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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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der Handlung in den Landstädten.
damit ankommen? Wer hat im voraus einige Nachricht, wie
der Jahrwachs daselbst gerathen? Wer unterscheidet die gu-
ten Glaßgowischen und Liverpolischen Preise von den London-
schen? Wer weis die Rechte eines jeden Hafens und den Ein-
fluß, welchen solche auf eine Waare haben? Dies überläßt
man der Aufmerksamkeit des Hamburgers und Bremers; und
dieser allein ziehet den Vortheil ohne Arbeit. Bey dem letz-
teren Verkauf der Ostindischen Compagnie in Amsterdam sahe
man italiänische und französische Gewürzhändler: aber kei-
nen einzigen deutschen in Person. Gleichwol hatte man eine
neue Art von Versteigerung durch Uebergeboth eingeführet,
welche die Gewürze merklich theurer, und die Ausrichtung
durch die Mäckler für die Zukunft weit bedenklicher machen
wird. Alles, was man von deutscher Aufmerksamkeit dabey
bemerkte, war dieses, daß der feine Canel für Italien, der
mittlere für Frankreich und die schlechteste Borke für Deutsch-
land erhandelt wurde.

Wie weit sind diese Grundsätze von den Grundsätzen
der ehemaligen Hanse entfernet. Diese betrachtete die See-
städte als bloße Niederlagen. Sie behauptete zum Vortheile
der Seestädte, daß jede Bundstadt nur ihre eigene Waaren
ausführen sollte und zum Vortheile der Landstädte, das jede
Manufactur an dem Orte, wo sie fiele, zur Vollkommenheit
gebracht werden müßte. Diesem großen Gesetze zufolge, wel-
ches, wie man insgemein glaubt, die Königin Elisabeth nach-
her der ganzen Welt zur Regel und zur ewigen Grundlage
des englischen Handels gemacht hat, durfte der Seestädter
sich nicht unterstehen, das Färberlohn an einem Stücke Tuche
zu gewinnen, oder ein Stück Linnen zu glandern, welches
nicht dort gemacht war. Man sahe ein, daß es dem See-
städter an wohlfeilen Händen mangelte, um die Spinnerey

zu

der Handlung in den Landſtaͤdten.
damit ankommen? Wer hat im voraus einige Nachricht, wie
der Jahrwachs daſelbſt gerathen? Wer unterſcheidet die gu-
ten Glaßgowiſchen und Liverpoliſchen Preiſe von den London-
ſchen? Wer weis die Rechte eines jeden Hafens und den Ein-
fluß, welchen ſolche auf eine Waare haben? Dies uͤberlaͤßt
man der Aufmerkſamkeit des Hamburgers und Bremers; und
dieſer allein ziehet den Vortheil ohne Arbeit. Bey dem letz-
teren Verkauf der Oſtindiſchen Compagnie in Amſterdam ſahe
man italiaͤniſche und franzoͤſiſche Gewuͤrzhaͤndler: aber kei-
nen einzigen deutſchen in Perſon. Gleichwol hatte man eine
neue Art von Verſteigerung durch Uebergeboth eingefuͤhret,
welche die Gewuͤrze merklich theurer, und die Ausrichtung
durch die Maͤckler fuͤr die Zukunft weit bedenklicher machen
wird. Alles, was man von deutſcher Aufmerkſamkeit dabey
bemerkte, war dieſes, daß der feine Canel fuͤr Italien, der
mittlere fuͤr Frankreich und die ſchlechteſte Borke fuͤr Deutſch-
land erhandelt wurde.

Wie weit ſind dieſe Grundſaͤtze von den Grundſaͤtzen
der ehemaligen Hanſe entfernet. Dieſe betrachtete die See-
ſtaͤdte als bloße Niederlagen. Sie behauptete zum Vortheile
der Seeſtaͤdte, daß jede Bundſtadt nur ihre eigene Waaren
ausfuͤhren ſollte und zum Vortheile der Landſtaͤdte, das jede
Manufactur an dem Orte, wo ſie fiele, zur Vollkommenheit
gebracht werden muͤßte. Dieſem großen Geſetze zufolge, wel-
ches, wie man insgemein glaubt, die Koͤnigin Eliſabeth nach-
her der ganzen Welt zur Regel und zur ewigen Grundlage
des engliſchen Handels gemacht hat, durfte der Seeſtaͤdter
ſich nicht unterſtehen, das Faͤrberlohn an einem Stuͤcke Tuche
zu gewinnen, oder ein Stuͤck Linnen zu glandern, welches
nicht dort gemacht war. Man ſahe ein, daß es dem See-
ſtaͤdter an wohlfeilen Haͤnden mangelte, um die Spinnerey

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[11/0029] der Handlung in den Landſtaͤdten. damit ankommen? Wer hat im voraus einige Nachricht, wie der Jahrwachs daſelbſt gerathen? Wer unterſcheidet die gu- ten Glaßgowiſchen und Liverpoliſchen Preiſe von den London- ſchen? Wer weis die Rechte eines jeden Hafens und den Ein- fluß, welchen ſolche auf eine Waare haben? Dies uͤberlaͤßt man der Aufmerkſamkeit des Hamburgers und Bremers; und dieſer allein ziehet den Vortheil ohne Arbeit. Bey dem letz- teren Verkauf der Oſtindiſchen Compagnie in Amſterdam ſahe man italiaͤniſche und franzoͤſiſche Gewuͤrzhaͤndler: aber kei- nen einzigen deutſchen in Perſon. Gleichwol hatte man eine neue Art von Verſteigerung durch Uebergeboth eingefuͤhret, welche die Gewuͤrze merklich theurer, und die Ausrichtung durch die Maͤckler fuͤr die Zukunft weit bedenklicher machen wird. Alles, was man von deutſcher Aufmerkſamkeit dabey bemerkte, war dieſes, daß der feine Canel fuͤr Italien, der mittlere fuͤr Frankreich und die ſchlechteſte Borke fuͤr Deutſch- land erhandelt wurde. Wie weit ſind dieſe Grundſaͤtze von den Grundſaͤtzen der ehemaligen Hanſe entfernet. Dieſe betrachtete die See- ſtaͤdte als bloße Niederlagen. Sie behauptete zum Vortheile der Seeſtaͤdte, daß jede Bundſtadt nur ihre eigene Waaren ausfuͤhren ſollte und zum Vortheile der Landſtaͤdte, das jede Manufactur an dem Orte, wo ſie fiele, zur Vollkommenheit gebracht werden muͤßte. Dieſem großen Geſetze zufolge, wel- ches, wie man insgemein glaubt, die Koͤnigin Eliſabeth nach- her der ganzen Welt zur Regel und zur ewigen Grundlage des engliſchen Handels gemacht hat, durfte der Seeſtaͤdter ſich nicht unterſtehen, das Faͤrberlohn an einem Stuͤcke Tuche zu gewinnen, oder ein Stuͤck Linnen zu glandern, welches nicht dort gemacht war. Man ſahe ein, daß es dem See- ſtaͤdter an wohlfeilen Haͤnden mangelte, um die Spinnerey zu

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/29>, abgerufen am 29.03.2024.