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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Gedanken über den westphäl. Leibeigenthum.
Stift zum Exempel bestehen mag, fünfhundert adeliche Be-
zirke vorhanden wären: so ist nichts gewisser, als

a) daß alle unsre Bauern, eben so gut wie im Mecklen-
burgschen und anderwärts völlig leibeigen, und von der Will-
kühr des Bezirksherrn abhängig seyn würden;
b) daß gar keine Beamte, Gowgrafen, Vögte und ge-
meine Bediente vorhanden seyn könnten; und
c) daß wenn eine Steuer von hunderttausend Thaler, oder
eine Kriegsfuhr von zehntausend Wagen erfordert würde,
[j]ene fünfhundert Bezirksherrn für Haupts zweyhundert Tha-
ler dazu bezahlen und zwanzig wohlbespannete Wagen schicken
müßten. Dies geht aus der Anlage hervor; und wird durch
die Verfassung andrer Länder unwidersprechlich bestätigt.

Im Stifte Oßnabrück befinden wir uns nun aber gerade
im Gegensatze. Anstatt jener Bezirke befinden sich lauter ein-
zelne Höfe; und wir können es so wohl nach der Natur, als
nach der Geschichte voraus setzen, daß jeder einzelner Hof
ursprünglich mit einem freyen Eigenthümer besetzt gewesen.

Es sey nun geschehen zu welcher Zeit es wolle; aus Noth,
von einem erwählten Heerführer, oder von einem Ueberwin-
der: so sind einmal je zehn und zehn, oder hundert und hun-
dert Bauerhöfe in eine Compagnie zusammengesetzt und ei-
nem Hauptmann untergeben worden. Dieser Hauptmann
hat den Meyerhof zum Eigenthum besessen; und hat

d) alle zu diesem Hofe gehörige Leute jährlich oder so oft
es die Noth erfordert auf seinem Hofe versammlet. Auf
diesem Meyerhofe ist
e) die
G 4

Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
Stift zum Exempel beſtehen mag, fuͤnfhundert adeliche Be-
zirke vorhanden waͤren: ſo iſt nichts gewiſſer, als

a) daß alle unſre Bauern, eben ſo gut wie im Mecklen-
burgſchen und anderwaͤrts voͤllig leibeigen, und von der Will-
kuͤhr des Bezirksherrn abhaͤngig ſeyn wuͤrden;
b) daß gar keine Beamte, Gowgrafen, Voͤgte und ge-
meine Bediente vorhanden ſeyn koͤnnten; und
c) daß wenn eine Steuer von hunderttauſend Thaler, oder
eine Kriegsfuhr von zehntauſend Wagen erfordert wuͤrde,
[j]ene fuͤnfhundert Bezirksherrn fuͤr Haupts zweyhundert Tha-
ler dazu bezahlen und zwanzig wohlbeſpannete Wagen ſchicken
muͤßten. Dies geht aus der Anlage hervor; und wird durch
die Verfaſſung andrer Laͤnder unwiderſprechlich beſtaͤtigt.

Im Stifte Oßnabruͤck befinden wir uns nun aber gerade
im Gegenſatze. Anſtatt jener Bezirke befinden ſich lauter ein-
zelne Hoͤfe; und wir koͤnnen es ſo wohl nach der Natur, als
nach der Geſchichte voraus ſetzen, daß jeder einzelner Hof
urſpruͤnglich mit einem freyen Eigenthuͤmer beſetzt geweſen.

Es ſey nun geſchehen zu welcher Zeit es wolle; aus Noth,
von einem erwaͤhlten Heerfuͤhrer, oder von einem Ueberwin-
der: ſo ſind einmal je zehn und zehn, oder hundert und hun-
dert Bauerhoͤfe in eine Compagnie zuſammengeſetzt und ei-
nem Hauptmann untergeben worden. Dieſer Hauptmann
hat den Meyerhof zum Eigenthum beſeſſen; und hat

d) alle zu dieſem Hofe gehoͤrige Leute jaͤhrlich oder ſo oft
es die Noth erfordert auf ſeinem Hofe verſammlet. Auf
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[103/0121] Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum. Stift zum Exempel beſtehen mag, fuͤnfhundert adeliche Be- zirke vorhanden waͤren: ſo iſt nichts gewiſſer, als a) daß alle unſre Bauern, eben ſo gut wie im Mecklen- burgſchen und anderwaͤrts voͤllig leibeigen, und von der Will- kuͤhr des Bezirksherrn abhaͤngig ſeyn wuͤrden; b) daß gar keine Beamte, Gowgrafen, Voͤgte und ge- meine Bediente vorhanden ſeyn koͤnnten; und c) daß wenn eine Steuer von hunderttauſend Thaler, oder eine Kriegsfuhr von zehntauſend Wagen erfordert wuͤrde, jene fuͤnfhundert Bezirksherrn fuͤr Haupts zweyhundert Tha- ler dazu bezahlen und zwanzig wohlbeſpannete Wagen ſchicken muͤßten. Dies geht aus der Anlage hervor; und wird durch die Verfaſſung andrer Laͤnder unwiderſprechlich beſtaͤtigt. Im Stifte Oßnabruͤck befinden wir uns nun aber gerade im Gegenſatze. Anſtatt jener Bezirke befinden ſich lauter ein- zelne Hoͤfe; und wir koͤnnen es ſo wohl nach der Natur, als nach der Geſchichte voraus ſetzen, daß jeder einzelner Hof urſpruͤnglich mit einem freyen Eigenthuͤmer beſetzt geweſen. Es ſey nun geſchehen zu welcher Zeit es wolle; aus Noth, von einem erwaͤhlten Heerfuͤhrer, oder von einem Ueberwin- der: ſo ſind einmal je zehn und zehn, oder hundert und hun- dert Bauerhoͤfe in eine Compagnie zuſammengeſetzt und ei- nem Hauptmann untergeben worden. Dieſer Hauptmann hat den Meyerhof zum Eigenthum beſeſſen; und hat d) alle zu dieſem Hofe gehoͤrige Leute jaͤhrlich oder ſo oft es die Noth erfordert auf ſeinem Hofe verſammlet. Auf dieſem Meyerhofe iſt e) die G 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/121>, abgerufen am 23.11.2024.