Eins das Andre ansah, jedes übrige Interesse und alle folgerechte Betrachtung. Wenn nun das junge Paar Nichts, gar Nichts in der Welt vermißte, ja wenn zuweilen ein herzlicher Seufzer bekannte, man habe des Glückes auf Einmal zu viel, man werde, da die ersten Stunden so reich und überschwänglich seyen, die Wonne der folgenden Zeit gar nicht er- schwingen können, so war der Alte an seinem Theil nicht eben ganz so zufrieden. Er saß nach aufgehob- nem Abendessen (Tischtuch und Gläser mußten bleiben) geruhig zu einer Pfeife Tabak im Sorgensessel, er er- wartete mancherlei Neues von der Reise, vom Aus- land und namentlich von Bekanntschaften des Schwie- gersohns dieß und jenes Angenehme oder Ruhmvolle behaglich zu vernehmen. Agnes, den Fehler wohl bemerkend, stieß deßhalb den Bräutigam ein paarmal heimlich an, der denn nach Kräften schwatzend, gar bald den Vater in den besten Humor zu versetzen und einige Mal zum herzlichsten Gelächter anzuregen wußte. Es fiel dem ganz jugendlich auflebenden Greise noch ein, eine Flasche ächten Kapweins, welche der Baron verehrt, vom Keller bringen zu lassen, und immer wurde man munterer.
Von dem Vater, den wir im Allgemeinen schon kennen, sagen wir bei dieser Gelegenheit nur so viel: Es war ein Mann von gutem geraden Verstande, sein ganzes Wesen vom besten Korn, und während die eigensinnige Strenge seines Charakters durch die
Eins das Andre anſah, jedes übrige Intereſſe und alle folgerechte Betrachtung. Wenn nun das junge Paar Nichts, gar Nichts in der Welt vermißte, ja wenn zuweilen ein herzlicher Seufzer bekannte, man habe des Glückes auf Einmal zu viel, man werde, da die erſten Stunden ſo reich und überſchwänglich ſeyen, die Wonne der folgenden Zeit gar nicht er- ſchwingen können, ſo war der Alte an ſeinem Theil nicht eben ganz ſo zufrieden. Er ſaß nach aufgehob- nem Abendeſſen (Tiſchtuch und Gläſer mußten bleiben) geruhig zu einer Pfeife Tabak im Sorgenſeſſel, er er- wartete mancherlei Neues von der Reiſe, vom Aus- land und namentlich von Bekanntſchaften des Schwie- gerſohns dieß und jenes Angenehme oder Ruhmvolle behaglich zu vernehmen. Agnes, den Fehler wohl bemerkend, ſtieß deßhalb den Bräutigam ein paarmal heimlich an, der denn nach Kräften ſchwatzend, gar bald den Vater in den beſten Humor zu verſetzen und einige Mal zum herzlichſten Gelächter anzuregen wußte. Es fiel dem ganz jugendlich auflebenden Greiſe noch ein, eine Flaſche ächten Kapweins, welche der Baron verehrt, vom Keller bringen zu laſſen, und immer wurde man munterer.
Von dem Vater, den wir im Allgemeinen ſchon kennen, ſagen wir bei dieſer Gelegenheit nur ſo viel: Es war ein Mann von gutem geraden Verſtande, ſein ganzes Weſen vom beſten Korn, und während die eigenſinnige Strenge ſeines Charakters durch die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0090"n="404"/>
Eins das Andre anſah, jedes übrige Intereſſe und<lb/>
alle folgerechte Betrachtung. Wenn nun das junge<lb/>
Paar Nichts, gar Nichts in der Welt vermißte, ja<lb/>
wenn zuweilen ein herzlicher Seufzer bekannte, man<lb/>
habe des Glückes auf Einmal zu viel, man werde,<lb/>
da die erſten Stunden ſo reich und überſchwänglich<lb/>ſeyen, die Wonne der folgenden Zeit gar nicht er-<lb/>ſchwingen können, ſo war der Alte an ſeinem Theil<lb/>
nicht eben ganz ſo zufrieden. Er ſaß nach aufgehob-<lb/>
nem Abendeſſen (Tiſchtuch und Gläſer mußten bleiben)<lb/>
geruhig zu einer Pfeife Tabak im Sorgenſeſſel, er er-<lb/>
wartete mancherlei Neues von der Reiſe, vom Aus-<lb/>
land und namentlich von Bekanntſchaften des Schwie-<lb/>
gerſohns dieß und jenes Angenehme oder Ruhmvolle<lb/>
behaglich zu vernehmen. <hirendition="#g">Agnes</hi>, den Fehler wohl<lb/>
bemerkend, ſtieß deßhalb den Bräutigam ein paarmal<lb/>
heimlich an, der denn nach Kräften ſchwatzend, gar<lb/>
bald den Vater in den beſten Humor zu verſetzen und<lb/>
einige Mal zum herzlichſten Gelächter anzuregen wußte.<lb/>
Es fiel dem ganz jugendlich auflebenden Greiſe noch<lb/>
ein, eine Flaſche ächten Kapweins, welche der Baron<lb/>
verehrt, vom Keller bringen zu laſſen, und immer<lb/>
wurde man munterer.</p><lb/><p>Von dem Vater, den wir im Allgemeinen ſchon<lb/>
kennen, ſagen wir bei dieſer Gelegenheit nur ſo viel:<lb/>
Es war ein Mann von gutem geraden Verſtande,<lb/>ſein ganzes Weſen vom beſten Korn, und während<lb/>
die eigenſinnige Strenge ſeines Charakters durch die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[404/0090]
Eins das Andre anſah, jedes übrige Intereſſe und
alle folgerechte Betrachtung. Wenn nun das junge
Paar Nichts, gar Nichts in der Welt vermißte, ja
wenn zuweilen ein herzlicher Seufzer bekannte, man
habe des Glückes auf Einmal zu viel, man werde,
da die erſten Stunden ſo reich und überſchwänglich
ſeyen, die Wonne der folgenden Zeit gar nicht er-
ſchwingen können, ſo war der Alte an ſeinem Theil
nicht eben ganz ſo zufrieden. Er ſaß nach aufgehob-
nem Abendeſſen (Tiſchtuch und Gläſer mußten bleiben)
geruhig zu einer Pfeife Tabak im Sorgenſeſſel, er er-
wartete mancherlei Neues von der Reiſe, vom Aus-
land und namentlich von Bekanntſchaften des Schwie-
gerſohns dieß und jenes Angenehme oder Ruhmvolle
behaglich zu vernehmen. Agnes, den Fehler wohl
bemerkend, ſtieß deßhalb den Bräutigam ein paarmal
heimlich an, der denn nach Kräften ſchwatzend, gar
bald den Vater in den beſten Humor zu verſetzen und
einige Mal zum herzlichſten Gelächter anzuregen wußte.
Es fiel dem ganz jugendlich auflebenden Greiſe noch
ein, eine Flaſche ächten Kapweins, welche der Baron
verehrt, vom Keller bringen zu laſſen, und immer
wurde man munterer.
Von dem Vater, den wir im Allgemeinen ſchon
kennen, ſagen wir bei dieſer Gelegenheit nur ſo viel:
Es war ein Mann von gutem geraden Verſtande,
ſein ganzes Weſen vom beſten Korn, und während
die eigenſinnige Strenge ſeines Charakters durch die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/90>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.