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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Reicher Leute Kinder
öffentliche Aufmunterung nicht verdiene, und daß die mit der
Krämerey bis dahin verknüpft gewesene falsche Ehre die An-
zahl der Krämer in vielen Städten unendlich vermehret, ver-
schiedene Handwerker völlig verdrungen, andre blos zum pfu-
schen und alle übrigen um zwey Drittheile herunter gebracht
habe. Der schlechte Krämer sorgt nicht dafür, auch nur ei-
nen einheimischen Bürstenbinder empor zu bringen, und läßt
sogar die weiße Stärke, welche jede Hausmagd zu machen
im Stande ist, und worauf gerade hundert von hundert zu
gewinnen sind, aus Bremen kommen, so groß ist seine Wis-
senschaft und sein Patriotismus. Wie glücklich werden un-
sre Nachbaren die Preussen seyn, wenn die mit einer weisen
Hinsicht auf die Verdienste solcher Krämer gemachte Einrich-
tungen die Würkung haben, daß alle Handwerker sich wieder
zu ihrem alten Flor erheben, und alle solche Krämer zu Grabe
begleiten.

Der handelnde Handwerker in England besitzt ganz
andre Eigenschaften. Er lernt erst das Handwerk, und dann
den Handel. Die Gesellen eines handelnden Tischlers müs-
sen fast eben so vollkommene Buchhalter als manche Kaufleute
seyn. Der Meister greift keinen Hobel mehr an. Er sieht
seine vierzig Gesellen den Tag über arbeiten, beurtheilet das-
jenige was sie machen, verbessert ihre Fehler, zeigt ihnen
Vortheile und Handgriffe, erfindet neue Werkzeuge, beobach-
tet den Gang der Moden, besucht Leute von Geschmack oder
geht zu Künstlern, deren Einsicht ihm dienen kann, und
kömmt in seine Werkstatt zurück, wenn er im Parlament das
Wohl von Ost- und Westindien mit entschieden oder auf der
Börse seine Geschäfte verrichtet hat.

Wie unterschieden ist dieses Gemählde von unsern mehr-
sten deutschen Fabriken. Da nimmt ein großer Herr Leute

an,

Reicher Leute Kinder
oͤffentliche Aufmunterung nicht verdiene, und daß die mit der
Kraͤmerey bis dahin verknuͤpft geweſene falſche Ehre die An-
zahl der Kraͤmer in vielen Staͤdten unendlich vermehret, ver-
ſchiedene Handwerker voͤllig verdrungen, andre blos zum pfu-
ſchen und alle uͤbrigen um zwey Drittheile herunter gebracht
habe. Der ſchlechte Kraͤmer ſorgt nicht dafuͤr, auch nur ei-
nen einheimiſchen Buͤrſtenbinder empor zu bringen, und laͤßt
ſogar die weiße Staͤrke, welche jede Hausmagd zu machen
im Stande iſt, und worauf gerade hundert von hundert zu
gewinnen ſind, aus Bremen kommen, ſo groß iſt ſeine Wiſ-
ſenſchaft und ſein Patriotiſmus. Wie gluͤcklich werden un-
ſre Nachbaren die Preuſſen ſeyn, wenn die mit einer weiſen
Hinſicht auf die Verdienſte ſolcher Kraͤmer gemachte Einrich-
tungen die Wuͤrkung haben, daß alle Handwerker ſich wieder
zu ihrem alten Flor erheben, und alle ſolche Kraͤmer zu Grabe
begleiten.

Der handelnde Handwerker in England beſitzt ganz
andre Eigenſchaften. Er lernt erſt das Handwerk, und dann
den Handel. Die Geſellen eines handelnden Tiſchlers muͤſ-
ſen faſt eben ſo vollkommene Buchhalter als manche Kaufleute
ſeyn. Der Meiſter greift keinen Hobel mehr an. Er ſieht
ſeine vierzig Geſellen den Tag uͤber arbeiten, beurtheilet das-
jenige was ſie machen, verbeſſert ihre Fehler, zeigt ihnen
Vortheile und Handgriffe, erfindet neue Werkzeuge, beobach-
tet den Gang der Moden, beſucht Leute von Geſchmack oder
geht zu Kuͤnſtlern, deren Einſicht ihm dienen kann, und
koͤmmt in ſeine Werkſtatt zuruͤck, wenn er im Parlament das
Wohl von Oſt- und Weſtindien mit entſchieden oder auf der
Boͤrſe ſeine Geſchaͤfte verrichtet hat.

Wie unterſchieden iſt dieſes Gemaͤhlde von unſern mehr-
ſten deutſchen Fabriken. Da nimmt ein großer Herr Leute

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[34/0052] Reicher Leute Kinder oͤffentliche Aufmunterung nicht verdiene, und daß die mit der Kraͤmerey bis dahin verknuͤpft geweſene falſche Ehre die An- zahl der Kraͤmer in vielen Staͤdten unendlich vermehret, ver- ſchiedene Handwerker voͤllig verdrungen, andre blos zum pfu- ſchen und alle uͤbrigen um zwey Drittheile herunter gebracht habe. Der ſchlechte Kraͤmer ſorgt nicht dafuͤr, auch nur ei- nen einheimiſchen Buͤrſtenbinder empor zu bringen, und laͤßt ſogar die weiße Staͤrke, welche jede Hausmagd zu machen im Stande iſt, und worauf gerade hundert von hundert zu gewinnen ſind, aus Bremen kommen, ſo groß iſt ſeine Wiſ- ſenſchaft und ſein Patriotiſmus. Wie gluͤcklich werden un- ſre Nachbaren die Preuſſen ſeyn, wenn die mit einer weiſen Hinſicht auf die Verdienſte ſolcher Kraͤmer gemachte Einrich- tungen die Wuͤrkung haben, daß alle Handwerker ſich wieder zu ihrem alten Flor erheben, und alle ſolche Kraͤmer zu Grabe begleiten. Der handelnde Handwerker in England beſitzt ganz andre Eigenſchaften. Er lernt erſt das Handwerk, und dann den Handel. Die Geſellen eines handelnden Tiſchlers muͤſ- ſen faſt eben ſo vollkommene Buchhalter als manche Kaufleute ſeyn. Der Meiſter greift keinen Hobel mehr an. Er ſieht ſeine vierzig Geſellen den Tag uͤber arbeiten, beurtheilet das- jenige was ſie machen, verbeſſert ihre Fehler, zeigt ihnen Vortheile und Handgriffe, erfindet neue Werkzeuge, beobach- tet den Gang der Moden, beſucht Leute von Geſchmack oder geht zu Kuͤnſtlern, deren Einſicht ihm dienen kann, und koͤmmt in ſeine Werkſtatt zuruͤck, wenn er im Parlament das Wohl von Oſt- und Weſtindien mit entſchieden oder auf der Boͤrſe ſeine Geſchaͤfte verrichtet hat. Wie unterſchieden iſt dieſes Gemaͤhlde von unſern mehr- ſten deutſchen Fabriken. Da nimmt ein großer Herr Leute an,

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/52>, abgerufen am 24.11.2024.