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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Gedanken von dem Ursprunge und Nutzen
Haus in einer Hode steht, und diejenigen so darin ziehn, so
bald als sie die Schwelle betreten haben, nicht mehr zu be-
sorgen haben, daß ihre Erbschaft der Landesherrschaft, gleich
der Erbschaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann war
aus dem Lippischen gebürtig, wo alle Biesterfreyheit mit
einem Groschen abgewehret werden kan, a) welchen die Er-
ben auf den Sarg legen, und die Landesherrschaft zur freyen
Urkunde annimmt. Die Oßnabrückischen Rechte sind uns
beyden unbekandt gewesen; wir haben nicht gewust, daß wir
uns eben einschreiben lassen müsten; ich habe gedacht, die
Luft, die ich als Unterthan genossen, ersetzte die leere Cere-
monie der Einschreibung; und mein Mann ist ohne Zweifel
in dem Glauben gestorben, daß ich seine Verlassenschaft mit
dem traurigen Pfennig noch früh genug lösen könnte.

Alles dieses, versetzten die Beamte, kan die Landesherr-
schaft, nicht aber uns bewegen, von unserer Forderung abzu-
gehen. Jene kan Gnade thun; wir aber sind aufs Recht
gewiesen. Wir müssen alles was ihr sel. Mann verlassen
hat, zu uns nehmen. Will sie aber Gnade suchen: so wollen
wir ihr einen Monat Zeit dazu geben, und uns immittelst
begnügen, den Nachlaß des Biesterfreyen aufzuschreiben,
und ihr solchen gegen genugsame Bürgschaft zur getreuen
Verwahrung überlassen. Der armen Witwe blieb also
nichts übrig als sich an den damaligen Bischof zu wenden,
und dasjenige unter neuen Thränen zu wiederholen, was sie

den
a) Eben dergleichen Gewohnheiten gab es anch an verschiede-
nen Orten in Frankreich, als z. E. Et si aucun de ces
Aubains mourut et n'eut commande a rendre 4 de-
niers au Baron, tous les meubles seroient au Baron.
v. Stabilimenta S. Lodovici L. I. c. 87. ap du.
fresne v. Aubenoe.

Gedanken von dem Urſprunge und Nutzen
Haus in einer Hode ſteht, und diejenigen ſo darin ziehn, ſo
bald als ſie die Schwelle betreten haben, nicht mehr zu be-
ſorgen haben, daß ihre Erbſchaft der Landesherrſchaft, gleich
der Erbſchaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann war
aus dem Lippiſchen gebuͤrtig, wo alle Bieſterfreyheit mit
einem Groſchen abgewehret werden kan, a) welchen die Er-
ben auf den Sarg legen, und die Landesherrſchaft zur freyen
Urkunde annimmt. Die Oßnabruͤckiſchen Rechte ſind uns
beyden unbekandt geweſen; wir haben nicht gewuſt, daß wir
uns eben einſchreiben laſſen muͤſten; ich habe gedacht, die
Luft, die ich als Unterthan genoſſen, erſetzte die leere Cere-
monie der Einſchreibung; und mein Mann iſt ohne Zweifel
in dem Glauben geſtorben, daß ich ſeine Verlaſſenſchaft mit
dem traurigen Pfennig noch fruͤh genug loͤſen koͤnnte.

Alles dieſes, verſetzten die Beamte, kan die Landesherr-
ſchaft, nicht aber uns bewegen, von unſerer Forderung abzu-
gehen. Jene kan Gnade thun; wir aber ſind aufs Recht
gewieſen. Wir muͤſſen alles was ihr ſel. Mann verlaſſen
hat, zu uns nehmen. Will ſie aber Gnade ſuchen: ſo wollen
wir ihr einen Monat Zeit dazu geben, und uns immittelſt
begnuͤgen, den Nachlaß des Bieſterfreyen aufzuſchreiben,
und ihr ſolchen gegen genugſame Buͤrgſchaft zur getreuen
Verwahrung uͤberlaſſen. Der armen Witwe blieb alſo
nichts uͤbrig als ſich an den damaligen Biſchof zu wenden,
und dasjenige unter neuen Thraͤnen zu wiederholen, was ſie

den
a) Eben dergleichen Gewohnheiten gab es anch an verſchiede-
nen Orten in Frankreich, als z. E. Et ſi aucun de ces
Aubains mourut et n’eut commandé à rendre 4 de-
niers au Baron, tous les meubles ſeroient au Baron.
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[188/0206] Gedanken von dem Urſprunge und Nutzen Haus in einer Hode ſteht, und diejenigen ſo darin ziehn, ſo bald als ſie die Schwelle betreten haben, nicht mehr zu be- ſorgen haben, daß ihre Erbſchaft der Landesherrſchaft, gleich der Erbſchaft eines Wildfangs verfalle. Mein Mann war aus dem Lippiſchen gebuͤrtig, wo alle Bieſterfreyheit mit einem Groſchen abgewehret werden kan, a) welchen die Er- ben auf den Sarg legen, und die Landesherrſchaft zur freyen Urkunde annimmt. Die Oßnabruͤckiſchen Rechte ſind uns beyden unbekandt geweſen; wir haben nicht gewuſt, daß wir uns eben einſchreiben laſſen muͤſten; ich habe gedacht, die Luft, die ich als Unterthan genoſſen, erſetzte die leere Cere- monie der Einſchreibung; und mein Mann iſt ohne Zweifel in dem Glauben geſtorben, daß ich ſeine Verlaſſenſchaft mit dem traurigen Pfennig noch fruͤh genug loͤſen koͤnnte. Alles dieſes, verſetzten die Beamte, kan die Landesherr- ſchaft, nicht aber uns bewegen, von unſerer Forderung abzu- gehen. Jene kan Gnade thun; wir aber ſind aufs Recht gewieſen. Wir muͤſſen alles was ihr ſel. Mann verlaſſen hat, zu uns nehmen. Will ſie aber Gnade ſuchen: ſo wollen wir ihr einen Monat Zeit dazu geben, und uns immittelſt begnuͤgen, den Nachlaß des Bieſterfreyen aufzuſchreiben, und ihr ſolchen gegen genugſame Buͤrgſchaft zur getreuen Verwahrung uͤberlaſſen. Der armen Witwe blieb alſo nichts uͤbrig als ſich an den damaligen Biſchof zu wenden, und dasjenige unter neuen Thraͤnen zu wiederholen, was ſie den a) Eben dergleichen Gewohnheiten gab es anch an verſchiede- nen Orten in Frankreich, als z. E. Et ſi aucun de ces Aubains mourut et n’eut commandé à rendre 4 de- niers au Baron, tous les meubles ſeroient au Baron. v. Stabilimenta S. Lodovici L. I. c. 87. ap du. fresne v. Aubenœ.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/206>, abgerufen am 03.05.2024.