Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Nichts ist schädlicher
ten. Die Mitglieder des Staats rechneten sich damals ge-
gen einander wie Besitzer von ganzen Actien die baar zur ge-
meinschaftlichen Casse erleget sind. Wie aber die Sicherheit
gegründet war, und die Vertheidigungsanstalten sich änder-
ten oder verminderten, und gleichsam die halbe Actie zurück-
bezahlet werden konnte: so hatte auch der Staat an dem hal-
ben Hofe Bürgschaft genug, und nun war es dem Eigenthü-
mer frey, diese dem Staate unverbundene Hälfte nach Ge-
fallen zu gebrauchen; und so konnte zuerst ein Pacht- oder
Erbpacht, ein Zins- oder Erbzinscontract, oder eine andre
Art von Colonat entstehen, in Gefolge dessen der Eigenthü-
mer seinen Hof einem Aftermann übergab, und der in die
Reihe getretene Mann seinem Guts- oder Zinsherrn oder auch
seinem Gläubiger so viel jährlich entrichten mögte, als der
halbe Hof zur Heuer thun könnte. Der Staat schien zwar
dadurch seinen halben Fond zu verlieren. Es war aber in
der That nichts, weil auf der andern Seite der Guts- und
Zinsherr fürs Vaterland focht, währender Zeit der Erbzins-
mann seinen Acker in Ruhe bauete.

Solchergestalt bestand nun in spätern Zeiten die gemeine
Reihe noch aus halben Eigenthümern; und sie könnte vielleicht
bey ruhigen und glücklichen Zeiten aus Vierteleigenthümern be-
stehen. Allein dieselbe ohne alles Eigenthum bestehen zu lassen,
oder einen Staat aus hundert ganzen Eigenthümern, und
hundert Heuerleuten, die beyde zu gleichen Pflichten verbun-
den seyn sollen, zusammen zu setzen, ist, was das erste be-
trift, gefährlich, und in Ansehung des letztern, für die Ei-
genthümer unverantwortlich. Dies geschieht aber in allen oban-
gezogenen Fällen der Verheurung, und ich habe es noch vor we-
nigen Tagen gesehen, daß in einer Reihefuhr der Hengst ei-
nes Eigenthümers, die ganze Ladung, die darauf liegende

Fut-

Nichts iſt ſchaͤdlicher
ten. Die Mitglieder des Staats rechneten ſich damals ge-
gen einander wie Beſitzer von ganzen Actien die baar zur ge-
meinſchaftlichen Caſſe erleget ſind. Wie aber die Sicherheit
gegruͤndet war, und die Vertheidigungsanſtalten ſich aͤnder-
ten oder verminderten, und gleichſam die halbe Actie zuruͤck-
bezahlet werden konnte: ſo hatte auch der Staat an dem hal-
ben Hofe Buͤrgſchaft genug, und nun war es dem Eigenthuͤ-
mer frey, dieſe dem Staate unverbundene Haͤlfte nach Ge-
fallen zu gebrauchen; und ſo konnte zuerſt ein Pacht- oder
Erbpacht, ein Zins- oder Erbzinscontract, oder eine andre
Art von Colonat entſtehen, in Gefolge deſſen der Eigenthuͤ-
mer ſeinen Hof einem Aftermann uͤbergab, und der in die
Reihe getretene Mann ſeinem Guts- oder Zinsherrn oder auch
ſeinem Glaͤubiger ſo viel jaͤhrlich entrichten moͤgte, als der
halbe Hof zur Heuer thun koͤnnte. Der Staat ſchien zwar
dadurch ſeinen halben Fond zu verlieren. Es war aber in
der That nichts, weil auf der andern Seite der Guts- und
Zinsherr fuͤrs Vaterland focht, waͤhrender Zeit der Erbzins-
mann ſeinen Acker in Ruhe bauete.

Solchergeſtalt beſtand nun in ſpaͤtern Zeiten die gemeine
Reihe noch aus halben Eigenthuͤmern; und ſie koͤnnte vielleicht
bey ruhigen und gluͤcklichen Zeiten aus Vierteleigenthuͤmern be-
ſtehen. Allein dieſelbe ohne alles Eigenthum beſtehen zu laſſen,
oder einen Staat aus hundert ganzen Eigenthuͤmern, und
hundert Heuerleuten, die beyde zu gleichen Pflichten verbun-
den ſeyn ſollen, zuſammen zu ſetzen, iſt, was das erſte be-
trift, gefaͤhrlich, und in Anſehung des letztern, fuͤr die Ei-
genthuͤmer unverantwortlich. Dies geſchieht aber in allen oban-
gezogenen Faͤllen der Verheurung, und ich habe es noch vor we-
nigen Tagen geſehen, daß in einer Reihefuhr der Hengſt ei-
nes Eigenthuͤmers, die ganze Ladung, die darauf liegende

