Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

der sogenandten Hyen, Echten oder Hoden.
den Beamten vorgebracht hatte. Dieser war weit entfernt,
sich mit einer so traurigen Erbschaft zu bereichern. Inzwi-
schen reizte ihn doch seine Wißbegierde sich über den Ursprung
und den Nutzen der Hoden, Hyen oder Echten, und von
der Ursache der Biesterfreyheit näher unterrichten zu lassen.

Gnädigster Herr, berichteten diese, man hat ehedem von
Territorien und Territorialunterthanen nichts gewust. a) Man
kannte den Grundsatz nicht, daß derjenige, der sich auf diesen
oder jenen Theil des deutschen Reichsbodens setzte, sofort
mit der Luft die Oberherrschaft desjenigen Reichsbeamten
erkannte, in dessen Amtsbezirk er sich niederließ. Es gieng
damals auf dem Lande, wie noch jetzt in den Städten, worin
nicht alle so zwischen den Mauren wohnen, das Bürgerrecht
haben, sondern nur diejenigen, die solches ausdrücklich neh-
men und gewinnen. Die sämtlichen Eingesessene eines Lan-
des theilten sich also überhaupt in solche welche das Untertha-
nenrecht genommen oder gewonnen, und solche welche es nicht
gewonnen hatten.

Diejenigen welche es gewonnen hatten, genossen der Rechte
und Wohlthaten, welche der Classe, worin sie sich begeben
hatten, zukamen; und der oberste dieser Classe, oder der

Schutz-
a) Dieser Begrif hängt uns jetzt immer nach; und wir sind zu
bekannt mit ihm geworden, um ihn gänzlich zu vergessen.
Allein wer die alte Verfassung beurtheilen will, muß
schlechterdings an keine Länder, Landesunterthanen und
Landesordnung denken. Wie eifrig war man in alten
Zeiten auf die Huldigungen, wie man nach eines jeden
Menschen Einwilligung in die Unterthanen Pflicht für nö-
thig hielt. Jetzt da der Boden Unterthanen macht, hält
man die Huldigung der Bauern für eine überflüssige
Ceremonie.

der ſogenandten Hyen, Echten oder Hoden.
den Beamten vorgebracht hatte. Dieſer war weit entfernt,
ſich mit einer ſo traurigen Erbſchaft zu bereichern. Inzwi-
ſchen reizte ihn doch ſeine Wißbegierde ſich uͤber den Urſprung
und den Nutzen der Hoden, Hyen oder Echten, und von
der Urſache der Bieſterfreyheit naͤher unterrichten zu laſſen.

Gnaͤdigſter Herr, berichteten dieſe, man hat ehedem von
Territorien und Territorialunterthanen nichts gewuſt. a) Man
kannte den Grundſatz nicht, daß derjenige, der ſich auf dieſen
oder jenen Theil des deutſchen Reichsbodens ſetzte, ſofort
mit der Luft die Oberherrſchaft desjenigen Reichsbeamten
erkannte, in deſſen Amtsbezirk er ſich niederließ. Es gieng
damals auf dem Lande, wie noch jetzt in den Staͤdten, worin
nicht alle ſo zwiſchen den Mauren wohnen, das Buͤrgerrecht
haben, ſondern nur diejenigen, die ſolches ausdruͤcklich neh-
men und gewinnen. Die ſaͤmtlichen Eingeſeſſene eines Lan-
des theilten ſich alſo uͤberhaupt in ſolche welche das Untertha-
nenrecht genommen oder gewonnen, und ſolche welche es nicht
gewonnen hatten.

Diejenigen welche es gewonnen hatten, genoſſen der Rechte
und Wohlthaten, welche der Claſſe, worin ſie ſich begeben
hatten, zukamen; und der oberſte dieſer Claſſe, oder der

