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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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solten ein Handwerk lernen.
an, welche sich ihm darbieten und ein hübsches Projekt aus-
gedacht haben. Der vornehme Stümper, der durch einen
glücklichen Zufall ein gutes und patriotisches Herz empfangen
hat, siehet es mit beyden Augen an, verliebt sich in die Hof-
nung sein Vaterland aufzuhelfen, überläßt sich dem schlauen
Projektmacher, der nur nach seinen Beutel trachtet, und fin-
det die erste Probe unverbesserlich. Sein Auge entdeckt ihm
nichts an dem Stoffe das ihm vorgelegt wird. Er weis nicht,
ob zu viel oder zu wenig Wolle, Zeit und Arbeit daran ver-
wendet ist; Er kennt keine Arbeit; hat kein Maaß der Zeit;
keine Hand zum Gefühl; und keinen einzigen durch Erfah-
rung und Einsicht gestärkten Sinn um eine Sache richtig und
schnell zu beurtheilen; und doch will er eine Fabrik regieren.
Allein was kommt am Ende heraus? Er freuet sich noch, und
ist längst betrogen -- Zur Strafe, daß er das Handwerk
nicht ordentlich gelernet hat.

Doch ich habe mich aus meinem Wege entfernt. Die
Eintheilung der Handwerker in Handelnde und Tagwerker
und die Erhebung der erstern zu dem Range wahrer Kauf-
leute, solte dienen dem Reichen, der seinem Sohn ein Hand-
werk lernen lassen will, einen Prospect zu geben, daß er sich
keinesweges erniedrige, wann er diesen Schritt thut. Sein
Sohn kann als handelnder Handwerker mit Recht zu eben
der Ehre gelangen, wozu es der vornehmste Banquier (das
Wort klingt) wenn er glücklich ist, bringen kann. Es ist
nicht nöthig, daß er ein Tagwerker bleibe; und verwünscht
sey der faule Junge, wenn er reich und dumm ist und höchstens
auf dem Faulbette aller Müßiggänger, der betretenen Mittel-
strasse, liegen bleibt.

Die Ehre, wozu es reicher Leute Kinder im Hand-
werke bringen können, ist gezeigt. Solte es nöthig seyn auch

den
C 2

ſolten ein Handwerk lernen.
an, welche ſich ihm darbieten und ein huͤbſches Projekt aus-
gedacht haben. Der vornehme Stuͤmper, der durch einen
gluͤcklichen Zufall ein gutes und patriotiſches Herz empfangen
hat, ſiehet es mit beyden Augen an, verliebt ſich in die Hof-
nung ſein Vaterland aufzuhelfen, uͤberlaͤßt ſich dem ſchlauen
Projektmacher, der nur nach ſeinen Beutel trachtet, und fin-
det die erſte Probe unverbeſſerlich. Sein Auge entdeckt ihm
nichts an dem Stoffe das ihm vorgelegt wird. Er weis nicht,
ob zu viel oder zu wenig Wolle, Zeit und Arbeit daran ver-
wendet iſt; Er kennt keine Arbeit; hat kein Maaß der Zeit;
keine Hand zum Gefuͤhl; und keinen einzigen durch Erfah-
rung und Einſicht geſtaͤrkten Sinn um eine Sache richtig und
ſchnell zu beurtheilen; und doch will er eine Fabrik regieren.
Allein was kommt am Ende heraus? Er freuet ſich noch, und
iſt laͤngſt betrogen — Zur Strafe, daß er das Handwerk
nicht ordentlich gelernet hat.

Doch ich habe mich aus meinem Wege entfernt. Die
Eintheilung der Handwerker in Handelnde und Tagwerker
und die Erhebung der erſtern zu dem Range wahrer Kauf-
leute, ſolte dienen dem Reichen, der ſeinem Sohn ein Hand-
werk lernen laſſen will, einen Proſpect zu geben, daß er ſich
keinesweges erniedrige, wann er dieſen Schritt thut. Sein
Sohn kann als handelnder Handwerker mit Recht zu eben
der Ehre gelangen, wozu es der vornehmſte Banquier (das
Wort klingt) wenn er gluͤcklich iſt, bringen kann. Es iſt
nicht noͤthig, daß er ein Tagwerker bleibe; und verwuͤnſcht
ſey der faule Junge, wenn er reich und dumm iſt und hoͤchſtens
auf dem Faulbette aller Muͤßiggaͤnger, der betretenen Mittel-
ſtraſſe, liegen bleibt.

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werke bringen koͤnnen, iſt gezeigt. Solte es noͤthig ſeyn auch

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[35/0053] ſolten ein Handwerk lernen. an, welche ſich ihm darbieten und ein huͤbſches Projekt aus- gedacht haben. Der vornehme Stuͤmper, der durch einen gluͤcklichen Zufall ein gutes und patriotiſches Herz empfangen hat, ſiehet es mit beyden Augen an, verliebt ſich in die Hof- nung ſein Vaterland aufzuhelfen, uͤberlaͤßt ſich dem ſchlauen Projektmacher, der nur nach ſeinen Beutel trachtet, und fin- det die erſte Probe unverbeſſerlich. Sein Auge entdeckt ihm nichts an dem Stoffe das ihm vorgelegt wird. Er weis nicht, ob zu viel oder zu wenig Wolle, Zeit und Arbeit daran ver- wendet iſt; Er kennt keine Arbeit; hat kein Maaß der Zeit; keine Hand zum Gefuͤhl; und keinen einzigen durch Erfah- rung und Einſicht geſtaͤrkten Sinn um eine Sache richtig und ſchnell zu beurtheilen; und doch will er eine Fabrik regieren. Allein was kommt am Ende heraus? Er freuet ſich noch, und iſt laͤngſt betrogen — Zur Strafe, daß er das Handwerk nicht ordentlich gelernet hat. Doch ich habe mich aus meinem Wege entfernt. Die Eintheilung der Handwerker in Handelnde und Tagwerker und die Erhebung der erſtern zu dem Range wahrer Kauf- leute, ſolte dienen dem Reichen, der ſeinem Sohn ein Hand- werk lernen laſſen will, einen Proſpect zu geben, daß er ſich keinesweges erniedrige, wann er dieſen Schritt thut. Sein Sohn kann als handelnder Handwerker mit Recht zu eben der Ehre gelangen, wozu es der vornehmſte Banquier (das Wort klingt) wenn er gluͤcklich iſt, bringen kann. Es iſt nicht noͤthig, daß er ein Tagwerker bleibe; und verwuͤnſcht ſey der faule Junge, wenn er reich und dumm iſt und hoͤchſtens auf dem Faulbette aller Muͤßiggaͤnger, der betretenen Mittel- ſtraſſe, liegen bleibt. Die Ehre, wozu es reicher Leute Kinder im Hand- werke bringen koͤnnen, iſt gezeigt. Solte es noͤthig ſeyn auch den C 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/53>, abgerufen am 21.11.2024.