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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Wie er den Rest des Tages hingebracht, was
Alles in ihm sich hin und wieder bewegte, was er
dachte, fürchtete, hoffte, wie er sich im Ganzen em-
pfunden, dieß zu bezeichnen wäre ihm vielleicht so
unmöglich gewesen als uns, zumal er die ganze Zeit
von sich selbst wie abgeschnitten war durch einen un-
ausweichlichen Besuch, den er zwar endlich an einen
öffentlichen Ort, wo man viele Gesellschaft traf, glück-
lich abzuleiten wußte, ohne sich jedoch ganz entziehen
zu dürfen.

Entschieden war er nun freilich so weit, daß er
Agnesen aufsuchen müsse und wolle. Noch hatte
er die schriftliche Darstellung der Thatsachen, welche
so sehr zur Rechtfertigung des theuren Kindes dien-
ten, gar nicht angesehn; ein stiller Glaube, der das
Wunderbarste voraussezte und keinen Zweifel mehr
zuließ, war diese lezten Stunden in ihm erzeugt wor-
den, er wußte selbst nicht wie. Doch als er in der
Nacht die merkwürdigen Berichte des Försters las,
als ihm Larkens's Tagebuch so manchen erklären-
den Wink hiezu gab, wie sehr mußte er staunen! wie
graute ihm, jener schrecklichen Elisabeth überall zu
begegnen! mit welcher Rührung, welchem Schmerz
durchlief er die Krankheitsgeschichte des ärmsten der
Mädchen, dem die Liebe zu ihm den bittern Leidens-
kelch mischte! Und ihre Briefe nun selbst, in denen
das schöne Gemüth sich wie verjüngt darstellte! --
Der ganz unfaßliche Gedanke, dieß einzige Geschöpf,

Wie er den Reſt des Tages hingebracht, was
Alles in ihm ſich hin und wieder bewegte, was er
dachte, fürchtete, hoffte, wie er ſich im Ganzen em-
pfunden, dieß zu bezeichnen wäre ihm vielleicht ſo
unmöglich geweſen als uns, zumal er die ganze Zeit
von ſich ſelbſt wie abgeſchnitten war durch einen un-
ausweichlichen Beſuch, den er zwar endlich an einen
öffentlichen Ort, wo man viele Geſellſchaft traf, glück-
lich abzuleiten wußte, ohne ſich jedoch ganz entziehen
zu dürfen.

Entſchieden war er nun freilich ſo weit, daß er
Agneſen aufſuchen müſſe und wolle. Noch hatte
er die ſchriftliche Darſtellung der Thatſachen, welche
ſo ſehr zur Rechtfertigung des theuren Kindes dien-
ten, gar nicht angeſehn; ein ſtiller Glaube, der das
Wunderbarſte vorausſezte und keinen Zweifel mehr
zuließ, war dieſe lezten Stunden in ihm erzeugt wor-
den, er wußte ſelbſt nicht wie. Doch als er in der
Nacht die merkwürdigen Berichte des Förſters las,
als ihm Larkens’s Tagebuch ſo manchen erklären-
den Wink hiezu gab, wie ſehr mußte er ſtaunen! wie
graute ihm, jener ſchrecklichen Eliſabeth überall zu
begegnen! mit welcher Rührung, welchem Schmerz
durchlief er die Krankheitsgeſchichte des ärmſten der
Mädchen, dem die Liebe zu ihm den bittern Leidens-
kelch miſchte! Und ihre Briefe nun ſelbſt, in denen
das ſchöne Gemüth ſich wie verjüngt darſtellte! —
Der ganz unfaßliche Gedanke, dieß einzige Geſchöpf,

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[364/0050] Wie er den Reſt des Tages hingebracht, was Alles in ihm ſich hin und wieder bewegte, was er dachte, fürchtete, hoffte, wie er ſich im Ganzen em- pfunden, dieß zu bezeichnen wäre ihm vielleicht ſo unmöglich geweſen als uns, zumal er die ganze Zeit von ſich ſelbſt wie abgeſchnitten war durch einen un- ausweichlichen Beſuch, den er zwar endlich an einen öffentlichen Ort, wo man viele Geſellſchaft traf, glück- lich abzuleiten wußte, ohne ſich jedoch ganz entziehen zu dürfen. Entſchieden war er nun freilich ſo weit, daß er Agneſen aufſuchen müſſe und wolle. Noch hatte er die ſchriftliche Darſtellung der Thatſachen, welche ſo ſehr zur Rechtfertigung des theuren Kindes dien- ten, gar nicht angeſehn; ein ſtiller Glaube, der das Wunderbarſte vorausſezte und keinen Zweifel mehr zuließ, war dieſe lezten Stunden in ihm erzeugt wor- den, er wußte ſelbſt nicht wie. Doch als er in der Nacht die merkwürdigen Berichte des Förſters las, als ihm Larkens’s Tagebuch ſo manchen erklären- den Wink hiezu gab, wie ſehr mußte er ſtaunen! wie graute ihm, jener ſchrecklichen Eliſabeth überall zu begegnen! mit welcher Rührung, welchem Schmerz durchlief er die Krankheitsgeſchichte des ärmſten der Mädchen, dem die Liebe zu ihm den bittern Leidens- kelch miſchte! Und ihre Briefe nun ſelbſt, in denen das ſchöne Gemüth ſich wie verjüngt darſtellte! — Der ganz unfaßliche Gedanke, dieß einzige Geſchöpf,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/50>, abgerufen am 24.11.2024.