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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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in kleinen Städten.
große Veränderung im Militairwesen hat der Bürger als
Bürger sehr vieles von seiner alten Ehre verlohren. Dies
verursacht, daß die besten Genies und die bemitteltesten Leute
unter ihnen, Glück und Ehre im Herrndienste, der gemei-
nen bürgerlichen Ehre vorziehen. Und da der Herrndienst
sich nicht wie der alte Bürgerdienst mit dem Handel und dem
Handwerke vertragen will: so macht dieses einen entsetzlichen
Ausfall aus der Zahl der Bürger. Der römische Soldat
gieng lange Zeit vom Pfluge zu Felde, und vom Siege zum
Pfluge. Dies erhob und erhielt die gemeine Ehre. So
bald aber Schwerdt und Pflug getrennt wurden; so wurde
dieser schimpflich und verlassen, jenes aber geehrt und gesucht.

Hingegen ist kein ander Mittel als den Bürger in Uni-
forme zu setzen, und ihn auf eine vernünftige Weise zu seiner
vormaligen Ehre wieder zu erheben. In der That ist auch
gar kein hinlänglicher Grund anzugeben, warum der Bür-
ger und Landwirth, zwischen zwanzig und funfzig Jahren, nicht
sowol einen rothen oder blauen als einen braunen Rock tra-
gen könne? Warum unsre Kinder auf Schulen und Univer-
sitäten nicht eben so gut das Exerciren als Reiten, Tanzen
und Fechten lernen sollten? Warum Uebung und Manns-
zucht nicht eben das aus ihnen sollte machen können, was aus
ihren Söhnen gemacht wird? Und warum ein Doctor der
Rechte nicht so gut mit dem Degen, als mit der Feder fech-
ten sollte? Es liegt einzig und allein an dem Grade der Ehre,
welcher damit verknüpft wird. Ein Fürst sey nur so unvor-
sichtig, und gebe einem Land- oder Garnisonbataillon nicht
den gehörigen und zärtlichen Grad der Ehre der ihm zukömmt;
sogleich wird es seine besten Leute, und seinen ganzen Ton
verlieren. Er beehre seine Bürger, so bald sie in Uniforme
gesetzt, und gleich andern geübt sind, mit seinem Beyfalle und
mit der nöthigen Achtung! sogleich werden sich die reichsten

und
N 3

in kleinen Staͤdten.
große Veraͤnderung im Militairweſen hat der Buͤrger als
Buͤrger ſehr vieles von ſeiner alten Ehre verlohren. Dies
verurſacht, daß die beſten Genies und die bemittelteſten Leute
unter ihnen, Gluͤck und Ehre im Herrndienſte, der gemei-
nen buͤrgerlichen Ehre vorziehen. Und da der Herrndienſt
ſich nicht wie der alte Buͤrgerdienſt mit dem Handel und dem
Handwerke vertragen will: ſo macht dieſes einen entſetzlichen
Ausfall aus der Zahl der Buͤrger. Der roͤmiſche Soldat
gieng lange Zeit vom Pfluge zu Felde, und vom Siege zum
Pfluge. Dies erhob und erhielt die gemeine Ehre. So
bald aber Schwerdt und Pflug getrennt wurden; ſo wurde
dieſer ſchimpflich und verlaſſen, jenes aber geehrt und geſucht.

Hingegen iſt kein ander Mittel als den Buͤrger in Uni-
forme zu ſetzen, und ihn auf eine vernuͤnftige Weiſe zu ſeiner
vormaligen Ehre wieder zu erheben. In der That iſt auch
gar kein hinlaͤnglicher Grund anzugeben, warum der Buͤr-
ger und Landwirth, zwiſchen zwanzig und funfzig Jahren, nicht
ſowol einen rothen oder blauen als einen braunen Rock tra-
gen koͤnne? Warum unſre Kinder auf Schulen und Univer-
ſitaͤten nicht eben ſo gut das Exerciren als Reiten, Tanzen
und Fechten lernen ſollten? Warum Uebung und Manns-
zucht nicht eben das aus ihnen ſollte machen koͤnnen, was aus
ihren Soͤhnen gemacht wird? Und warum ein Doctor der
Rechte nicht ſo gut mit dem Degen, als mit der Feder fech-
ten ſollte? Es liegt einzig und allein an dem Grade der Ehre,
welcher damit verknuͤpft wird. Ein Fuͤrſt ſey nur ſo unvor-
ſichtig, und gebe einem Land- oder Garniſonbataillon nicht
den gehoͤrigen und zaͤrtlichen Grad der Ehre der ihm zukoͤmmt;
ſogleich wird es ſeine beſten Leute, und ſeinen ganzen Ton
verlieren. Er beehre ſeine Buͤrger, ſo bald ſie in Uniforme
geſetzt, und gleich andern geuͤbt ſind, mit ſeinem Beyfalle und
mit der noͤthigen Achtung! ſogleich werden ſich die reichſten

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[197/0215] in kleinen Staͤdten. große Veraͤnderung im Militairweſen hat der Buͤrger als Buͤrger ſehr vieles von ſeiner alten Ehre verlohren. Dies verurſacht, daß die beſten Genies und die bemittelteſten Leute unter ihnen, Gluͤck und Ehre im Herrndienſte, der gemei- nen buͤrgerlichen Ehre vorziehen. Und da der Herrndienſt ſich nicht wie der alte Buͤrgerdienſt mit dem Handel und dem Handwerke vertragen will: ſo macht dieſes einen entſetzlichen Ausfall aus der Zahl der Buͤrger. Der roͤmiſche Soldat gieng lange Zeit vom Pfluge zu Felde, und vom Siege zum Pfluge. Dies erhob und erhielt die gemeine Ehre. So bald aber Schwerdt und Pflug getrennt wurden; ſo wurde dieſer ſchimpflich und verlaſſen, jenes aber geehrt und geſucht. Hingegen iſt kein ander Mittel als den Buͤrger in Uni- forme zu ſetzen, und ihn auf eine vernuͤnftige Weiſe zu ſeiner vormaligen Ehre wieder zu erheben. In der That iſt auch gar kein hinlaͤnglicher Grund anzugeben, warum der Buͤr- ger und Landwirth, zwiſchen zwanzig und funfzig Jahren, nicht ſowol einen rothen oder blauen als einen braunen Rock tra- gen koͤnne? Warum unſre Kinder auf Schulen und Univer- ſitaͤten nicht eben ſo gut das Exerciren als Reiten, Tanzen und Fechten lernen ſollten? Warum Uebung und Manns- zucht nicht eben das aus ihnen ſollte machen koͤnnen, was aus ihren Soͤhnen gemacht wird? Und warum ein Doctor der Rechte nicht ſo gut mit dem Degen, als mit der Feder fech- ten ſollte? Es liegt einzig und allein an dem Grade der Ehre, welcher damit verknuͤpft wird. Ein Fuͤrſt ſey nur ſo unvor- ſichtig, und gebe einem Land- oder Garniſonbataillon nicht den gehoͤrigen und zaͤrtlichen Grad der Ehre der ihm zukoͤmmt; ſogleich wird es ſeine beſten Leute, und ſeinen ganzen Ton verlieren. Er beehre ſeine Buͤrger, ſo bald ſie in Uniforme geſetzt, und gleich andern geuͤbt ſind, mit ſeinem Beyfalle und mit der noͤthigen Achtung! ſogleich werden ſich die reichſten und N 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/215>, abgerufen am 22.11.2024.