber, daß verſchiedene große Reichsbeamte, allen und jeden die ſich ihnen nur unter irgend einem Vorwande verpflichteten, unter dem Tittel von Dienſtleuten und gebrodeten Dienern die Freyheit vom Auszuge verſchaffen wollten. a) Und wenn man in den Urkunden findet manſus coqui, manſus præconis: ſo kan wan dieſe Benennungen ſicher ſo auslegen, daß der Biſchof oder Graf dieſe manſos von der Reichsfolge befreyet habe, weil er ſie mit ſeinem Koche und Frohnen beſetzt hatte. Es fuͤhrte aber dieſes nothwendig zu Beſtimmung einer gewiſſen Anzahl von Bedienten, damit ein Herr nicht zuletzt zehn Koͤche und zehn Frohnen halten, mit hin alle Eingeſeſſene ſei- nes Kirchſpiels auf dieſe Art befreyen mochte. Vielleicht liegt hierin auch der Grund, warum es ehedem insgemein nur vier und keine mehrere Hofaͤmter gab. Eine Regel mußte allemahl hieruͤber vorhanden ſeyn; denn was dem einen Bi- ſchoffe oder Grafen Recht war, das war dem andern kein Un- recht. Und ſo wurden die Bediente fruͤhzeitig mit Namen
ge-
a)Epiſcopi & Abbates ſive comites dimittunt eorum liberos homines ad caſam ſub nomine miniſteria- lium. Hi ſunt falconarii, venatores, teleonarii, præpoſiti (Vogte) Decani (Bauerrichter, nach unſrer Art zu reden) & alii qui miſſos recipiunt & eorum ſequentes. Capit. de ao 811.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0351"n="333"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Real- und Perſonalfreyheit.</hi></fw><lb/><p>Man kan ſich leicht vorſtellen, daß der Uebergang von der<lb/>
einen Art zu denken und zu handeln zur andern, unendliche<lb/>
Verwickelungen mit ſich gefuͤhret habe; und die Geſchichte<lb/>
dieſes Uebergangs macht einen wahren Theil der Staats-<lb/>
geſchichte aus. Wie man blos den Begrif hatte, daß der<lb/>
Dienſt des Beſitzers den Hof welchen er bewohnte, frey<lb/>
machte, kam es nothwendig ſehr viel darauf an, was fuͤr Be-<lb/>
diente einer halten mochte, und welche einer Freyheit genießen<lb/>ſollten. Carl der Große beſchwerte ſich ſchon daruͤber, daß<lb/>
verſchiedene große Reichsbeamte, allen und jeden die ſich ihnen<lb/>
nur unter irgend einem Vorwande verpflichteten, unter dem<lb/>
Tittel von Dienſtleuten und gebrodeten Dienern die Freyheit<lb/>
vom Auszuge verſchaffen wollten. <noteplace="foot"n="a)"><hirendition="#aq">Epiſcopi & Abbates ſive comites dimittunt eorum<lb/>
liberos homines ad caſam ſub nomine miniſteria-<lb/>
lium. Hi ſunt falconarii, venatores, teleonarii,<lb/>
præpoſiti</hi> (Vogte) <hirendition="#aq">Decani</hi> (Bauerrichter, nach unſrer<lb/>
Art zu reden) <hirendition="#aq">& alii qui miſſos recipiunt & eorum<lb/>ſequentes. Capit. de ao</hi> 811.</note> Und wenn man in den<lb/>
Urkunden findet <hirendition="#aq">manſus coqui, manſus præconis:</hi>ſo kan<lb/>
wan dieſe Benennungen ſicher ſo auslegen, daß der Biſchof<lb/>
oder Graf dieſe <hirendition="#aq">manſos</hi> von der Reichsfolge befreyet habe,<lb/>
weil er ſie mit ſeinem Koche und Frohnen beſetzt hatte. Es<lb/>
fuͤhrte aber dieſes nothwendig zu Beſtimmung einer gewiſſen<lb/>
Anzahl von Bedienten, damit ein Herr nicht zuletzt zehn<lb/>
Koͤche und zehn Frohnen halten, mit hin alle Eingeſeſſene ſei-<lb/>
nes Kirchſpiels auf dieſe Art befreyen mochte. Vielleicht liegt<lb/>
hierin auch der Grund, warum es ehedem insgemein nur<lb/>
vier und keine mehrere Hofaͤmter gab. Eine Regel mußte<lb/>
allemahl hieruͤber vorhanden ſeyn; denn was dem einen Bi-<lb/>ſchoffe oder Grafen Recht war, das war dem andern kein Un-<lb/>
recht. Und ſo wurden die Bediente fruͤhzeitig mit Namen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ge-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[333/0351]
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
Man kan ſich leicht vorſtellen, daß der Uebergang von der
einen Art zu denken und zu handeln zur andern, unendliche
Verwickelungen mit ſich gefuͤhret habe; und die Geſchichte
dieſes Uebergangs macht einen wahren Theil der Staats-
geſchichte aus. Wie man blos den Begrif hatte, daß der
Dienſt des Beſitzers den Hof welchen er bewohnte, frey
machte, kam es nothwendig ſehr viel darauf an, was fuͤr Be-
diente einer halten mochte, und welche einer Freyheit genießen
ſollten. Carl der Große beſchwerte ſich ſchon daruͤber, daß
verſchiedene große Reichsbeamte, allen und jeden die ſich ihnen
nur unter irgend einem Vorwande verpflichteten, unter dem
Tittel von Dienſtleuten und gebrodeten Dienern die Freyheit
vom Auszuge verſchaffen wollten. a) Und wenn man in den
Urkunden findet manſus coqui, manſus præconis: ſo kan
wan dieſe Benennungen ſicher ſo auslegen, daß der Biſchof
oder Graf dieſe manſos von der Reichsfolge befreyet habe,
weil er ſie mit ſeinem Koche und Frohnen beſetzt hatte. Es
fuͤhrte aber dieſes nothwendig zu Beſtimmung einer gewiſſen
Anzahl von Bedienten, damit ein Herr nicht zuletzt zehn
Koͤche und zehn Frohnen halten, mit hin alle Eingeſeſſene ſei-
nes Kirchſpiels auf dieſe Art befreyen mochte. Vielleicht liegt
hierin auch der Grund, warum es ehedem insgemein nur
vier und keine mehrere Hofaͤmter gab. Eine Regel mußte
allemahl hieruͤber vorhanden ſeyn; denn was dem einen Bi-
ſchoffe oder Grafen Recht war, das war dem andern kein Un-
recht. Und ſo wurden die Bediente fruͤhzeitig mit Namen
ge-
a) Epiſcopi & Abbates ſive comites dimittunt eorum
liberos homines ad caſam ſub nomine miniſteria-
lium. Hi ſunt falconarii, venatores, teleonarii,
præpoſiti (Vogte) Decani (Bauerrichter, nach unſrer
Art zu reden) & alii qui miſſos recipiunt & eorum
ſequentes. Capit. de ao 811.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/351>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.