Fut-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nichts i&#x017F;t &#x017F;cha&#x0364;dlicher</hi></fw><lb/>
ten. Die Mitglieder des Staats rechneten &#x017F;ich damals ge-<lb/>
gen einander wie Be&#x017F;itzer von <hi rendition="#fr">ganzen</hi> Actien die baar zur ge-<lb/>
mein&#x017F;chaftlichen Ca&#x017F;&#x017F;e erleget &#x017F;ind. Wie aber die Sicherheit<lb/>
gegru&#x0364;ndet war, und die Vertheidigungsan&#x017F;talten &#x017F;ich a&#x0364;nder-<lb/>
ten oder verminderten, und gleich&#x017F;am die halbe Actie zuru&#x0364;ck-<lb/>
bezahlet werden konnte: &#x017F;o hatte auch der Staat an dem hal-<lb/>
ben Hofe Bu&#x0364;rg&#x017F;chaft genug, und nun war es dem Eigenthu&#x0364;-<lb/>
mer frey, die&#x017F;e dem Staate unverbundene Ha&#x0364;lfte nach Ge-<lb/>
fallen zu gebrauchen; und &#x017F;o konnte zuer&#x017F;t ein Pacht- oder<lb/>
Erbpacht, ein Zins- oder Erbzinscontract, oder eine andre<lb/>
Art von Colonat ent&#x017F;tehen, in Gefolge de&#x017F;&#x017F;en der Eigenthu&#x0364;-<lb/>
mer &#x017F;einen Hof einem Aftermann u&#x0364;bergab, und der in die<lb/>
Reihe getretene Mann &#x017F;einem Guts- oder Zinsherrn oder auch<lb/>
&#x017F;einem Gla&#x0364;ubiger &#x017F;o viel ja&#x0364;hrlich entrichten mo&#x0364;gte, als der<lb/>
halbe Hof zur Heuer thun ko&#x0364;nnte. Der Staat &#x017F;chien zwar<lb/>
dadurch &#x017F;einen halben Fond zu verlieren. Es war aber in<lb/>
der That nichts, weil auf der andern Seite der Guts- und<lb/>
Zinsherr fu&#x0364;rs Vaterland focht, wa&#x0364;hrender Zeit der Erbzins-<lb/>
mann &#x017F;einen Acker in Ruhe bauete.</p><lb/>
        <p>Solcherge&#x017F;talt be&#x017F;tand nun in &#x017F;pa&#x0364;tern Zeiten die gemeine<lb/>
Reihe noch aus halben Eigenthu&#x0364;mern; und &#x017F;ie ko&#x0364;nnte vielleicht<lb/>
bey ruhigen und glu&#x0364;cklichen Zeiten aus Vierteleigenthu&#x0364;mern be-<lb/>
&#x017F;tehen. Allein die&#x017F;elbe ohne alles Eigenthum be&#x017F;tehen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
oder einen Staat aus hundert ganzen Eigenthu&#x0364;mern, und<lb/>
hundert Heuerleuten, die beyde zu gleichen Pflichten verbun-<lb/>
den &#x017F;eyn &#x017F;ollen, zu&#x017F;ammen zu &#x017F;etzen, i&#x017F;t, was das er&#x017F;te be-<lb/>
trift, gefa&#x0364;hrlich, und in An&#x017F;ehung des letztern, fu&#x0364;r die Ei-<lb/>
genthu&#x0364;mer unverantwortlich. Dies ge&#x017F;chieht aber in allen oban-<lb/>
gezogenen Fa&#x0364;llen der Verheurung, und ich habe es noch vor we-<lb/>
nigen Tagen ge&#x017F;ehen, daß in einer Reihefuhr der Heng&#x017F;t ei-<lb/>
nes Eigenthu&#x0364;mers, die ganze Ladung, die darauf liegende<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fut-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0146] Nichts iſt ſchaͤdlicher ten. Die Mitglieder des Staats rechneten ſich damals ge- gen einander wie Beſitzer von ganzen Actien die baar zur ge- meinſchaftlichen Caſſe erleget ſind. Wie aber die Sicherheit gegruͤndet war, und die Vertheidigungsanſtalten ſich aͤnder- ten oder verminderten, und gleichſam die halbe Actie zuruͤck- bezahlet werden konnte: ſo hatte auch der Staat an dem hal- ben Hofe Buͤrgſchaft genug, und nun war es dem Eigenthuͤ- mer frey, dieſe dem Staate unverbundene Haͤlfte nach Ge- fallen zu gebrauchen; und ſo konnte zuerſt ein Pacht- oder Erbpacht, ein Zins- oder Erbzinscontract, oder eine andre Art von Colonat entſtehen, in Gefolge deſſen der Eigenthuͤ- mer ſeinen Hof einem Aftermann uͤbergab, und der in die Reihe getretene Mann ſeinem Guts- oder Zinsherrn oder auch ſeinem Glaͤubiger ſo viel jaͤhrlich entrichten moͤgte, als der halbe Hof zur Heuer thun koͤnnte. Der Staat ſchien zwar dadurch ſeinen halben Fond zu verlieren. Es war aber in der That nichts, weil auf der andern Seite der Guts- und Zinsherr fuͤrs Vaterland focht, waͤhrender Zeit der Erbzins- mann ſeinen Acker in Ruhe bauete. Solchergeſtalt beſtand nun in ſpaͤtern Zeiten die gemeine Reihe noch aus halben Eigenthuͤmern; und ſie koͤnnte vielleicht bey ruhigen und gluͤcklichen Zeiten aus Vierteleigenthuͤmern be- ſtehen. Allein dieſelbe ohne alles Eigenthum beſtehen zu laſſen, oder einen Staat aus hundert ganzen Eigenthuͤmern, und hundert Heuerleuten, die beyde zu gleichen Pflichten verbun- den ſeyn ſollen, zuſammen zu ſetzen, iſt, was das erſte be- trift, gefaͤhrlich, und in Anſehung des letztern, fuͤr die Ei- genthuͤmer unverantwortlich. Dies geſchieht aber in allen oban- gezogenen Faͤllen der Verheurung, und ich habe es noch vor we- nigen Tagen geſehen, daß in einer Reihefuhr der Hengſt ei- nes Eigenthuͤmers, die ganze Ladung, die darauf liegende Fut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/146
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/146>, abgerufen am 03.05.2024.