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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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der Handlung in den Landstädten.
Oder ist es unmöglich, an jedem Orte einen Freund zu fin-
den, der gegen einigen Genuß des Vortheils, auf aller Welt
Bedürfnisse Acht giebt; neue Aussichten eröfnet, und blos die
Stelle eines getreuen Spediteurs, vertritt? Und könnten un-
sere müßigen Residenten nicht in mancher Absicht dem Staate
dienen?

Man wird einwenden, daß man auf solche Art sein
Gut dem Meere und unbekannten Personen vertrauen, drey
Jahre auf den Umschlag warten, aus dem Spanischen und
Portugiesischen Indien Waare zurück nehmen, und für letz-
tere einen großen Markt haben müsse. Eine Ladung Oel,
Zitronen, Rosinen, Weine, Wolle, Domingo, Indigo und
dergleichen Waaren, welche Spanien zurück gebe, würde
eine Landstadt nicht mit Vortheil verschlingen können, und
letzteres sey der wahre Vorzug der Seestädte, wodurch sie sich
der Handlung bisher allein bemeistert hätten. Allein Un-
sicherheit ist die Seele des Handels; und je länger man auf
sein Geld warten muß, je größer ist auch der Vortheil, weil
Krämer und Schleicher, die ihrer wenigen Pfennige gleich
wiederum bedürfen, sich nicht daran wagen, und den Han-
del verderben können. Blos die letzte Schwierigkeit würde
erheblich seyn; wenn der Bremer und Hamburger Bürger
den Markt für sich allein, und Auswärtige nicht die Frey-
heit hätten, auf diesem Markt im Großen zu verkaufen. Ein
Landstädter kann alle seine Spanische Rückfrachten dort able-
gen, verkaufen, und an alle Ende der Welt gehen lassen.
Er darf nur Kunden auf dem Lande haben, und, wenn er
denn bessere Preise, als der Bremer geben kann, so wird die-
ser keinen Vorzug vor ihm gewinnen. Bessere Preise aber
kann er geben; wenn er die Waare, als zum Exempel das
Linnen, welches der Bremer in Bezahlung nach Spanien oder

un-

der Handlung in den Landſtaͤdten.
Oder iſt es unmoͤglich, an jedem Orte einen Freund zu fin-
den, der gegen einigen Genuß des Vortheils, auf aller Welt
Beduͤrfniſſe Acht giebt; neue Ausſichten eroͤfnet, und blos die
Stelle eines getreuen Spediteurs, vertritt? Und koͤnnten un-
ſere muͤßigen Reſidenten nicht in mancher Abſicht dem Staate
dienen?

Man wird einwenden, daß man auf ſolche Art ſein
Gut dem Meere und unbekannten Perſonen vertrauen, drey
Jahre auf den Umſchlag warten, aus dem Spaniſchen und
Portugieſiſchen Indien Waare zuruͤck nehmen, und fuͤr letz-
tere einen großen Markt haben muͤſſe. Eine Ladung Oel,
Zitronen, Roſinen, Weine, Wolle, Domingo, Indigo und
dergleichen Waaren, welche Spanien zuruͤck gebe, wuͤrde
eine Landſtadt nicht mit Vortheil verſchlingen koͤnnen, und
letzteres ſey der wahre Vorzug der Seeſtaͤdte, wodurch ſie ſich
der Handlung bisher allein bemeiſtert haͤtten. Allein Un-
ſicherheit iſt die Seele des Handels; und je laͤnger man auf
ſein Geld warten muß, je groͤßer iſt auch der Vortheil, weil
Kraͤmer und Schleicher, die ihrer wenigen Pfennige gleich
wiederum beduͤrfen, ſich nicht daran wagen, und den Han-
del verderben koͤnnen. Blos die letzte Schwierigkeit wuͤrde
erheblich ſeyn; wenn der Bremer und Hamburger Buͤrger
den Markt fuͤr ſich allein, und Auswaͤrtige nicht die Frey-
heit haͤtten, auf dieſem Markt im Großen zu verkaufen. Ein
Landſtaͤdter kann alle ſeine Spaniſche Ruͤckfrachten dort able-
gen, verkaufen, und an alle Ende der Welt gehen laſſen.
Er darf nur Kunden auf dem Lande haben, und, wenn er
denn beſſere Preiſe, als der Bremer geben kann, ſo wird die-
ſer keinen Vorzug vor ihm gewinnen. Beſſere Preiſe aber
kann er geben; wenn er die Waare, als zum Exempel das
Linnen, welches der Bremer in Bezahlung nach Spanien oder

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[13/0031] der Handlung in den Landſtaͤdten. Oder iſt es unmoͤglich, an jedem Orte einen Freund zu fin- den, der gegen einigen Genuß des Vortheils, auf aller Welt Beduͤrfniſſe Acht giebt; neue Ausſichten eroͤfnet, und blos die Stelle eines getreuen Spediteurs, vertritt? Und koͤnnten un- ſere muͤßigen Reſidenten nicht in mancher Abſicht dem Staate dienen? Man wird einwenden, daß man auf ſolche Art ſein Gut dem Meere und unbekannten Perſonen vertrauen, drey Jahre auf den Umſchlag warten, aus dem Spaniſchen und Portugieſiſchen Indien Waare zuruͤck nehmen, und fuͤr letz- tere einen großen Markt haben muͤſſe. Eine Ladung Oel, Zitronen, Roſinen, Weine, Wolle, Domingo, Indigo und dergleichen Waaren, welche Spanien zuruͤck gebe, wuͤrde eine Landſtadt nicht mit Vortheil verſchlingen koͤnnen, und letzteres ſey der wahre Vorzug der Seeſtaͤdte, wodurch ſie ſich der Handlung bisher allein bemeiſtert haͤtten. Allein Un- ſicherheit iſt die Seele des Handels; und je laͤnger man auf ſein Geld warten muß, je groͤßer iſt auch der Vortheil, weil Kraͤmer und Schleicher, die ihrer wenigen Pfennige gleich wiederum beduͤrfen, ſich nicht daran wagen, und den Han- del verderben koͤnnen. Blos die letzte Schwierigkeit wuͤrde erheblich ſeyn; wenn der Bremer und Hamburger Buͤrger den Markt fuͤr ſich allein, und Auswaͤrtige nicht die Frey- heit haͤtten, auf dieſem Markt im Großen zu verkaufen. Ein Landſtaͤdter kann alle ſeine Spaniſche Ruͤckfrachten dort able- gen, verkaufen, und an alle Ende der Welt gehen laſſen. Er darf nur Kunden auf dem Lande haben, und, wenn er denn beſſere Preiſe, als der Bremer geben kann, ſo wird die- ſer keinen Vorzug vor ihm gewinnen. Beſſere Preiſe aber kann er geben; wenn er die Waare, als zum Exempel das Linnen, welches der Bremer in Bezahlung nach Spanien oder un-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/31>, abgerufen am 16.04.2024.