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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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sehen hatte, waren durchaus in ein schönes glänzen-
des Kastanienbraun übergegangen. Theobalden war
es bei'm ersten Blicke aufgefallen, aber auch sogleich
hatte sich ihm die sonderbare Ahnung aufgedrungen,
Krankheit und dunkler Kummer hätten Theil an die-
sem schönen Wunder. Agnes selber schien nicht im
entfernten dergleichen zu denken, vielmehr sie fuhr
ganz heiter fort: "Und meinst du wohl, es habe son-
derlich viel Zeit dazu gebraucht? Nicht doch! fast
zusehends, in weniger als zwanzig Wochen war ich
so umgefärbt. Die Pastorstöchter und ich, wir haben
heut' noch unsern Scherz darüber."

Am Abend sollte Nolten erzählen. Allein da-
bei konnte wenig Ordentliches herauskommen; denn
wenn er sich gleich aus Larkens's Koncepten über-
zeugt hatte, wie treulich ihm der Freund bereits in
Bezug auf gewisse Verlegenheitspunkte, so namentlich
auch wegen der Verhaftsgeschichte, zur Beruhigung der
guten Leutchen vorgearbeitet, so fand er sich nun doch
durch die Erinnerung an jene gefährliche Epoche dem
unvergleichlichen Mädchen gegenüber im Herzen beengt
und verlegen; er verfuhr deßhalb in seinen Erzählun-
gen nur sehr fragmentarisch und willkürlich, und übri-
gens, wie es bei Liebenden, die sich nach langer wech-
selvoller Zeit zum Erstenmale wieder Aug' in Auge
besitzen, natürlich zu geschehen pflegt, verschlang die
reine Lust der Gegenwart mit Ernst und Scherz und
Lachen, es verschlang ein stummes Entzücken, wenn

ſehen hatte, waren durchaus in ein ſchönes glänzen-
des Kaſtanienbraun übergegangen. Theobalden war
es bei’m erſten Blicke aufgefallen, aber auch ſogleich
hatte ſich ihm die ſonderbare Ahnung aufgedrungen,
Krankheit und dunkler Kummer hätten Theil an die-
ſem ſchönen Wunder. Agnes ſelber ſchien nicht im
entfernten dergleichen zu denken, vielmehr ſie fuhr
ganz heiter fort: „Und meinſt du wohl, es habe ſon-
derlich viel Zeit dazu gebraucht? Nicht doch! faſt
zuſehends, in weniger als zwanzig Wochen war ich
ſo umgefärbt. Die Paſtorstöchter und ich, wir haben
heut’ noch unſern Scherz darüber.“

Am Abend ſollte Nolten erzählen. Allein da-
bei konnte wenig Ordentliches herauskommen; denn
wenn er ſich gleich aus Larkens’s Koncepten über-
zeugt hatte, wie treulich ihm der Freund bereits in
Bezug auf gewiſſe Verlegenheitspunkte, ſo namentlich
auch wegen der Verhaftsgeſchichte, zur Beruhigung der
guten Leutchen vorgearbeitet, ſo fand er ſich nun doch
durch die Erinnerung an jene gefährliche Epoche dem
unvergleichlichen Mädchen gegenüber im Herzen beengt
und verlegen; er verfuhr deßhalb in ſeinen Erzählun-
gen nur ſehr fragmentariſch und willkürlich, und übri-
gens, wie es bei Liebenden, die ſich nach langer wech-
ſelvoller Zeit zum Erſtenmale wieder Aug’ in Auge
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reine Luſt der Gegenwart mit Ernſt und Scherz und
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[403/0089] ſehen hatte, waren durchaus in ein ſchönes glänzen- des Kaſtanienbraun übergegangen. Theobalden war es bei’m erſten Blicke aufgefallen, aber auch ſogleich hatte ſich ihm die ſonderbare Ahnung aufgedrungen, Krankheit und dunkler Kummer hätten Theil an die- ſem ſchönen Wunder. Agnes ſelber ſchien nicht im entfernten dergleichen zu denken, vielmehr ſie fuhr ganz heiter fort: „Und meinſt du wohl, es habe ſon- derlich viel Zeit dazu gebraucht? Nicht doch! faſt zuſehends, in weniger als zwanzig Wochen war ich ſo umgefärbt. Die Paſtorstöchter und ich, wir haben heut’ noch unſern Scherz darüber.“ Am Abend ſollte Nolten erzählen. Allein da- bei konnte wenig Ordentliches herauskommen; denn wenn er ſich gleich aus Larkens’s Koncepten über- zeugt hatte, wie treulich ihm der Freund bereits in Bezug auf gewiſſe Verlegenheitspunkte, ſo namentlich auch wegen der Verhaftsgeſchichte, zur Beruhigung der guten Leutchen vorgearbeitet, ſo fand er ſich nun doch durch die Erinnerung an jene gefährliche Epoche dem unvergleichlichen Mädchen gegenüber im Herzen beengt und verlegen; er verfuhr deßhalb in ſeinen Erzählun- gen nur ſehr fragmentariſch und willkürlich, und übri- gens, wie es bei Liebenden, die ſich nach langer wech- ſelvoller Zeit zum Erſtenmale wieder Aug’ in Auge beſitzen, natürlich zu geſchehen pflegt, verſchlang die reine Luſt der Gegenwart mit Ernſt und Scherz und Lachen, es verſchlang ein ſtummes Entzücken, wenn

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/89>, abgerufen am 22.11.2024.