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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Gedanken über den Verfall
zu bestreiten; und daß es ihm im Gegentheile leichter fiele,
einem rohen Stücke Tuch Farbe und Glanz zu geben. Man
sahe ein, daß, wenn ihnen dieses gestattet würde, die Land-
städte nur für die Seestädte arbeiten, und diese zuletzt sich der
Handlung und des wahren Vortheils bemeistern würden.

Was würden die Männer von solchen Einsichten den-
ken, wenn sie hörten, daß jene zwey große Gesetze als die
wichtigste Erfindung dem Englischen Genie zugeschrieben, und
in Deutschland in ihrem ganzen Umfange kaum noch begriffen
würden? wenn sie hörten, daß jezt in den Seestädten alle Ar-
ten von Fabriquen bestehen, und von dort her Hüte und
Strümpfe in die Landstädte geschickt werden können? Sie
würden glauben, die Welt hätte sich umgekehret, und die
Handarbeit sey wohlfeiler in der Seestadt, als in der Land-
stadt. Unsere Gelehrten beschreiben uns die Hansischen Kriege,
aber nicht den Geist der damaligen Handlung. Leben und
Thaten eines Lübeckischen Bürgermeisters sind ihnen so wich-
tige Gegenstände, daß sie die Thorheit einer handelnden Com-
pagnie, die in das Eroberungssystem verfällt, nicht einmal
ahnden. Auch damals haben die Seestädter die deutsche Land-
handlung einem Schwindelgeiste aufgeopfert. Ist denn aber
den Landstädten der Weg nach andern Gegenden versperret?
Sind ihnen die Schottischen Fabriquen und Hafen unentdeckt?
Ist ihnen Oporto und Bourdeaux mehr, als den Seestädtern,
verschlossen? Können sie nicht eben so gut, als diese, ihre
Factoren in Lissabon und Cadix haben? Können sie nicht eben
so gut, als ein Engländer und Holländer, nach allen Spani-
schen und Portugiesischen Colonien handeln, wenn sie ein
Packhaus in Lissabon, und den Namen eines Spaniers oder
Portugiesen miethen? Verleihet ein Bürger in London sei-
nen Namen einzig und allein an einen deutschen Seestädter?

Oder

Gedanken uͤber den Verfall
zu beſtreiten; und daß es ihm im Gegentheile leichter fiele,
einem rohen Stuͤcke Tuch Farbe und Glanz zu geben. Man
ſahe ein, daß, wenn ihnen dieſes geſtattet wuͤrde, die Land-
ſtaͤdte nur fuͤr die Seeſtaͤdte arbeiten, und dieſe zuletzt ſich der
Handlung und des wahren Vortheils bemeiſtern wuͤrden.

Was wuͤrden die Maͤnner von ſolchen Einſichten den-
ken, wenn ſie hoͤrten, daß jene zwey große Geſetze als die
wichtigſte Erfindung dem Engliſchen Genie zugeſchrieben, und
in Deutſchland in ihrem ganzen Umfange kaum noch begriffen
wuͤrden? wenn ſie hoͤrten, daß jezt in den Seeſtaͤdten alle Ar-
ten von Fabriquen beſtehen, und von dort her Huͤte und
Struͤmpfe in die Landſtaͤdte geſchickt werden koͤnnen? Sie
wuͤrden glauben, die Welt haͤtte ſich umgekehret, und die
Handarbeit ſey wohlfeiler in der Seeſtadt, als in der Land-
ſtadt. Unſere Gelehrten beſchreiben uns die Hanſiſchen Kriege,
aber nicht den Geiſt der damaligen Handlung. Leben und
Thaten eines Luͤbeckiſchen Buͤrgermeiſters ſind ihnen ſo wich-
tige Gegenſtaͤnde, daß ſie die Thorheit einer handelnden Com-
pagnie, die in das Eroberungsſyſtem verfaͤllt, nicht einmal
ahnden. Auch damals haben die Seeſtaͤdter die deutſche Land-
handlung einem Schwindelgeiſte aufgeopfert. Iſt denn aber
den Landſtaͤdten der Weg nach andern Gegenden verſperret?
Sind ihnen die Schottiſchen Fabriquen und Hafen unentdeckt?
Iſt ihnen Oporto und Bourdeaux mehr, als den Seeſtaͤdtern,
verſchloſſen? Koͤnnen ſie nicht eben ſo gut, als dieſe, ihre
Factoren in Liſſabon und Cadix haben? Koͤnnen ſie nicht eben
ſo gut, als ein Englaͤnder und Hollaͤnder, nach allen Spani-
ſchen und Portugieſiſchen Colonien handeln, wenn ſie ein
Packhaus in Liſſabon, und den Namen eines Spaniers oder
Portugieſen miethen? Verleihet ein Buͤrger in London ſei-
nen Namen einzig und allein an einen deutſchen Seeſtaͤdter?

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/30>, abgerufen am 24.11.2024.