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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Personen. Ein Reitender sprengt nach der Stadt,
den zweiten Arzt zu holen, indeß der gegenwärtige,
ein ruhiger, tüchtiger Mann, fortfährt, das Nöthige
mit Einreibung und warmen Tüchern nach der Ord-
nung zu thun; schon füllte schauerlicher Duft der
stärksten Mittel das Zimmer. Mit Henni hat es
keine Gefahr, obgleich ihm die volle Besinnung noch
ausbleibt. An Nolten muß nach stundenlanger An-
strengung, so Kunst wie Hoffnung erliegen. Beschei-
den äußerte der Wundarzt seinen Zweifel und als
endlich der Medikus ankam, erklärte dieser auf den
dritten Blick, daß keine Spur von Leben hier mehr
zu suchen sey.


Hatte Agnesens Krankheit und Tod überall in
der Gegend das größte Aufsehn und die lebhafteste
Theilnahme erregt, so machte dieser neue Trauerfall
einen wahrhaft panischen Eindruck auf die Gemüther
der Menschen, zumal bis jezt noch kein hinreichender
Erklärungsgrund am Tage lag. Da indeß doch ir-
gend ein heftiger Schrecken die tödtliche Ursache ge-
wesen seyn muß, so lag allerdings bei der von Kum-
mer und Verzweiflung erschöpften Natur des Malers
die Annahme sehr nahe, daß hier die Einbildung, wie
man mehr Beispiele hat, ihr Aeußerstes gethan. Die-
ser Meinung waren die Aerzte, so wie der Präsident.
Doch fehlte es im Schlosse, je nachdem man auf ge-

Perſonen. Ein Reitender ſprengt nach der Stadt,
den zweiten Arzt zu holen, indeß der gegenwärtige,
ein ruhiger, tüchtiger Mann, fortfährt, das Nöthige
mit Einreibung und warmen Tüchern nach der Ord-
nung zu thun; ſchon füllte ſchauerlicher Duft der
ſtärkſten Mittel das Zimmer. Mit Henni hat es
keine Gefahr, obgleich ihm die volle Beſinnung noch
ausbleibt. An Nolten muß nach ſtundenlanger An-
ſtrengung, ſo Kunſt wie Hoffnung erliegen. Beſchei-
den äußerte der Wundarzt ſeinen Zweifel und als
endlich der Medikus ankam, erklärte dieſer auf den
dritten Blick, daß keine Spur von Leben hier mehr
zu ſuchen ſey.


Hatte Agneſens Krankheit und Tod überall in
der Gegend das größte Aufſehn und die lebhafteſte
Theilnahme erregt, ſo machte dieſer neue Trauerfall
einen wahrhaft paniſchen Eindruck auf die Gemüther
der Menſchen, zumal bis jezt noch kein hinreichender
Erklärungsgrund am Tage lag. Da indeß doch ir-
gend ein heftiger Schrecken die tödtliche Urſache ge-
weſen ſeyn muß, ſo lag allerdings bei der von Kum-
mer und Verzweiflung erſchöpften Natur des Malers
die Annahme ſehr nahe, daß hier die Einbildung, wie
man mehr Beiſpiele hat, ihr Aeußerſtes gethan. Die-
ſer Meinung waren die Aerzte, ſo wie der Präſident.
Doch fehlte es im Schloſſe, je nachdem man auf ge-

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[632/0318] Perſonen. Ein Reitender ſprengt nach der Stadt, den zweiten Arzt zu holen, indeß der gegenwärtige, ein ruhiger, tüchtiger Mann, fortfährt, das Nöthige mit Einreibung und warmen Tüchern nach der Ord- nung zu thun; ſchon füllte ſchauerlicher Duft der ſtärkſten Mittel das Zimmer. Mit Henni hat es keine Gefahr, obgleich ihm die volle Beſinnung noch ausbleibt. An Nolten muß nach ſtundenlanger An- ſtrengung, ſo Kunſt wie Hoffnung erliegen. Beſchei- den äußerte der Wundarzt ſeinen Zweifel und als endlich der Medikus ankam, erklärte dieſer auf den dritten Blick, daß keine Spur von Leben hier mehr zu ſuchen ſey. Hatte Agneſens Krankheit und Tod überall in der Gegend das größte Aufſehn und die lebhafteſte Theilnahme erregt, ſo machte dieſer neue Trauerfall einen wahrhaft paniſchen Eindruck auf die Gemüther der Menſchen, zumal bis jezt noch kein hinreichender Erklärungsgrund am Tage lag. Da indeß doch ir- gend ein heftiger Schrecken die tödtliche Urſache ge- weſen ſeyn muß, ſo lag allerdings bei der von Kum- mer und Verzweiflung erſchöpften Natur des Malers die Annahme ſehr nahe, daß hier die Einbildung, wie man mehr Beiſpiele hat, ihr Aeußerſtes gethan. Die- ſer Meinung waren die Aerzte, ſo wie der Präſident. Doch fehlte es im Schloſſe, je nachdem man auf ge-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/318>, abgerufen am 25.11.2024.