Schutz-
a) Dieſer Begrif haͤngt uns jetzt immer nach; und wir ſind zu
bekannt mit ihm geworden, um ihn gaͤnzlich zu vergeſſen.
Allein wer die alte Verfaſſung beurtheilen will, muß
ſchlechterdings an keine Laͤnder, Landesunterthanen und
Landesordnung denken. Wie eifrig war man in alten
Zeiten auf die Huldigungen, wie man nach eines jeden
Menſchen Einwilligung in die Unterthanen Pflicht fuͤr noͤ-
thig hielt. Jetzt da der Boden Unterthanen macht, haͤlt
man die Huldigung der Bauern fuͤr eine uͤberfluͤſſige
Ceremonie.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="189"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der &#x017F;ogenandten Hyen, Echten oder Hoden.</hi></fw><lb/>
den Beamten vorgebracht hatte. Die&#x017F;er war weit entfernt,<lb/>
&#x017F;ich mit einer &#x017F;o traurigen Erb&#x017F;chaft zu bereichern. Inzwi-<lb/>
&#x017F;chen reizte ihn doch &#x017F;eine Wißbegierde &#x017F;ich u&#x0364;ber den Ur&#x017F;prung<lb/>
und den Nutzen der <hi rendition="#fr">Hoden, Hyen oder Echten,</hi> und von<lb/>
der Ur&#x017F;ache der Bie&#x017F;terfreyheit na&#x0364;her unterrichten zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Gna&#x0364;dig&#x017F;ter Herr, berichteten die&#x017F;e, man hat ehedem von<lb/>
Territorien und Territorialunterthanen nichts gewu&#x017F;t. <note place="foot" n="a)">Die&#x017F;er Begrif ha&#x0364;ngt uns jetzt immer nach; und wir &#x017F;ind zu<lb/>
bekannt mit ihm geworden, um ihn ga&#x0364;nzlich zu verge&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Allein wer die alte Verfa&#x017F;&#x017F;ung beurtheilen will, muß<lb/>
&#x017F;chlechterdings an keine La&#x0364;nder, Landesunterthanen und<lb/>
Landesordnung denken. Wie eifrig war man in alten<lb/>
Zeiten auf die Huldigungen, wie man nach eines jeden<lb/>
Men&#x017F;chen Einwilligung in die Unterthanen Pflicht fu&#x0364;r no&#x0364;-<lb/>
thig hielt. Jetzt da der Boden Unterthanen macht, ha&#x0364;lt<lb/>
man die Huldigung der Bauern fu&#x0364;r eine u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige<lb/>
Ceremonie.</note> Man<lb/>
kannte den Grund&#x017F;atz nicht, daß derjenige, der &#x017F;ich auf die&#x017F;en<lb/>
oder jenen Theil des deut&#x017F;chen Reichsbodens &#x017F;etzte, &#x017F;ofort<lb/>
mit der Luft die Oberherr&#x017F;chaft desjenigen Reichsbeamten<lb/>
erkannte, in de&#x017F;&#x017F;en Amtsbezirk er &#x017F;ich niederließ. Es gieng<lb/>
damals auf dem Lande, wie noch jetzt in den Sta&#x0364;dten, worin<lb/>
nicht alle &#x017F;o zwi&#x017F;chen den Mauren wohnen, das Bu&#x0364;rgerrecht<lb/>
haben, &#x017F;ondern nur diejenigen, die &#x017F;olches ausdru&#x0364;cklich neh-<lb/>
men und gewinnen. Die &#x017F;a&#x0364;mtlichen Einge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ene eines Lan-<lb/>
des theilten &#x017F;ich al&#x017F;o u&#x0364;berhaupt in &#x017F;olche welche das Untertha-<lb/>
nenrecht genommen oder gewonnen, und &#x017F;olche welche es nicht<lb/>
gewonnen hatten.</p><lb/>
        <p>Diejenigen welche es gewonnen hatten, geno&#x017F;&#x017F;en der Rechte<lb/>
und Wohlthaten, welche der Cla&#x017F;&#x017F;e, worin &#x017F;ie &#x017F;ich begeben<lb/>
hatten, zukamen; und der ober&#x017F;te die&#x017F;er Cla&#x017F;&#x017F;e, oder der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schutz-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0207] der ſogenandten Hyen, Echten oder Hoden. den Beamten vorgebracht hatte. Dieſer war weit entfernt, ſich mit einer ſo traurigen Erbſchaft zu bereichern. Inzwi- ſchen reizte ihn doch ſeine Wißbegierde ſich uͤber den Urſprung und den Nutzen der Hoden, Hyen oder Echten, und von der Urſache der Bieſterfreyheit naͤher unterrichten zu laſſen. Gnaͤdigſter Herr, berichteten dieſe, man hat ehedem von Territorien und Territorialunterthanen nichts gewuſt. a) Man kannte den Grundſatz nicht, daß derjenige, der ſich auf dieſen oder jenen Theil des deutſchen Reichsbodens ſetzte, ſofort mit der Luft die Oberherrſchaft desjenigen Reichsbeamten erkannte, in deſſen Amtsbezirk er ſich niederließ. Es gieng damals auf dem Lande, wie noch jetzt in den Staͤdten, worin nicht alle ſo zwiſchen den Mauren wohnen, das Buͤrgerrecht haben, ſondern nur diejenigen, die ſolches ausdruͤcklich neh- men und gewinnen. Die ſaͤmtlichen Eingeſeſſene eines Lan- des theilten ſich alſo uͤberhaupt in ſolche welche das Untertha- nenrecht genommen oder gewonnen, und ſolche welche es nicht gewonnen hatten. Diejenigen welche es gewonnen hatten, genoſſen der Rechte und Wohlthaten, welche der Claſſe, worin ſie ſich begeben hatten, zukamen; und der oberſte dieſer Claſſe, oder der Schutz- a) Dieſer Begrif haͤngt uns jetzt immer nach; und wir ſind zu bekannt mit ihm geworden, um ihn gaͤnzlich zu vergeſſen. Allein wer die alte Verfaſſung beurtheilen will, muß ſchlechterdings an keine Laͤnder, Landesunterthanen und Landesordnung denken. Wie eifrig war man in alten Zeiten auf die Huldigungen, wie man nach eines jeden Menſchen Einwilligung in die Unterthanen Pflicht fuͤr noͤ- thig hielt. Jetzt da der Boden Unterthanen macht, haͤlt man die Huldigung der Bauern fuͤr eine uͤberfluͤſſige Ceremonie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/207
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/207>, abgerufen am 03.05.2024.