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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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wie man deßhalb bei Nolten sich zu benehmen habe,
so wurde Jederman nicht wenig überrascht, als er
mit aller Gelassenheit die Frage stellte: auf wann die
Beerdigung festgesezt sey, und wohin man dießfalls
gedenke? -- Mit gleicher Ruhe fand er hierauf von
selbst den Weg zum Zimmer, wo die Todte lag. Er
verweilte allein und lange daselbst. Erst diese An-
schauung gab ihm das ganze, deutliche Gefühl seines
Verlustes, er weinte heftig, als er zu den Andern
auf den Saal zurückkam.

"Unglücklicher, geliebter Freund," nahm jezt der
Präsident das Wort und umarmte den Maler, "es ist mir
vorlängst einmal der Spruch irgendwo vorgekommen:
wir sollen selbst da noch hoffen, wo nichts mehr zu
hoffen steht. Gewiß ist das ein herrliches Wort, wer's
nur verstehen will; mir hat es einst in großer Noth
den wunderbarsten Trost in der Seele erweckt, einen
leuchtenden Goldblick des Glaubens; und nur auf den
Entschluß kommt es an, sich dieses Glaubens freudig
zu bemächtigen. O daß Sie dieß vermöchten! Ein
Mensch, den das Schicksal so ängstlich mit eisernen
Händen umklammert, der muß am Ende doch sein
Liebling seyn und diese grausame Gunst wird sich ihm
eines Tags als die ewige Güte und Wahrheit ent-
hüllen. Ich habe oft gefunden, daß die Geächteten
des Himmels seine ersten Heiligen waren. Eine Feuer-
taufe ist über Sie ergangen und ein höheres, ein gott-
bewußteres Leben wird sich von Stund' an in Ihnen
entfalten."

wie man deßhalb bei Nolten ſich zu benehmen habe,
ſo wurde Jederman nicht wenig überraſcht, als er
mit aller Gelaſſenheit die Frage ſtellte: auf wann die
Beerdigung feſtgeſezt ſey, und wohin man dießfalls
gedenke? — Mit gleicher Ruhe fand er hierauf von
ſelbſt den Weg zum Zimmer, wo die Todte lag. Er
verweilte allein und lange daſelbſt. Erſt dieſe An-
ſchauung gab ihm das ganze, deutliche Gefühl ſeines
Verluſtes, er weinte heftig, als er zu den Andern
auf den Saal zurückkam.

„Unglücklicher, geliebter Freund,“ nahm jezt der
Präſident das Wort und umarmte den Maler, „es iſt mir
vorlängſt einmal der Spruch irgendwo vorgekommen:
wir ſollen ſelbſt da noch hoffen, wo nichts mehr zu
hoffen ſteht. Gewiß iſt das ein herrliches Wort, wer’s
nur verſtehen will; mir hat es einſt in großer Noth
den wunderbarſten Troſt in der Seele erweckt, einen
leuchtenden Goldblick des Glaubens; und nur auf den
Entſchluß kommt es an, ſich dieſes Glaubens freudig
zu bemächtigen. O daß Sie dieß vermöchten! Ein
Menſch, den das Schickſal ſo ängſtlich mit eiſernen
Händen umklammert, der muß am Ende doch ſein
Liebling ſeyn und dieſe grauſame Gunſt wird ſich ihm
eines Tags als die ewige Güte und Wahrheit ent-
hüllen. Ich habe oft gefunden, daß die Geächteten
des Himmels ſeine erſten Heiligen waren. Eine Feuer-
taufe iſt über Sie ergangen und ein höheres, ein gott-
bewußteres Leben wird ſich von Stund’ an in Ihnen
entfalten.“

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[626/0312] wie man deßhalb bei Nolten ſich zu benehmen habe, ſo wurde Jederman nicht wenig überraſcht, als er mit aller Gelaſſenheit die Frage ſtellte: auf wann die Beerdigung feſtgeſezt ſey, und wohin man dießfalls gedenke? — Mit gleicher Ruhe fand er hierauf von ſelbſt den Weg zum Zimmer, wo die Todte lag. Er verweilte allein und lange daſelbſt. Erſt dieſe An- ſchauung gab ihm das ganze, deutliche Gefühl ſeines Verluſtes, er weinte heftig, als er zu den Andern auf den Saal zurückkam. „Unglücklicher, geliebter Freund,“ nahm jezt der Präſident das Wort und umarmte den Maler, „es iſt mir vorlängſt einmal der Spruch irgendwo vorgekommen: wir ſollen ſelbſt da noch hoffen, wo nichts mehr zu hoffen ſteht. Gewiß iſt das ein herrliches Wort, wer’s nur verſtehen will; mir hat es einſt in großer Noth den wunderbarſten Troſt in der Seele erweckt, einen leuchtenden Goldblick des Glaubens; und nur auf den Entſchluß kommt es an, ſich dieſes Glaubens freudig zu bemächtigen. O daß Sie dieß vermöchten! Ein Menſch, den das Schickſal ſo ängſtlich mit eiſernen Händen umklammert, der muß am Ende doch ſein Liebling ſeyn und dieſe grauſame Gunſt wird ſich ihm eines Tags als die ewige Güte und Wahrheit ent- hüllen. Ich habe oft gefunden, daß die Geächteten des Himmels ſeine erſten Heiligen waren. Eine Feuer- taufe iſt über Sie ergangen und ein höheres, ein gott- bewußteres Leben wird ſich von Stund’ an in Ihnen entfalten.“

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/312>, abgerufen am 22.11.2024.